Frau Lingg, Sie haben 2021 mit Lukas Schiller und Alec Chevrot macu4 gegründet. Wie kam es dazu?
Myriam Lingg: Lukas Schiller habe ich 2020 an der ETH Zürich getroffen, als wir zusammen an einem Projekt zur prothetischen Versorgung beschäftigt waren. Wir haben gesehen, dass die Grundidee Marktpotenzial hatte. Um es in eine marktfähige Lösung umzuwandeln, brauchten wir noch mehr Kreativität. Drei Hirne sind besser als zwei, deshalb kam Alec Chevrot noch hinzu, damals Student an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne.
Welchen Hintergrund bringen Sie jeweils mit?
Lukas und Alec sind beide Ingenieure, Bereich Medizintechnik. Ich selbst habe BWL studiert und bei einem Hersteller von orthopädischen Produkten gearbeitet, bevor ich zum ETH-Projekt gewechselt bin.
Welche Marktlücke schließen Ihre Produkte?
Wir entwickeln und produzieren Orthoprothesen und haben dabei zwei Systeme, die verschiedene Anwenderprofile und Aktivitäten bedienen. Eines für Personen, die am Unterarm betroffen sind, und ein System für Personen, die Prothesen im Handbereich be- nötigen. Die Produkte bestehen aus einer Armkomponente und verschiedenen Aktivitätsmodulen.
Aus Kundensicht sind unsere Produkte bezahlbar und fördern die Selbstbestimmung. Die Konkurrenz fokussiert sich hingegen auf Hightech-Lösungen mit dem Ansatz, die Hand und die Finger nachzubilden.
Macu4 GmbH
Gründer: Myriam Lingg (42), Lukas Schiller (31) und Alec Chevrot (25)
Ort: Konstanz
Gründung: 2021
Branche: Prothetik
Idee: Entwicklung, Produktion und Vermarktung leistungs-fähiger Unterarm- und Hand-prothesen mit Fernversorgung und Designautomatisierung
Webseite: www.macu4.com
Was ist bei Ihnen anders als bei der „herkömmlichen“ Versorgung mit Prothesen?
Unsere Versorgungskette ist kürzer. Per Fernversorgung können wir anhand von Messvorlagen und Fotos sehr schnell das gewünschte Enddesign erstellen. Wir hatten einen jungen Patienten aus Norddeutschland. Eine Familie mit drei Kindern, ländliche Gegend. Der sonst übliche Prozess mit mehreren Fahrten zum Orthopädietechniker hätte einige Wochen mehr in Anspruch genommen.
Wer sind Ihre Kunden und Hauptabsatzmärkte?
Wir verkaufen an B2B- und B2C-Kunden: Fachhandel, Distributionspartner, aber auch Endanwender. Unser Marktfokus wird bis 2024 der DACH-Raum sein, bevor wir 2025 beginnen, neue Märkte zusammen mit Partnern in Europa aktiv anzugehen.
Warum haben Sie sich in Konstanz statt in der Schweiz angesiedelt?
Wir wollten vom größeren Erstmarkt aus starten. Zum Vergleich: In der Schweiz gibt es etwa 1.200 Menschen, die unser erstes Produkt benötigen, in Deutschland rund 11.000. Es war von Anfang an klar, dass wir raus wollen in den europäischen Markt. Da war es sinnvoll, das gesamte regulatorische Setup in Deutschland aufzubauen. Eine Beratungsgesellschaft und das Gründungsnetzwerk „farm“ waren mit ihrer Unterstützung sehr hilfreich.
Welche Ziele setzen Sie sich für die kommenden Jahre?
Das Team besteht heute aus fünf Personen. 2025 wollen wir das Team in Marketing und Vertrieb erweitern. Für 2026 erwarten wir den Break-even und planen mit einem Jahresumsatz von vier Millionen Euro.
Benedikt Brüne