Gute Bezahlung, ein attraktives Aufgabengebiet, außertarifliche Leistungen – Unternehmen müssen sich immer mehr um ihre Beschäftigten bemühen. Ein neues altes Betätigungsfeld dabei: Wohnungen.

Bezahlbarer Wohnraum ist in vielen Regionen Mangelware. Da macht der südliche Oberrhein keine Ausnahme. Was für Privatpersonen schon seit Jahren ein belastendes Alltagsproblem ist, entwickelt sich auch für Unternehmen zu einer ernstzunehmenden Herausforderung: Immer häufiger scheitern Rekrutierungen von neuen Mitarbeitern oder verlängern sich Probezeiten, weil neue Fachkräfte keine passende Wohnung finden. Besonders betroffen sind Branchen mit mittleren und niedrigeren Einkommen – etwa im Gesundheitswesen, in der Industrie, der Logistik oder dem Gastgewerbe.
Das Ausmaß dieser „Wohnungskrise“ nimmt immer dramatischer Formen an. Laut einer Studie des Pestel-Instituts im Auftrag des Bündnisses Soziales Wohnen fehlen derzeit deutlich mehr als eine halbe Million Wohnungen in Deutschland. Zwar hatte die alte
Bundesregierung sich zum Ziel gesetzt, in jedem Jahr rund 400 000 Wohnungen in Deutschland zu bauen, diese Marke wurde aber nie erreicht. Laut Statistischem Bundesamt wurde im vergangenen Jahr lediglich etwas mehr als die Hälfte dieser Zahl überhaupt genehmigt, knapp 17 Prozent weniger als 2023. Damit sank die Zahl der Baugenehmigungen im dritten Jahr in Folge.
Die Auswertung für den Südwesten ist ebenfalls wenig ermutigend. 2024 wurden lediglich 27 000 Wohnungen (in Alt- und Neubau) genehmigt, ein Minus von 24 Prozent gegenüber 2023. Drei Jahre zuvor lag die Zahl noch doppelt so hoch.
Den Berechnungen des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg zufolge waren es 2024 in Freiburg 600 (2023: 737) Baugenehmigungen von Wohnungen im Wohnungsneubau, im Landkreis Emmendingen 381 (440), im Breisgau-Hochschwarzwald 468 (649) und im Ortenaukreis 1049 (1296).

Wie belastend die angespannte Situation am Wohnungsmarkt für die Unternehmen ist, zeigt auch eine gemeinsame Umfrage von IHK Südlicher Oberrhein und Freiburger Stadtbau (FSB) aus dem vergangenen Herbst. In Freiburg gaben mit 55 Prozent besonders viele Betriebe an, für ihre Mitarbeiter keine Wohnung zu finden. Aber auch im ländlichen Raum beklagen 40 Prozent der Unternehmen einen Mangel an Wohnraum. „Betroffen sind letztlich alle“, sagt Alwin Wagner, der Stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer. Der Wohnraummangel werde zum Risikofaktor für den Standort. „Wir haben selbst schon erleben müssen, dass wir Beschäftigte verloren haben, weil sie in der Region keine Wohnung finden konnten.“
Vor diesem Hintergrund rückt das über viele Jahrzehnte gelebte Konzept der Werkswohnungen wieder stärker in den Fokus, neue Modelle der Unterstützung gesellen sich hinzu. „Wer als Unternehmen beim Thema Wohnen mitdenkt, kann sich im Wettbewerb um Talente deutlich positionieren und langfristig die Mitarbeiterbindung stärken“, sagt Wagner. Einige Betriebe am südlichen Oberrhein haben bereits erste Modelle entwickelt, etwa durch eigene Werkswohnungen, Kooperationsprojekte mit Wohnungsbaugesellschaften oder durch die gezielte Unterstützung bei der Wohnungssuche.
Vor allem Auszubildende haben es in der Großstadt Freiburg schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Aus diesem Grund entsteht derzeit im Nordwesten der Stadt ein einzigartiges Wohnprojekt mit rund 90 Apartments für 145 Azubis. In etwas mehr als einem Jahr soll das Projekt der Freiburger Stadtbau (FSB) bezugsfertig sein. Andere Projekte stehen bereits in den Startlöchern.
Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) registriert ein vermehrtes Engagement der Unternehmen in Sachen Mitarbeiterwohnen. In Deutschland vermieteten im Jahr 2023 gut fünf Prozent der Unternehmen eine Unterkunft an ihre Beschäftigten. Das entspricht rund 675 000 Wohnungen sowie 46 000 Wohnheimplätzen für junge Mitarbeiter, haben die Wirtschaftsforscher im Auftrag des Bundesbauministeriums ermittelt. Hinzu kommen indirekte Maßnahmen wie Tauschbörsen, finanzielle Unterstützung oder die Beauftragung von Maklern. Hier sind 11,6 Prozent der Firmen engagiert.
„Der Ausbau von Mitarbeiterwohnungen bedarf einer großen Kraftanstrengung von Unternehmen, Projektleitern und Kommunen“, sagt Alwin Wagner. Baulandreserven müssen aktiviert, Baugenehmigungen beschleunigt und innovative Bauweisen gefördert werden. Kommunen bräuchten dafür den Rückhalt von oben, erklärt Wagner und appelliert an die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger im Land, über Parteigrenzen hinweg an einer Lösung mitzuwirken. „Wir müssen unseren Standort attraktiv halten.“ tas
Veranstaltungshinweis
Welche Lösungen zum Mitarbeiterwohnen sind wirtschaftlich sinnvoll und rechtlich machbar? Welche Rolle können Kommunen, Immobilienakteure und Förderinstitutionen übernehmen? Und was braucht es, um solche Modelle auch in der Breite umzusetzen? Diesen Fragen widmet sich die IHK Südlicher Oberrhein gemeinsam mit regionalen Partnern in zwei praxisnahen Veranstaltungen – jeweils mit einem einführenden Impuls der IHK, konkreten Projektbeispielen sowie Möglichkeiten zum Austausch:
Dienstag, 20. Mai, 16 bis 18 Uhr, World of Living bei Weber-Haus in Rheinau-Linx.
Gemeinsam mit nectanet, der Wirtschaftsförderung des Ortenaukreises und Weber-Haus richtet sich diese Veranstaltung an Unternehmen in der Ortenau. Im Fokus stehen potenzielle Wohnraumlösungen sowie erste Umsetzungsansätze für Betriebe. Anmeldung hier.
Mittwoch, 21. Mai, 12 bis 14 Uhr, Konzerthaus Freiburg
Für die Region Freiburg lädt die IHK gemeinsam mit der Freiburger Stadtbau und der Wirtschaftsförderung Freiburg (FWTM) zu einem Business Lunch ein. Vorgestellt wird unter anderem: „Corporate Living Freiburg“ – Neue Bauprojekte und Businesskonzepte der Freiburger Stadtbau zum Mitarbeiterwohnen.
Anmeldung hier.
Beide Termine beleuchten darüber hinaus steuerliche und fördertechnische Rahmenbedingungen.