Wie ist es, als Unternehmer in einem politischen Gremium zu sitzen? Das haben wir den FDP-Landtagsabgeordneten Frank Bonath und Freie-Wähler-Kreistagsmitglied Wilhelm Hahn gefragt und erfahren: sehr wichtig, aber enorm zeitaufwändig.
Frank Bonath ist fast so etwas wie ein Exot. Nicht, weil er seit 2021 als FDP-Mitglied im Landtag der Opposition angehört, sondern weil er Unternehmer ist – wie nur 17 von 154 Landtagsabgeordneten. Allerdings hat der geschäftsführende Gesellschafter des Beratungsunternehmens Zwei B in Villingen-Schwenningen seinen Job erst einmal auf Eis gelegt. Anfangs hat er versucht, Unternehmertum und Politik unter einen Hut zu bringen, ist jedoch gescheitert: „Die Realität hat mich schnell eingeholt.“ Eigentlich wollte er beides parallel machen und war überzeugt, es irgendwie organisiert zu bekommen. „Doch mein Mandat nimmt mich komplett ein, da ist kein Millimeter Platz für beides.“ Zwischen Repräsentationsaufgaben und inhaltlichem Arbeiten fehlt ihm schlicht: die Zeit.
In der Politik brauche alles seine Zeit – sogar sehr viel davon. Absolut ineffizient, befand Bonath anfangs. Als Unternehmer „wägt man die unterschiedlichen Aspekte gegeneinander ab und trifft eine Entscheidung. Punkt. Ohne lange Debatten.“ Der Alltag im Landtag ist ein anderer: „An politischen Entscheidungsfindungen wirken so viele Menschen mit, jeder will und muss seine Interessen vertreten und vortragen, auch wenn es manchmal keinen Mehrwert bringt“ – und enorm zeitraubend ist.Der Unternehmer in ihm wünscht sich da schon manchmal, Dinge schneller voranzubringen und bei Kollegen mehr Initiative zu sehen. Doch der Politiker Bonath mahnt sich in solchen Situationen zur Geduld, weil er weiß, dass Aushandeln unabdingbarer Bestandteil von Demokratie ist – nicht nur im Landtag, sondern auch im Gemeinderat und Kreistag, deren Mitglied Frank Bonath seit Jahren ebenfalls ist.„In der Politik steht oft die Ideologie im Mittelpunkt, von der man nicht abrückt, ganz egal, wie die Welt da draußen aussieht“, hat Frank Bonath gelernt und verweist auf das Ampel-Debakel. Keiner sei bereit, die eigene DNA hintenanzustellen. Zu groß die Gefahr, sonst nicht wiedergewählt zu werden. Undenkbar für einen Unternehmer: „Wer dauerhaft erfolgreich sein will, muss sich anpassen und pragmatisch überlegen, wie er den Kunden zurückgewinnt. Sonst riskiert er, seine Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.“
Das Schweizer Modell
Das weiß auch Wilhelm Hahn. Der geschäftsführende Gesellschafter von Wiha Werkzeuge in Schonach sitzt seit der Kommunalwahl im Juni für die Freien Wähler im Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises – und ihm fehlt realitätsbezogener Sachverstand „in den von Verwaltungs-, Politikwissenschaftlern und Juristen geprägten“ politischen Gremien.
Manchmal schielt Hahn daher in die Schweiz rüber, wo Abgeordnete nicht in Vollzeit abhängig sein dürfen von ihrem politischen Mandat. Für Hahn ein gutes Modell. „Wenn ich meine Brötchen außerhalb der Politik verdiene, stehe ich immer mit einem Fuß im echten Leben.“ So wie die Kommunalpolitiker in Baden-Württemberg, deren Engagement ehrenamtlich ist. Das mache sich im Kreistag bemerkbar, dort erlebe er „ein erhebliches Maß an Realitätsbezug“. Seinen eigenen Sachverstand als Unternehmer kann er vor allem dann einbringen, wenn es um Finanzen geht. „Der Kreishaushalt hat eine sehr ähnliche Struktur wie in einem Wirtschaftsbetrieb.“
Im Bereich der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg ist Wilhelm Hahn nicht der einzige Unternehmer, der sich kommunalpolitisch engagiert. „Insgesamt zählen wir 70 Unternehmerinnen und Unternehmer in Kreistagen, Gemeinde- oder Stadträten“, sagt Philipp Hilsenbek, Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik.
Nicht für die Ewigkeit
Für Frank Bonath ist sein Job als Berufspolitiker „etwas auf Zeit“. „Ich werde bestimmt nicht in der Politik in Rente gehen“, stellt er fest. Schließlich gibt es da ja noch sein Unternehmen. „Ich schätze mich glücklich, mit meinem Geschäftspartner Markus Baier jemanden an der Seite zu haben- der mir berufliche Perspektiven offenhält. Dennoch liegt mein Fokus auf meiner politischen Arbeit und dem Vertrauen der Wähler, das ich auch über 2026 hinaus gewinnen möchte.“
Einfach zurückzukehren – diese Möglichkeit hat nicht jeder Unternehmer, weswegen es kaum verwundert, dass man in politischen Gremien vergleichsweise wenige Firmeninhaber und Geschäftsführer findet. Philipp Hilsenbek ist froh über Ausnahmen von der Regel. „Das gibt Zuversicht und ist Vorbild.“ Etwa für Familienmitglieder, die aus inhabergeführten Unternehmen stammen und sich statt einer Betriebsnachfolge für ein politisches Wirken im Sinne des Unternehmertums entscheiden.
Hilsenbek findet es enorm wichtig, dass Unternehmer mit an den Ratstischen sitzen: „Die allermeisten Kommunen betreiben eine proaktive Standortpolitik. Sie wollen den Unternehmen vor Ort gute Rahmenbedingungen schaffen. In diesen Gremien können Unternehmer mit über Projekte entscheiden. Ansonsten würde nur über sie gesprochen werden.“
„Ich kann nicht nur zuschauen“
Und was motiviert Unternehmer, sich für ein politisches Mandat zu bewerben? Wilhelm Hahn übernimmt gern Verantwortung und gestaltet gern – ganz der Unternehmer eben. Außerdem findet er, dass es an der Zeit ist, die Stimme zu erheben gegen die immer offensichtlicheren Missstände in Deutschland und Europa: marode Infrastruktur, teures und ineffizientes Gesundheitswesen, Generationenungerechtigkeit, ideologisch getriebene Nachhaltigkeitspolitik und der Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit. „Mit meinem wirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Sachverstand kann ich da kaum zuschauen.“ Als Vater von vier Kindern möchte er sich nicht ausmalen, wo Deutschland in 20 Jahren stehen wird. „Auch wenn ich weiß, dass ich als Einzelner nicht viel erreichen kann, will ich laut werden und tun, was in meiner Macht steht. Denn Schweigen ist Zustimmung.“
Ein bisschen die Welt verbessern?
Die Welt ein Stück weit zum Positiven verändern – das möchte auch Frank Bonath, „wie wahrscheinlich alle, die in der Politik aktiv sind“, mutmaßt er. Er sieht sein Engagement als Dienst an der Demokratie – vor allem mit Blick darauf, was gerade in der Welt passiert. Zwar sei es einfacher, wirklich etwas zu bewegen, je kleiner das Gremium ist. Chancenlos ist man aber auch im Landtag nicht, selbst als Opposition. Man muss nur mitmachen, bei dem, was er gern als Spiel mit traditionellen Abläufen bezeichnet: Die Opposition bringt Vorschlag X ein, den die Regierung natürlich erst einmal ablehnt. „Das mag frustrierend klingen, ist es aber nicht. Denn damit ist unser Thema im Spiel, es wird diskutiert, von den Medien aufgegriffen – und im Idealfall letztendlich auch von der Regierung.“
Im Fokus hat er dabei die Sicht der Wirtschaft. Mit deren großem Thema, der Bürokratie, gehe die Landespolitik schlicht „unsäglich“ um. Jeder Versuch, daran etwas zu ändern, würde kläglich im Sand verlaufen. „Alle klagen darüber, selbst die staatlichen Behörden. Aber nichts passiert, obwohl uns das nichts kosten würde“, ereifert sich Frank Bonath: „Wir Politiker haben den Reflex, gleich neue Regeln zu erfinden, kaum dass etwas neu ist.“
Am besten nichts tun?
Vor diesem Hintergrund lässt sich seine Antwort auf die Frage „Was kannst Du für uns Unternehmer tun?“, die er auch im Wahlkampf kurz und knapp mit „nichts“ beantwortet hat, verstehen. „Am besten lässt die Politik die Unternehmen in Ruhe.“ Doch Achtung: Mehr Freiheit dank weniger Regeln bedeutet auch mehr Eigenverantwortung – für unternehmerischen Erfolg wie für Misserfolg.
Apropos Verantwortung – die gehe Politikern leider allzu oft ab, sagt Wilhelm Hahn. Während der Vorstand einer AG für Fehler hafte oder ein Bereichsleiter gekündigt werde, schiebe Politik Verantwortung einfach von sich, wahlweise nach Berlin oder Brüssel: „Die, nicht wir, haben das entschieden!“ „Es ist einfach zu wenig, wenn Politiker Verständnis zeigen, aber keine Verantwortung übernehmen möchten“, kritisiert er. Er will mit gutem Beispiel vorangehen, auch wenn er anfangs Sorge hatte, aufgrund seines politischen Engagements beruflich anzuecken. „Ich spüre aber weder in meinem Unternehmen noch in der Branche Widerstand. Das bestärkt mich weiterzumachen und sogar noch lauter zu werden.“ Er ist überzeugt, dass in Zukunft immer mehr Unternehmer das Wort ergreifen und deutlich Position beziehen werden. „Das ist längst überfällig.“ Daniela Santo
(Quelle Bild oben: LTBW)