In unserer Rubrik „Aus dem Südwesten“ stellen wir Produkte vor, die viele kennen, von denen aber wenige wissen, dass sie in der Region hergestellt werden. Diesmal: der Heizkörper „Zehnder Charleston“ aus Lahr.
Stahlrohr statt Guss
Den ersten Heizkörper oder Radiator (lateinisch radiatus: strahlend) aus Stahlrohr erfand Robert Zehnder 1930, also vor fast 90 Jahren, in Gränichen im Kanton Argau in der Schweiz. Das Wissen um die Bearbeitung von Stahlrohr hatte sich die Firma Zehnder zuvor bei der Produktion eines Leichtmotorrads, in der Schweiz „Zehnderli“ genannt, erworben. Der neue Radiator war um circa zwei Drittel leichter als die bis dahin üblichen Heizkörper aus Gusseisen – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Die Idee dazu entstand aus der Umkehrung des Funktionsprinzips damaliger Lkw-Kühlgerippe – statt zu kühlen wurde gewärmt. Die Konstruktionsweise ist bis heute die Gleiche geblieben. Zwei bis sechs – auf unserem Bild drei – Stahlrohrsäulen (25 Millimeter Durchmesser) werden zwischen einem oberen und einem unteren Kopfstück verschweißt und ergeben so ein Element. Zwei bis viele Elemente wiederum – auf dem Bild 13 – werden aneinander geschweißt und ergeben so letztendlich den Heizkörper. Es gibt heute eine fast unendliche Anzahl von Variationen, die Zehnder anbietet: Zwei-, Drei-, Vier-, Fünf- und Sechssäuler in 21 Standardbauhöhen von 190 bis zu 3.000 Millimetern in den 41 meistgenutzten Anschlussbildern (Position des Vorlaufs/Rücklaufs) und in über 700 Farben (auf dem Bild: „Technoline“). Insgesamt ergibt das drei Millionen Optionen, unter denen die Kunden wählen können. Erfasst sind dabei noch nicht einmal die Länge der Heizkörper, die bis weit über zwölf Meter gehen kann, sowie die Form, die beispielweise gebogen, s-förmig oder gewinkelt sein kann.
Marktführer in Europa
Zehnder produziert täglich rund 1.600 „Charleston“ in Lahr. Das Unternehmen ist mit einem Anteil von einem Drittel europäischer Marktführer bei sogenannten Mehrsäulern. Die Fertigung ist weitgehend automatisiert. Ausgangsprodukt sind 70 Tonnen Stahlrohr und -coils, die täglich verarbeitet werden. Aus den Coils (Stahlbänder in unterschiedlichen Breiten und Längen von mehreren hundert Metern) entstehen in großen Pressen und Stanzen jeweils hälftige Kopfstücke, die in Laserschweißanlagen zusammengefügt und mit den zuvor auf die richtigen Längen geschnittenen Stahlrohren verschweißt werden. Nach – ebenfalls vollautomatischen – Schleifvorgängen werden die Heizkörper auf ihre Dichtigkeit getestet, im Tauchbad grundiert und in der gewünschten Farbe im Pulverbeschichtungsverfahren lackiert. Eine Verpackungsstraße hüllt die ganz unterschiedlich großen, aber über Barcode jederzeit identifizierbaren Heizkörper zunächst in Stretchfolie und dann in Karton ein. Anschließend werden die Chargen für jeden einzelnen Kunden zusammengestellt und per Spedition nach ganz Europa verfrachtet.
Das Unternehmen
Die schweizerische Zehnder AG wurde 1895 von Jakob Zehnder, dem Vater des „Charleston“-Erfinders Robert Zehnder, als mechanische Werkstatt gegründet. In Deutschland eröffnete Zehnder 1963 eine erste Produktion in Riegel. Die Riegeler Zehnder-Tochter fusionierte 1980 mit der Lahrer Firma Beutler, die ebenfalls Heizkörper herstellte. Im Jahr 2010 wurde das Riegeler Werk aufgegeben und in Lahr die Fertigung mit einem neuen Werk konzentriert. Die Schweizer Mutter hat in den vergangenen 30 Jahren bald ein Dutzend Firmen in der Schweiz, im europäischen Ausland, den USA und China erworben oder gegründet. Sie bietet heute neben Heizkörpern, die etwa die Hälfte des Umsatzes ausmachen, Raumlüftung, Heiz- und Kühldeckensysteme sowie Clean Air Solutions an. Zehnder ist seit 1986 eine an der Schweizer Börse notierte Aktiengesellschaft. Hans-Peter Zehnder führt das Unternehmen in vierter Generation als Präsident des Verwaltungsrates. Die Firma beschäftigt rund 3.500 Mitarbeiter weltweit (darunter über 600 in Lahr) und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 602 Millionen Euro. Dabei ist Deutschland der umsatzstärkste Markt. Bekannt wurden die Schweizer in den 1990er-Jahren als Hauptsponsor des damals neuen Fußballbundesligisten SC Freiburg.
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