Die USA sind wichtigster Handelspartner für die Unternehmen der Region – allerdings kein sehr verlässlicher mehr. Umso wichtiger sei es jetzt, Wirtschaftsreformen anzustoßen, und Deutschlands Position auf anderen Weltmärkten auszubauen, sagen die IHKs.

Donald Trumps Zoll-Politik stellt die Handelspartner der USA derzeit auf eine harte Probe. Gestern 20 Prozent Zoll auf alle EU-Waren, heute zehn Prozent, morgen für 90 Tage ausgesetzt – und was kommt dann? Die Lage ist unberechenbar und wird es wohl erst einmal bleiben.
„Es ist traurig, aber wahr: Unter dem derzeitigen US-Präsidenten sind die USA kein verlässlicher Partner mehr“, sagt Dieter Salomon, Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein. Immerhin: Auf diese Unverlässlichkeit sei Verlass. Doch die Folgen seien schmerzhaft. „Trumps protektionistische America-first-Politik stellt auch die exportorientierte Wirtschaft in unserer Region vor große Probleme“, sagt Salomon.
Wichtigster Handelspartner
Die USA sind der mit Abstand wichtigste ausländische Absatzmarkt für Waren aus Baden-Württemberg. Laut Statistischem Bundesamt haben die baden-württembergischen Unternehmen 2024 Waren im Wert von 34,81 Milliarden Euro in die USA exportiert. Das sind rund 22 Prozent aller deutschen Ausfuhren in die USA. Darunter vor allem Kraftfahrzeuge und Autoteile, gleich dahinter kommen pharmazeutische Erzeugnisse. Die Importe aus den USA nach Baden-Württemberg lagen 2024 bei 18,34 Milliarden Euro.
Auch Thomas Albiez, der Hauptgeschäftsführer der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, einem weltweit bedeutenden Cluster für Zulieferer, sagt: „Für unsere Region sind die USA der wichtigste Handelspartner – eine verlässliche Planung ist nun nicht mehr möglich. Allerdings wird auch die amerikanische Volkswirtschaft geschwächt: Preise und Inflation werden steigen und eine Rezession wahrscheinlicher. Somit werden amerikanische Konsumenten unter den Zöllen leiden. Denn ein Fünftel ihres Konsums beziehen die Amerikaner aus dem Ausland.“
Je nach Höhe der schlussendlich auf EU-Produkte erhobenen Einfuhrzölle werden sich deutsche Waren in den USA erheblich verteuern. Und das gefährdet die Konkurrenzfähigkeit in Deutschland produzierender Unternehmen auf dem US-amerikanischen Markt. Besonders von höheren Zöllen betroffene Branchen wären Maschinenbau und Automobilindustrie.

Wo es um Menschenleben geht
Entspannt ist man dagegen bei Hebu Medical. Und das, obwohl die USA mit 70 Prozent des Gesamtumsatzes den Hauptmarkt des Medizintechnik-Unternehmens darstellen. Die Tuttlinger liefern chirurgische Instrumente für Krankenhäuser und Praxen. Man sehe die Situation momentan als „nicht besorgniserregend“ an, denn die Branche sei „relativ krisensicher“, ist sich Geschäftsführer Thomas Butsch sicher. Es gebe wenig Konkurrenz und die US-Zölle würden ja nahezu alle treffen: auch Hauptwettbewerber Pakistan mit 29 Prozent. In dem südasiatischen Staat gibt es wie im IHK-Bezirk Schwarzwald-Baar-Heuberg ein Medizintechnik-Cluster.
Vertrauen in deutsche Produkte
Sollte Trump planen, die Medizintechnik-Produktion in die Vereinigten Staaten zu holen – auch da winkt Butsch ab. „Das Zeug fällt nicht vom Himmel.“ Viel Erfahrung sei dabei und eine große Varianz. 10 000 Produkte produziere Hebu Medical an vier europäischen Standorten (250 Mitarbeiter arbeiten am Hauptsitz in Tuttlingen sowie in Ungarn, Bulgarien und Polen). Und: „Chirurgische Instrumente sind Vertrauenssache. Menschenleben gehen vor.“ Beim US-amerikanischen Fachpersonal herrsche großes Vertrauen in die deutschen Produkte.
Doch so entspannt sind längst nicht alle: Laut einer Umfrage des Wirtschaftsverbands industrieller Unternehmen in Baden (WVIB) von Anfang April erwarten 36 Prozent Umsatzeinbußen als Folge der Ankündigungen von Donald Trump. Zugleich führe an Industriegütern aus Deutschland für US-Kunden vielerorts kein Weg vorbei: 23 Prozent der Befragten rechnen demnach damit, höhere Preise durchsetzen zu können. 15 Prozent seien nur indirekt von den Zöllen betroffen, da ihre Produkte erst über eine längere Zuliefererkette in die USA gelangen. 23 Prozent erwarten, dass sich im Exportgeschäft zunächst wenig ändern wird, sich aber langfristig die Lieferketten verschieben werden. Nur drei Prozent der Befragten geben an, durch ihre Produktionsstandorte in den USA gar nicht von Trumps Drohungen betroffen zu sein. Und langfristig? Im Vorteil ist, wer vor Ort ist. Doch laut WVIB ist der Aufbau einer Produktion in den USA kostspielig und für kleinere Unternehmen kaum zu leisten. Nur 19 Prozent der Befragten geben an, die Produktion in den USA weiter ausbauen oder neu aufbauen zu wollen. Elf Prozent der Befragten erwägen den Kauf eines Unternehmens in den USA. 36 Prozent wollen sich darauf konzentrieren, Verluste durch den Ausbau von Kundenbeziehungen zu kompensieren. Und immerhin ein Viertel der Befragten plant derzeit keine weiteren Maßnahmen und möchte mögliche Einbußen aussitzen.
Deutschland braucht Reformen
Die IHKs jedenfalls haben klare Forderungen: Die neue Bundesregierung sei gefordert, den Standort Deutschland wieder attraktiver zu machen, sagt der Chef der IHK Südlicher Oberrhein. Salomon: „Die Rahmenbedingungen müssen sich verbessern. (…) Nur wenn es die neue Bundesregierung schafft, wirksame Reformen umzusetzen, können wir Trumps aggressiver Handelspolitik Paroli bieten.“ Dieser Appell gelte erst recht in Richtung Europäische Union. So sieht es auch der Chef der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, Thomas Albiez: „Brüssel, aber auch die Bundesregierung in Berlin sind jetzt in der Pflicht, ihre wirtschaftspolitischen Hausaufgaben zu erledigen: Energiekosten senken, Bürokratie abbauen und Abgaben senken. Das sind neben der Gewinnung von Fachkräften nur einige Stellschrauben, an denen wir in Europa gemeinsam drehen müssen.“
Salomon betont darüber hinaus die Wichtigkeit Frankreichs: Es bedürfe einer starken deutsch-französischen Achse, von der insbesondere auch die hiesige Region profitieren würde. Von dem designierten Kanzler Friedrich Merz erhofft sich Salomon hier neue Impulse: „Wir müssen wieder mehr auf Frankreich zugehen als zuletzt.“ Ein geschlossenes Auftreten der EU-Staaten mahnt
Katrin Klodt-Bußmann, Hauptgeschäftsführerin der IHK Hochrhein-Bodensee, an: „Seitens der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sollte ein klares Signal der Geschlossenheit und der gemeinsamen Stärke ausgehen – durch eine rasche Einigung auf Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarktes.“
Gleichzeitig ruft IHK-Chef Albiez zur Besonnenheit auf: Auf neue US-Zölle sollte die EU nicht impulsiv, sondern entschieden und mit Weitsicht reagieren. „Wir sind auch auf anderen Weltmärkten gut vertreten – das müssen wir jetzt erst recht ausbauen. Viele andere Wirtschaftsregionen strecken uns die Hand aus. Da müssen wir jetzt beherzt einschlagen. So sollten die Abkommen mit den Mercosur-Staaten sowie mit Indien endlich unter Dach und Fach gebracht werden.“ Die EU strebt mit beiden Handelspartnern Freihandelspakte an. Auch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten soll über ein Freihandelsabkommen verhandelt werden.
Und auch andere Bündnisse werden durch Trumps Zollpolitik gefördert: Laut dem Wirtschaftsmagazin Handelsblatt wollen die EU und China künftig stärker kooperieren. Im Gespräch ist dabei, über eine Abschaffung der EU-Strafzölle auf die Einfuhr von chinesischen Elektroautos zu verhandeln. se
Verbesserungen bei Exportkreditgarantien
Die Bundesregierung hat ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Stärkung der deutschen Exportwirtschaft beschlossen. Eine wesentliche Neuerung betrifft die Förderungswürdigkeit von Ausfuhrgeschäften. Bisher war der Warenursprung ein zentrales Kriterium für die Förderungswürdigkeit eines Exportgeschäfts. Nun hat die Bundesregierung die Förderungswürdigkeit um einen neuen Ansatz (Flex & cover) ergänzt.
„German Footprint“
Flex & cover bewertet den Beitrag, den ein Unternehmen für den Standort Deutschland leistet, zum Beispiel bei Forschung und Entwicklung, Investitionen und Beschäftigung. An die Stelle einer transaktionsbezogenen Betrachtung tritt bei Flex&cover eine unternehmensbezogene Betrachtung. Für Unternehmen, die sich für Flex&cover qualifizieren, entfällt für drei Jahre die transaktionsbezogene Betrachtung des Warenursprungs. Das schafft für den Exporteur Planungssicherheit, Flexibilität und sorgt für ein schnelleres Genehmigungsverfahren. Nach drei Jahren wird der Flex-&-cover-Status des Unternehmens überprüft und verlängert, wenn ein ausreichender „German Footprint“ weiter vorliegt.
Verbessertes Produktangebot
Das Maßnahmenpaket enthält zudem eine Reihe von Verbesserungen im bestehenden Produktportfolio. Um deutschen Exporteuren einen leichteren Zugang zu internationalen Beschaffungsprogrammen zu ermöglichen hat der Bund die Auszahlungs-, Rückzahlungs- und Entgeltkonditionen bei der Shopping-Line-Deckung verbessert und den Kreis potenzieller Kunden erweitert.
Weitere Neuerung: Bei der Forfaitierungsgarantie beträgt die Deckungsquote statt 80 Prozent nun 95 Prozent. Zudem wird die Auszahlung an die erste Lieferung bzw. Leistung und nicht mehr an die Betriebsbereitschaft geknüpft. Das hat einen positiven Effekt auf die Liquidität des Exporteurs. Darüber hinaus können nun auch Handelsunternehmen die Forfaitierungsgarantie nutzen.
Erweiterte Deckungspolitik
Infolge der erhöhten Nachfrage nach Avalen von deutschen Exporteuren und dem damit einhergehend erhöhten Bedarf an Avalgarantien hat der Bund entschieden, den Avalgarantie-Rahmen pro Unternehmen von 80 Millionen Euro auf 120 Millionen Euro zu erhöhen. In begründeten Ausnahmen kann dieser Betrag auch überschritten werden.
Mit Blick auf die Zeitenwende in der Verteidigungswirtschaft hat der Bund zudem die Absicherungsmöglichkeiten für Rüstungsgüter erweitert. Bislang waren diese auf Einzelfälle begrenzt. Und auch das wird die Exporteure freuen: Um das Antragsverfahren und die Antragsbearbeitung bei den Exportkreditgarantien weiter zu beschleunigen, werden die internen Prozesse der Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsprüfung vereinfacht. Natalja Forstmeier
Weitere Infos zum Maßnahmenpaket finden Sie hier:
www.exportkreditgarantien.de