Was macht die Messie-Lebenshilfe, was ist das Besondere?
Freyler: Das Messiesyndrom ist eine psychische Störung, eine Krankheit, die durchweg alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten betrifft. Wir leisten hier quasi immer noch Pionierarbeit bei der Enttabuisierung dieser Erkrankung und geben den Menschen, die darunter leiden, ihre Lebensqualität zurück. Es gibt so viele unterschiedliche Formen des Messiesyndroms: vom reinen Sammeln über die Verwahrlosung bis hin zum Vermüllungssyndrom, das wir am häufigsten vorfinden. Wir arbeiten aktiv mit den Betroffenen, auf Augenhöhe, holen sie aus ihrer Isolation. Gemeinsam mit ihnen versuchen wir, die Blockade, die sie allein nicht überwinden können, abzubauen. Da ist viel Empathie gefragt.
Wie sieht Ihre Arbeit aus, was machen Sie genau?
Decoux: Wir machen alles von der Erstberatung bis zur Wiederherstellung hygienischer Wohnverhältnisse.Anfragen kommen telefonisch oder via Internet, oft läuft der Erstkontakt über Multiplikatoren wie gesetzliche Betreuer oder sozialpsychologische Dienste. Dann findet ein erster Besuchstermin statt, um einen Überblick zu bekommen und den Betroffenen die Angst zu nehmen. Es ist ganz wichtig, Vertrauen aufzubauen.
Messie-Lebenshilfe Freyler & Decoux GbR
Gründer: Stefanie Freyler (52, Foto links), Sandra Decoux (52)
Ort: Willstätt
Kontakt: info@messie-hilfe-team.de
Gründung: 2022
Branche: Messie Lebenshilfe
Idee: Menschen mit Messiesyndrom helfen, gesund zu werden
Wie entstand die Idee?
Der Wunsch nach einer beruflichen Veränderung war lange da, ebenso der, im sozialen Bereich zu arbeiten, dort wirklich etwas zu erreichen. Zur Gründung kam es dann schlussendlich durch verschiedene, ich sag mal, Zufälle: Berührungspunkte gab es im Vorfeld auch teilweise im privaten Umfeld. Durch Corona haben nicht nur die psychischen Krankheiten zugenommen, auch bei Stefanie Freyler und mir war wegen der Pandemie eine berufliche Neuorientierung sinnvoll. Der Zeitpunkt hat einfach gepasst.
Wie läuft’s bislang?
Freyler: In manchen Monaten haben wir eine sehr hohe Auslastung, dann wieder eine eher schwache. Aber insgesamt läuft es sehr gut, die Nachfrage ist hoch, Tendenz steigend. Wir betreuen Menschen aus der ganzen Region, von uns aus bis zum Bodensee und bis nach Heidelberg. Teilweise kommen Anfragen aus ganz Baden-Württemberg. Leider sind wir sehr stark von den Ämtern abhängig, die meist die Kosten übernehmen müssen, da die Klienten dies in der Regel nicht selbst stemmen können. Diese Umsatzabhängigkeit ist manchmal schwierig.
Wie soll es weitergehen?
Personell wollen wir uns vorerst nicht verändern, jedoch ist es uns wichtig, den Fokus auch verstärkt auf die Nachbetreuung zu legen, diese zu intensivieren: Therapien vermitteln oder dort, wo es nötig ist, eine pflegerische Betreuung in die Wege leiten. Sonst ist die Gefahr groß, dass alles wieder von vorne beginnt.
Interview: Andrea Keller