Zum 14. Mal haben die Badische Zeitung, die drei Industrie- und Handelskammern im Regierungsbezirk Freiburg, die Handwerkskammer Freiburg und der Wirtschaftsverband industrieller Unternehmen in Baden den Jobmotor ausgelobt. 37 Unternehmen aus der Region bewarben sich dieses Mal um die undotierte Auszeichnung, die für viele neue Stellen und clevere Personalkonzepte vergeben wird. Zusammen schufen sie im vergangenen Jahr 1.558 Arbeitsplätze. Die Preisverleihung war für Ende März geplant, wurde aber wegen der Coronapandemie abgesagt. Wir würdigen die Preisträger auf dieser und den folgenden Seiten.
Intuitive Deutschland
Freiburg. Die Intuitive Deutschland GmbH ist die deutsche Vertriebsorganisation des kalifornischen Medizintechnikunternehmens Intuitive Surgical. Die Freiburger Tochter vertreibt die Operationssysteme der Kalifornier und bildet die Intuitive-Mitarbeiter in ganz Europa aus, die dann wiederum Krankenhäuser bei der Installation und im Gebrauch der Systeme beraten. Intuitive baut derzeit sein Geschäft in Deutschland und in vielen anderen Ländern Europas aus. In diesem Zusammenhang hat die Intuitive Deutschland GmbH ihre Mitarbeiterzahl im vergangenen Jahr von 65 auf 112 Beschäftigte erhöht. Das ist eine Zunahme von 72 Prozent. Die Firma hat Ende 2019 ein neues Geschäftszentrum am Freiburger Flugplatz bezogen, wo die Operationssysteme des Mutterunternehmens besichtigt und an Dummies ausprobiert werden können. Intuitive Surgical ist 1995 gegründet worden und stellt robotergestützte Operationssysteme vor allem für urologische, gynäkologische, allgemeinchirurgische und Herz-Thorax-chirurgische Eingriffe her. Bislang wurden 5.000 solcher Systeme gebaut. In Deutschland sind 150 von ihnen im Einsatz, zwei am Universitätsklinikum Freiburg. Ein solches System kostet ein bis zwei Millionen Euro.
Die Gewinner
Kategorie Arbeitsplätze
- Kleine Firmen (bis 19 Mitarbeiter): Sorg Hörsysteme (Schonach)
- Mittlere Firmen (20-199 Mitarbeiter): Intuitive Surgical (Freiburg)
- Große Firmen (über 200 Mitarbeiter): Europa-Park (Rust)
Kategorie „Finden und binden“
- Kleine Firmen (bis 19 Mitarbeiter): Contempo (Freiburg)
- Mittlere Firmen (20-199 Mitarbeiter): Moser (Haslach)
- Große Firmen (über 200 Mitarbeiter): Zahoransky (Todtnau)
Intuitive Surgical ist auch ökonomisch außerordentlich erfolgreich. Im Jahr 2018 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 3,724 Milliarden Dollar bei einem Gewinn von 1,125 Milliarden Dollar. Weltweit sind rund 7.000 Mitarbeiter beschäftigt. 2019 haben die Kalifornier diejenige Abteilung der Denzlinger Firma Schölly, die seit Langem Endoskopie-Optiken für Intuitive gebaut hat, übernommen. Derzeit baut Intuitive in Emmendingen ein neues Produktionsgebäude, in dem die ehemaligen Schölly-Mitarbeiter tätig sein werden. Intuitive beschäftigt in Deutschland neben den 112 Mitarbeitern in der Vertriebsorganisation weitere rund 220 in der Intuitive Optics GmbH, in der die Schölly-Abteilung aufgegangen ist.
Schonach. Die Sorg Hörsysteme GmbH aus Schonach hat ihren Mitarbeiterstamm im vergangenen Jahr von einer auf vier Beschäftigte, also um 300 Prozent, erhöht. Ihr Geschäftsmodell besteht aus einem ausgefeilten Hörtraining – in Verbindung mit Hörgeräten -, das „mona und lisa“ heißt und die Fortentwicklung eines am Markt schon vor Jahren gut eingeführten und inzwischen von 300 Geschäften angewendeten Trainings namens „Terzo“ ist. Zum Hintergrund: Der Hörakustikermeister Reinhard Sorg (57), der in den 1990er-Jahren sieben Hörakustikgeschäfte eröffnet hatte, stellte fest, dass die Träger von Hörgeräten sehr häufig unzufrieden sind, weil sie vor allem in großen Räumen mit vielen Menschen, die sich mehr oder weniger laut unterhalten, kaum etwas verstehen.
Das Filtern einer Stimme aus vielen und die Fokussierung auf das Gesagte sind nur sehr schwer möglich. Weil dies nicht an den eingesetzten Hörgeräten, sondern an der mangelnden Übung des Gehirns liegt, entwickelte Sorg ein spezielles Training. Es dauert zwei Wochen täglich eine halbe Stunde und bringt verblüffende Erfolge. Sorg ließ es sich lizenzieren. Dieses Trainingsprogramm und seine Geschäfte verkaufte er vor einigen Jahren und betrieb anschließend ein Seminarhaus in der Nähe von Schonach. Mit Interesse verfolgte er aber die Entwicklung in der Hörforschung weiter. Vor allem bei Frauen stellte man fest, dass diese über das Filtern und Fokussieren hinaus auch Schwierigkeiten haben, die Richtung von Lautquellen zu bemerken. Hier setzt nun Sorg mit seinem weiterentwickelten Trainingsprogramm „mona und lisa“ an. Dafür hat er im vergangenen Jahr ein Geschäft in Freiburg eröffnet, Anfang 2020 eines in Berlin, und es soll noch eines in Karlsruhe folgen.
Rust. Der Europa-Park in Rust hat seine Mitarbeiterzahl im vergangenen Jahr um 23 Prozent auf 4.014 Beschäftigte (Voll- und Teilzeitstellen) gesteigert und damit den Jobmotor in der Kategorie „Große Unternehmen“ gewonnen. Mehr als zwei Drittel der neu Eingestellten wurden für die im November eingeweihte Wasserwelt Rulantica sowie das daran angrenzende, bereits im Mai eröffnete Hotel Krønasår, die etwa ein Kilometer entfernt vom Europa-Park liegen, engagiert. Auch der Europa-Park selbst hatte 2019 mehr Bedarf an Mitarbeitern: zum einen, weil der ein Jahr zuvor abgebrannte skandinavische Themenbereich wiedereröffnet wurde – für die neuen Shops, Restaurants und Attraktionen wurden 97 Männer und Frauen eingestellt –, zum anderen erweiterte der Freizeitpark sein Angebot im Winter und öffnete zwischen Dezember und Mitte Januar mehr Themenbereiche als sonst. Allein für ein Restaurant im griechischen Bereich wurden 25 weitere Mitarbeiter benötigt. 70 Prozent der insgesamt 751 neuen Mitarbeiter konnte der Europa-Park laut Matthias Kirch, Direktor Human Resources, in der Region rekrutieren, die anderen europaweit. Vor allem in den Hotels arbeiten viele Osteuropäer. Der Europa-Park kooperiert dafür beispielsweise mit einer Hotelfachschule in der Slowakei. Die größte ausländische Gruppe unter den Mitarbeitern sind Franzosen. Beim Hotel Krønasår kommt etwa ein Viertel aus dem Nachbarland, bei der Wasserwelt sogar rund die Hälfte. Ein Grund dafür ist eine Qualifizierungsmaßnahme von Europa-Park und französischer Arbeitsagentur: Ein halbes Jahr lang wurden 40 arbeitslose Franzosen zu Hilfskellnern, -köchen oder Barmixern ausgebildet und erhielten im Gegenzug einen festen Arbeitsvertrag. Im März war der Europa-Park massiv von der Coronapandemie betroffen: Die Wasserwelt wurde geschlossen, die Parkeröffnung verschoben, und rund 2.000 Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit geschickt.
Freiburg. Wer gut schläft fühlt sich wohl, kann sich konzentrieren, ist zufrieden und damit auch motiviert und leistungsfähig. „Schlaf nimmt so viel Zeit ein, dennoch geht man nicht so aufmerksam damit um“, sagt Contempo-Geschäftsführer Harald Koch. Weil guter Schlaf unmittelbar die sogenannte Employability, also die Arbeitsfähigkeit fördert, hat Contempo zusammen mit zwei Krankenkassen das Projekt „Gesunder Schlaf“ organisiert. Dabei wurden die rund ein Dutzend Büromitarbeiter während eines Jahres von Profis zum Thema Schlaf gecoacht. Dieses eher ungewöhnliche betriebliche Gesundheitsmanagement hat dem Freiburger Personaldienstleister nun außer ausgeschlafenen Mitarbeitern auch einen Jobmotor beschert.
Harald Koch und Andreas Schubert haben die Contempo Personal GmbH vor 20 Jahren gegründet. Sie hatten zuvor bei einer bundesweit tätigen Zeitarbeitsfirma gearbeitet und sich gedacht: Das können wir auch selbst. Der Erfolg gibt ihnen recht. Contempo ist stetig gewachsen, der Umsatz lag 2019 bei rund 5,8 Millionen Euro. Das Unternehmen beschäftigt aktuell rund 160 Zeitarbeitnehmer, vom Jobber bis zum Facharbeiter, die bei Kunden aus Handwerk und Industrie im südlichen Baden-Württemberg im Einsatz sind. Mit ihrer Contempo Consulting GmbH suchen Schubert und Koch zudem die richtigen Fach- und Führungskräfte und bieten diverse Dienstleistungen an, beispielsweise Lohnabrechnungen, Personalmanagement oder -marketing. Hier sehen die beiden Wachstumspotenzial, denn der Boom in der Zeitarbeit sei vorbei. Sie helfen auch Unternehmen, ihre Onlinestellenanzeigen sichtbarer zu machen, und sie haben ein begleitendes Tool für die Rekrutierung entwickelt.
Haslach. Im Kinzigtal herrschte 2019 beinahe Vollbeschäftigung, da mussten vor allem kleinere Unternehmen kreativ bei der Rekrutierung sein. Der Moser GmbH aus Haslach ist dies sehr gut gelungen. Die Schreinerei, die inzwischen zu einem Industriebetrieb mit rund 130 Mitarbeitern gewachsen ist, engagiert sich vielfältig – vom jährlichen Mitarbeitergespräch, in dem es um Stärken, Potenziale, Wünsche und Ziele der Beschäftigten geht, über die Kooperation mit einem Fitnessstudio vor Ort, um die Mitarbeiter gesund zu halten, bis zu verschiedenen Aktivitäten rund um die Ausbildung wie Girls’ Day, Schulpartnerschaften, Ausbildungstag oder Bewerbertraining. Damit sorgt Moser für zufriedene Mitarbeiter, die gerne im Betrieb bleiben, und findet ausreichend Nachwuchs, um weiter wachsen zu können. Der Umsatz ist in den vergangenen Jahren auf dreizehn Millionen Euro gestiegen, und Moser hat sich entsprechend aufgestellt. „Personalarbeit und Prozessoptimierung sind immer wichtiger geworden“, sagt Sarah Griesbaum (33), die seit knapp einem Jahr Teil der jetzt dreiköpfigen Geschäftsführung ist – zusammen mit ihrem Vater Thomas Moser (65) und Florian Wölfle (seit 2001 in der Position). Damit ist der Übergang zur dritten Generation gesichert. Moser ist in drei Geschäftsfeldern aktiv: dem klassischen Fenster- und Türenbau, dem Innenausbau sowie mit Mineralwerkstoffen. Diese aus Aluminiumhydroxid gepressten Platten lassen sich thermisch verformen, beispielsweise zu Waschtischen oder Thekenelementen. Moser ist einer der führenden Verarbeiter von Mineralwerkstoffen in Deutschland und fertigt auch für andere Schreinereien. Neben Privatleuten zählen unter anderem Arztpraxen, Geschäfte oder Messebauer zu den Kunden. Die Haslacher Schreinerei ist auch international tätig: Während eines zwölfjährigen Joint Ventures hat sie einem chinesischen Unternehmen gezeigt, wie man Holzfenster industriell fertigt.
Todtnau. Etwa jede zweite Bürste, die es weltweit gibt, wurde auf einer Maschine der Zahoransky AG aus Todtnau produziert. Das 1902 gegründete Familienunternehmen ist ein klassischer „Hidden Champion“. Die Kunden reichen von kleinen Bürstenherstellern in der Region – in Todtnau liegt der Ursprung der Bürstenindustrie – bis hin zu weltweit agierenden Konzernen wie die Zahnbürstenhersteller Oral-B und Philips. Weltweit beschäftigt Zahoransky rund 900 Mitarbeiter. 511 von ihnen (darunter 52 Azubis) arbeiten an den Maschinenbaustandorten in Todtnau und Freiburg.
Die wichtigsten Instrumente für Zahoransky, Mitarbeiter zu finden sind flexible Arbeitszeiten, Praktikumsplätze, Betriebsbesichtigungen und Infoveranstaltungen – dazu zählen seit Neuestem auch die Robotertage für Schüler – sowie, ebenfalls erst seit Kurzem, Mitarbeiterempfehlungen. Um Mitarbeiter zu binden, setzt man bei Zahoransky in erster Linie auf flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmodelle, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Führen in Teilzeit, wie Lilliana Corona, Leiterin des Bereichs Personalmanagement, erklärt. Mit Führen in Teilzeit solle das Know-how von Mitarbeiterinnen mit Kindern besser genutzt, die Gleichberechtigung gefördert und ein Stück weit dem Fachkräftemangel begegnet werden. Vergangenes Jahr bot Zahoransky zum ersten Mal eine einwöchige Ferienbetreuung für die Kinder von Mitarbeitern an. Das Angebot kam so gut an, dass es dieses Jahr wiederholt werden soll. Insgesamt, so betont Lilliana Corona, lege man Wert auf eine familiäre Unternehmenskultur sowie auf die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter.
Texte: kat/mae/upl