Herr Botsch, Ihre Partner und Sie haben einen Sensor für Fahrradhelme entwickelt, der bei einem Sturz automatisch nach Hilfe ruft. Wie funktioniert das?
Andreas Botsch: Wir verbauen einen Sensor, der sehr starke Beschleunigung – bis zur 200-fachen Erdbeschleunigung – misst. Bei einem Sturz können wir das komplette Sturzprofil erfassen und unser Algorithmus automatisch analysieren, ob der Vorfall ein schwerer Sturz mit dem Mountainbike oder vom Pferd war. In diesem Fall kommuniziert der Sensor mit der kostenfreien Tocsen App auf dem Handy und meldet den Sturz. Dann startet ein Countdown, der innerhalb von 30 Sekunden abgebrochen werden kann. Falls der Abbruch nicht erfolgt, werden die hinterlegten persönlichen Notfallkontakte per SMS und Tocsen App über den Standort informiert. Gleichzeitig wird die Community informiert. Das sind Leute, die in der App angegeben haben, dass sie bei einem Notfall in der näheren Umgebung kontaktiert werden und zu Hilfe eilen können.
Tocsen GmbH
Gründer: Von links: Malte Buttjer (35), Andreas Botsch (38), Alexander Schumacher (40)
Ort: Freiburg
Gründung: 2019
Branche: Sensortechnik
Idee: Outdoor-Sicherheit
Mitarbeiter: 8
Der Rettungsdienst kann nicht direkt angefunkt werden?
Doch, das bieten wir als bezahlpflichtigen Premiumservice an. Hier kooperieren wir mit Bosch IO, die auch im Autonotrufsystem „emergencyCall“ ans Telefon gehen. Die rufen dann die zentralen Leitstellen an und kümmern sich um die Rettung.
Wie ist die Idee entstanden? Und was haben Sie beruflich vorher gemacht?
Ein gemeinsamer Freund hatte 2017 einen schweren Mountainbikeunfall. Das war der Auslöser, dass wir begonnen haben zu recherchieren, ob es wirklich keine gute Lösung im Falle eines Sturzes gibt. Gab es nicht! Wir haben rasch angefangen, einen Prototypen zu entwickeln und dabei von Anfang an die Wünsche und Anregungen der Zielgruppe miteinbezogen, also Leuten, die Trails gehen oder Mountainbiken. Ich hatte vorher neun Jahre bei der Sick AG im Bereich der Sensortechnologie gearbeitet. Alexander kommt aus dem Automobilbereich und war ebenfalls bei Sick tätig und Malte ist Softwareentwickler. Damit bilden wir die nötigen Kenntnisse gut ab.
Wie haben Sie die Gründung finanziell gestemmt?
Mit Eigenkapital, einer Pre-Seed-Finanzierung durch die Landesbank von Baden-Württemberg sowie mit einem Risikokapitalgeber. Aktuell bereiten wir die Series-A-Finanzierung vor.
Welche nächsten Schritte sind geplant?
Wir möchten mit weiteren Helmherstellern kooperieren. Und ganz oben auf der Liste steht die Ausweitung unserer bislang überwiegend deutschen Community – vor allem nach ganz Europa und die USA.
Sehen Sie Potenzial für eine Ausweitung des Angebots über den Sportbereich hinaus?
Es gibt wirklich viele Anwendungsmöglichkeiten für Sturzerkennung und Hilferuf. Unser Sensor ist für Helme entwickelt und der Algorithmus auf sportliche Anwendungen wie Mountainbiken, Fahrradfahren oder Skifahren abgestimmt. Das kann im Grunde bei allen Aktivitäten genutzt werden, bei denen Helme getragen werden. Wir haben zum Beispiel viel Zuspruch von Reitern bekommen; eine Community, die wir erst gar nicht so bedacht hatten. Wir reden mit diversen Playern aus der Branche, auch über den Sportbereich hinaus.
Interview: db