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4 | 2018

Wirtschaft im Südwesten

49

Praxiswissen

Koalitionsvertrag II

Vorhaben im Unternehmensrecht

D

er Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung

enthält etliche Überlegungen zu Änderungen und

Anpassungen im Wirtschaftsrecht, die wir kurz darstel-

len möchten:

Grenzüberschreitende Sitzverlegung, Europäische Pri-

vatgesellschaft:

Die Große Koalition will sich dafür ein-

setzen, dass zwei seit Langem diskutierte europäische

Projekte umgesetzt werden: die Sitzverlegungsrichtlinie,

die die grenzüberschreitende Sitzverlegung von (Kapi-

tal-)Gesellschaften innerhalb der EU erleichtern soll,

sowie das Schaffen eines europäischen Pendants zur

GmbH, die sogenannte Europäische Privatgesellschaft.

Offen bleibt allerdings, wie die Koalitionäre die in der

EU bestehenden sehr unterschiedlichen Positionen zur

Arbeitnehmermitbestimmung auflösen wollen.

Onlineanmeldung von Gesellschaften:

Gesellschaften

werden auch künftig nicht einfach per Internet gegrün-

det werden können. Onlineanmeldungen von Gesell-

schaften lehnt der Koalitionsvertrag ausdrücklich ab; er

spricht sich für präventive Kontrollen und zuverlässige

Identitätsprüfungen aus. Beide Funktionen werden bis-

lang vom Notar wahrgenommen. Und daran dürfte sich

in den nächsten vier Jahren nicht viel ändern.

Reform des Personengesellschaftsrechts:

Ob es im

Personengesellschaftsrecht Bewegung gibt, bleibt ab-

zuwarten. Jedenfalls ist eine Expertenkommission zur

Modernisierung des Personengesellschaftsrechts ge-

plant. Dies dürfte insbesondere die Außengesellschaft

bürgerlichen Rechts (BGB-Außengesellschaft) betreffen,

die in den vergangenen 15 Jahren durch richterliche

Rechtsfortbildung der offenen Handelsgesellschaft

(OHG) stark angenähert wurde.

Beschlussmängelrecht im Gesellschaftsrecht,

Spruchverfahren:

Das aktienrechtliche Beschlussmän-

gelrecht soll überprüft und verbessert werden. Offen

bleibt, welche Defizite gesehen wurden und behoben

werden sollen. Handlungsbedarf besteht eher bei GmbH

und Personengesellschaften, wo ein vergleichbares ge-

setzliches Instrumentarium zur Beschlussanfechtung

fehlt. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Große Koa-

lition sich nicht nur auf die Reform des Aktienrechts

beschränken wird. Zu begrüßen ist jedenfalls, dass

CDU/CSU und SPD eine Evaluierung des „teuren und

langwierigen“ Spruchverfahrens ankündigen.

Überprüfung des AGB-Rechts im B2B-Bereich:

Beifall

verdient auch die Absicht, die Anwendung des Rechts

der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht)

im unternehmerischen Rechtsverkehr (B2B) zu über-

prüfen. Die Gerichte wenden die ursprünglich für den

Verbraucherschutz erdachten Regeln sehr weitgehend

auch im B2B-Bereich an. Unternehmer- und Anwalts-

verbände haben bislang erfolglos dagegen argumen-

tiert. Das deutsche AGB-Recht, das beispielsweise

auch im B2B-Bereich kaum Haftungsbeschränkungen

ermöglicht, hat sich inzwischen zum echten Nachteil

des Rechtsstandorts Deutschland entwickelt. Die Klau-

selkontrolle künftig auf Fälle zu beschränken, in denen

ein Vertragspartner seine überlegene wirtschaftliche

Position ausnutzt, wäre ein richtiger Schritt.

Strengere Ahndung von Rechtsverstößen durch Un-

ternehmen:

Straftaten, die aus Unternehmen heraus

begangen werden, sollen künftig schärfer sanktioniert

werden. Unter anderem soll bei Unternehmen mit mehr

als 100 Millionen Euro Umsatz die Höchstgrenze künftig

bei zehn Prozent des Umsatzes liegen (statt bislang 10

Millionen Euro). Angekündigt sind auch „weitere Sank-

tionsinstrumente“, zum Beispiel dass verhängte „Sank-

tionen an geeigneter Stelle bekannt gemacht werden“

sollen (sogenanntes naming and shaming). Gesetzliche

Vorgaben für „Internal Investigations“ und gesetzliche

Anreize zu deren Durchführung sowie der Veröffentli-

chung der Ergebnisse sollen die Aufklärung verbessern.

Fazit: Das Programm der CDU/CSU und SPD für die

kommende Legislaturperiode enthält im Unternehmens-

recht viel Altbekanntes, aber auch einige neue Impulse.

Es bleibt zu hoffen, dass die Große Koalition ihrem ei-

genen Anspruch gerecht wird und die aufgeworfenen

Themen offensiv angeht.

Barbara Mayer, Friedrich Graf von Westphalen

Viel Altbekanntes

und einige

neue Impulse

Bild: SimonLukas