Wirtschaft im Südwesten
4 | 2018
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Freiburger Personalkongress
Führung 4.0
D
ie Chefs sind verunsichert: 70 Prozent äußer-
ten in einer von Isabell Welpe zitierten Umfrage
Zweifel an den eigenen Fähigkeiten. Die Münch-
ner Wirtschaftsprofessorin, als Expertin in Sachen Per-
sonalmanagement nach Freiburg eingeladen, fragte die
anwesenden Unternehmer und Personalverantwortlichen
nach den Gründen für ihre Teilnahme. Generation Y war
aus dem Plenum zu hören, Partizipation, Automatisie-
rung und natürlich Digitalisierung. Andreas Kempff,
Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein,
sah eine Aufbruchstimmung in den Führungsetagen:
Weil die Entwicklung sich beschleunige, kleinteiliger
werde, komme man an die Grenzen des Bisherigen. „Die
Herausforderungen können aus völlig unterschiedlichen
Richtungen kommen“, sagte Kempff. „Da reichen zwei
Augen nicht aus, da braucht es Schwarmintelligenz.“
Auch Thomas Herkert, Vorstandsvorsitzender des
Diözesan-Caritasverbands, bejahte die Eingangsfrage.
„Weil sowohl Führende als auch zu Führende aus einer
Kultur kommen, die gerade in einem Entwicklungsschub
steckt, dessen Auswirkungen wir noch nicht absehen
können.“ Dadurch änderten sich Plausibilitäten, frühe-
re Selbstverständlichkeiten würden nicht mehr gelten.
„Es darf kein Herrschaftswissen mehr geben“, forderte
Herkert und räumte „großen Nachholbedarf bei unserer
Wirkung in die Gesellschaft“ ein. Jutta Lang, General-
sekretärin der Führungsakademie Baden-Württemberg,
erwartet vor allem zwei Eigenschaften von Führungs-
kräften: „Mut, um das Richtige zu tun, und Vertrauen
in die Mannschaft.“
Die Hauptrednerin Isabell Welpe setzte „Führung 4.0“ in
direkten Zusammenhang mit der Innovations- und somit
der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. „Diejenigen
überleben, die sich am schnellsten anpassen“, zitierte
sie Darwin. Für die Wirtschaft übersetzt bedeutet das:
Erfolgreich sind diejenigen, die am besten erkennen,
was der Kunde will. Das sind nicht unbedingt die Tech-
nologieführer – Beispiel Tesla. Damit bestehende Unter-
nehmen mit den disruptiven Entwicklungen der vergan-
genen Jahre – Internet, Smartphone – mithalten können,
brauchen sie einen permanenten Veränderungs- und
Anpassungsprozess. „Das ist ein riesiger Kulturwandel
für Firmen und ihre Führungskräfte“, sagte Welpe. Sie
müssten beidhändig fahren, neben dem Tages- auch
das Geschäft von morgen im Blick haben. Sie sollten die
Brauchen wir eine neue Führungskultur?
Die Frage scheint viele umzutreiben,
das zeigte der fünfte Kongress Perso-
nalführung, den die Erzdiözese im März
zusammen mit dem Caritasverband, der
Führungsakademie Baden-Württemberg,
der IHK Südlicher Oberrhein und der
Handwerkskammer Freiburg in ihrem
schönen Priesterseminar „Collegium
Borromaeum“ mitten in der Freiburger
Altstadt veranstaltete. Das Interesse war
groß, schon Wochen vorher waren die
140 Plätze ausgebucht.
»Zwei Augen
reichen nicht
aus. Es braucht
Schwarm-
intelligenz«
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