Herbolzheim. Ob Bild-Zeitung, Süddeutsche, Manager-Magazin, Deutschlandfunk oder Schwarzwälder Bote: Die gerichtliche Auseinandersetzung von Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn und dem Start-up „T1TAN“ aus Herbolzheim war vergangenes Jahr bundesweit Thema in den Medien. Wie sie ausgeht, ob sich die Parteien auf einen Vergleich einigen oder das Landgericht München im März ein Urteil fällen wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Dass die Klage Kahns Matthias Leibitz und seine Torwarthandschuhe der Marke T1tan – gegen diesen Namen geht Kahn gerichtlich vor – bundesweit bekannt gemacht hat, ist dagegen sicher. „Wenn ich tauschen könnte, hätte ich lieber keine Zeitungsberichte und keinen Prozess“, sagte der 35-Jährige Anfang Dezember beim Interview in seinen Firmenräumen in Herbolzheim. Denn er ist nicht angetreten, um sich mit dem auch Titan genannten Kahn anzulegen. Die großen Torwarthandschuhhersteller wie Adidas, Uhlsport und Reusch fordert er dagegen schon heraus – wenn auch auf andere Art: „Unsere Vision ist es, dass wir diese Marken in fünf bis zehn Jahren überholen und die Nummer eins in Europa werden“, sagt Leibitz selbstbewusst. Er ist davon überzeugt, dass dies möglich ist: „Wir sind effizienter und agiler.“
Sein Rezept schildert er folgendermaßen: So viel wie möglich wird ausgelagert. Die Handschuhe produzieren Unternehmen in der Ukraine und Pakistan, Logistik und Versand übernimmt ein Fulfillmentcenter in Reutlingen, verkauft wird ausschließlich über einen Webshop, geworben nur im Netz, viel auf sozialen Medien und über Influencer. Leibitz und seine inzwischen vier Mitarbeiter kümmern sich um Produktentwicklung und Marketing. „Da haben wir die Expertise“, sagt Leibitz, der einen Bachelor in Betriebswirtschaft hat und bis vor gut zwei Jahren im Marketing der Offenburger Hobart GmbH gearbeitet hat. Außerdem stand er etwa 28 Jahre lang in seiner Freizeit regelmäßig im Tor. Angefangen in der F-Jugend des SC Kappel in der Ortenau, später in der B-Jugend des SC Freiburg und danach bei diversen Vereinen von der Kreis- bis zur Landesliga. Bis zu viermal in der Woche trainierte er, sonntags standen die Spiele an.
So wie der Fußball, war auch die Firma für Leibitz einige Jahre ein Hobby, dem er sich am Wochenende, abends und auch mal nachts widmete. 2010 gründete er mit seinem Studienfreund Manuel Meier eine GbR als eine Art Spielwiese. „Wir wollten Gründungserfahrung sammeln, falls wir einmal eine zündende Idee haben.“ Eine Produkt musste trotzdem her und so kam Leibitz auf das für ihn Naheliegende, was ihm schon lange ein Bedürfnis war und wo er sich auskannte: qualitativ hochwertige Torwarthandschuhe, wie man sie aus dem Profibereich kennt, die sich aber auch Amateure leisten können, die vier bis fünf Paar pro Saison verbrauchen. „Dass das schon die beste Idee war, konnten wir uns gar nicht vorstellen“, sagt Leibitz heute. Die ersten 300 Paar Handschuhe verkauften sie im Freundes- und Bekanntenkreis unter der Marke Aegiv. Die geht auf Leibitz‘ Faible fürs Lateinische zurück und setzt sich aus Aegis (Schild) und dem Englischen Wort für Handschuhe, glove, zusammen. Der Name stellte sich als zu kompliziert heraus, ein neuer musste her. Leibitz suchte in der griechischen Mythologie – auch ein Steckenpferd von ihm – und landete bei den Titanen. Aus dem i wurde die 1, weil die der Torwart auf dem Trikot trägt. Seit 2013 vertreiben Leibitz und Meier „T1tan“-Handschuhe, 2016 ließen sie den Namen als europäische Marke eintragen und gründeten die T1tan GmbH, deren Geschäfte Leibitz alleine führt. Beide halten jeweils 40 Prozent der Anteile. Die übrigen 20 Prozent erwarben 2017 der Bundesligatorwart René Adler (FSV Mainz 05) und die Hamburger Ethos-Group, eine Vermarktungsgesellschaft. Adler trägt die T1tan-Handschuhe zudem auf dem Platz, so wie auch sein Vereinskollege, der U 21-Nationaltorhüter Florian Müller. Weitere Profis sollen ab kommender Saison dazukommen.
Seit 2017 arbeitet Leibitz hauptberuflich für „sein Baby“, das seitdem ziemlich schnell gewachsen ist: In dem Jahr verkaufte die T1tan GmbH knapp 30.000 Paar Handschuhe und setzte eine Million Euro um, 2018 waren es voraussichtlich 50.000 Paar sowie Zubehör, das neu ins Sortiment kam, und über zwei Millionen Euro Umsatz. Ob der Zuwachs auch mit der medialen Aufmerksamkeit rund um Kahns Klage zusammenhängt, mag er nicht beurteilen. „In der Szene waren wir schon davor bekannt“, sagt Leibitz, der auch lieber über seine Firma als über Oliver Kahn reden möchte. Auf Nachfrage erzählt er trotzdem die Vorgeschichte: 2014 gab es Kontakt mit Kahn und dessen Manager. Diese wollten erst die Firma kaufen, und als Leibitz und Meier ablehnten („Das ist unser Baby, da steckt viel Herzblut drin“), schlugen sie eine Kooperation vor. Doch nach dem Treffen hörten sie nichts mehr von Kahn, der inzwischen selbst Torwarthandschuhe vertreibt. 2017 folgte eine Unterlassungserklärung, gegen die Leibitz erfolgreich vorging, 2018 die gerichtliche Auseinandersetzung. Das koste ihn Zeit, – „aber keine Nerven“, versichert Leibitz. „Wir nehmen die Sache ernst, sie bestätigt uns aber auch, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt er gelassen. Zudem würden sie viele positive Rückmeldungen in den sozialen Netzwerken erhalten.
Leibitz strahlt, wenn er über seine Firma berichtet und wirkt stets ruhig dabei. Das sei er aber nicht, er habe den ganzen Tag neue Ideen, seine Gedanken würden nie zur Ruhe kommen, berichtet er. Um mehr Zeit für seine Frau und seine vierjährige Tochter zu haben, hörte er im Sommer mit dem Fußballspielen auf. Ob er ein neues Hobby hat? Leibitz zögert keine Sekunde: „T1tan ist meine Leidenschaft, mein Hobby, darin gehe ich auf wie ein Künstler in seinem Atelier.“
Text: mae, Bild: Michael Bamberger