In unserer Rubrik „Aus dem Südwesten“ stellen wir Produkte vor, die viele kennen, von denen aber wenige wissen, dass sie in der Region hergestellt werden. Diesmal: Kugelschreiberminen von Schmidt Technology.
Versteckte Kompetenz
Der Begriff „Hidden Champion“ wird häufig benutzt, selten trifft er aber so gut zu wie im Fall von Schmidt Technology. Denn die Produkte der St. Georgener Firma sind fast nie unter ihrem eigenen Namen zu finden. Sie verstecken sich in Kugelschreibern, Füllern und Druckbleistiften fast sämtlicher namhafter Schreibgerätehersteller. Schmidt produziert Minen, Füllhaltertechnik sowie Dreh- und Vorschubmechanik für viele verschiedene Stifte, teilweise sogar die kompletten Stifte. Doch – anders als auf der abgebildeten Mine – steht fast nie der eigene Name, sondern der des Kunden darauf.„Es gibt eigentlich keinen Schreibgerätehersteller, der nicht mit uns in Kundenbeziehung steht“, sagt Geschäftsführer Stephan Schmidt. Jeder in der Branche wisse: Schmidt Technology hat das Know-how, da holt man sich Beratung und Ideen für neue Produkte. Montblanc, Faber-Castell, Lamy, Staedtler und viele weitere bekannte Hersteller bestellen ganze oder Teile ihrer Stifte in St. Georgen. Die Namen zeigen: Schmidt ist im mittleren bis oberen Preissegment unterwegs. Schreibgeräte, vor allem Kugelschreiber, sind zu einem Massenmarkt mit viel Konkurrenz aus Fernost geworden. Die meisten Menschen kaufen sich so gut wie nie selbst ein Schreibgerät, weil sie allerorts mit Werbekulis versorgt werden. Gegen diesen Billigtrend setzt Schmidt auf Qualität.
Millionen Minen
Die hier abgebildete Kugelmine „P 900“ ist der Klassiker im Sortiment von Schmidt, die „Softline“, die auf unserer Inhaltsseite zu sehen ist, entwickelt sich gerade zu einem neuen Bestseller. Beide Minen bestehen aus einem vernickelten Messingrohr, einer Edelstahlspitze, einem Verschlussstopfen aus Kunststoff und sind mit Schreibpaste gefüllt. Schmidt produziert so gut wie sämtliche Teile selbst. Das Rohr wird gezogen, der Stopfen spritzgegossen und die Spitze, das wichtigste Stück jedes Kugelschreibers, in 24 Schritten gefertigt. Alle Pasten und Tinten liefert die eigene Tochter STS. Einzig das kleine Kügelchen stammt nicht aus der eigenen Fertigung. Von jeder Mine gibt es rund 30 Varianten – in verschiedenen Größen, Farben und Strichstärken. Rund 8 Millionen Kugelminen produziert Schmidt jährlich, zudem Faser-, Tinten-, Roller- und viele weitere Minen – insgesamt 27 Millionen in diesem Jahr. Die Minen werden häufig „kundenindividualisiert“, das heißt sie haben spezielle Anschlussteile und Abmessungen, die nur in den jeweiligen Markenstift passen.
Stifte, Maschinen und Sensoren
Die Brüder Hermann und Wilhelm Schmidt gründeten das Unternehmen 1938 als Zulieferer für die Uhrenindustrie. Als nach dem Zweiten Weltkrieg mit den US-Amerikanern der Kugelschreiber nach Europa kam, entdeckten sie ein neues Geschäftsfeld: Mit dem Know-how der Uhrenindustrie entwickelten sie die Schreibgerätetechnik weiter, produzierten 1948 die ersten Kugelschreiber und bald auch andere Schreibgeräte, Pasten, Tinten sowie die nötige Technik. Dank dieser Neuausrichtung überlebte Schmidt den Strukturwandel im Schwarzwald in den 1970er-Jahren, und es entstand ein weiteres Geschäftsfeld: Weil der Maschinenbauer, der Schmidt belieferte, keinen Nachfolger hatte, baute der Schreibgerätespezialist fortan selbst seine Maschinen und entwickelte sie für andere Einsatzzwecke weiter. Heute kaufen Kunden aus der Automobil-, Luft- und Raumfahrttechnik, der Elektronik, Mikromechanik und Medizintechnik Pressen samt intelligenter Steuerung bei Schmidt. Die Sparte steuert mittlerweile 50 Prozent zum Umsatz bei, das dritte Geschäftsfeld Sensortechnik 10 Prozent und die Schreibgerätetechnik 40 Prozent. Insgesamt setzte Schmidt Technology 2018 knapp 50 Millionen Euro um. Der Exportanteil liegt bei gut 50 Prozent. Das Unternehmen, das heute in vierter Generation von den Brüdern Oliver und Stephan Schmidt geleitet wird, beschäftigt fast 400 Mitarbeiter, davon 365 in St.Georgen, dem Hauptsitz und einzigen Produktionsstandort, die restlichen in den Vertriebsgesellschaften in Frankreich, Großbritannien, der Schweiz und den USA.
kat