Oberkirch. Das Umformen und Verbinden von Metallen ist die Spezialität der Progress-Werk Oberkirch AG. Und das seit 100 Jahren. Gleichwohl ist die Geschichte des Ortenauer Unternehmens wechselvoll. Los ging es in einer alten Mühle in Stadelhofen bei Oberkirch. Hier gründeten am 6. September 1919 sieben schwäbische Unternehmer das Progress-Werk Oberkirch. In den 1920er- und 1930er-Jahren machte es sich als Weltmarktführer für Luftpumpen einen Namen. Die waren damals nicht nur für Fahrräder, sondern auch für Automobile gefragt. Zwischen 1933 und 1945 war PWO Teil der deutschen Rüstungsindustrie und produzierte unter anderem Munitionskisten, Geschossköpfe und Gasdruckkolben für Sturmgewehre. Nach dem Krieg stellte das Unternehmen die als Gulaschkanonen bekannten Feldküchen her. Über 40 Jahre lang waren sie Bestseller, heißt es im jüngsten Geschäftsbericht des Konzerns. Auch Motorroller verließen in den 1950er-Jahren das Werk – erst der „Strolch“ und später der „Progress“. Nicht nur während des Zweiten Weltkriegs, auch während des Kalten Kriegs produzierte PWO Wehrtechnik: Behälter für Munition und Waffen. Teile für die Automobilindustrie stellt PWO seit den 1950er-Jahren her, seit den 1990er-Jahren liegt der Fokus allein darauf. Heute entwickelt und fertigt PWO Metallkomponenten und Subsysteme in Leichtbauweise für Karosserie sowie Fahrwerk und liefert diese entweder direkt an die Automobilkonzerne oder an sogenannte Erstausrüster wie Bosch. Das Portfolio umfasst mehr als 1.000 Produkte, über 90 Prozent von ihnen sind unabhängig von der Art des Fahrzeugantriebs.
Die Mitarbeiterzahl ist von 25 im Jahr 1920 auf 550 m Jahr 1969 gewachsen. Heute arbeiten 3.426 Beschäftigte (inklusive 172 Auszubildende) in Deutschland, Kanada, Tschechien, Mexiko und China, davon 1.656 (152) in Oberkirch. 46 Prozent der Anteile hält die Consult Invest Beteiligungsberatungs-GmbH, hinter der eine Böblinger Familie steht, sechs Prozent die Sparkasse Offenburg/Ortenau. Der Rest befindet sich im Streubesitz. Die Firmenzentrale befindet sich nach wie vor am Gründungsstandort. Dieser ist allerdings in den 100 Jahren kräftig gewachsen und mit einer Produktions- und Logistikfläche von fast 80.000 Quadratmetern größter Standort des Konzerns.
Kritische Jahre gab und gibt es in der Geschichte von PWO immer wieder. Dazu zählen die Weltwirtschaftskrise in den 1920er-Jahren, die Zeit des Zweiten Weltkriegs, das Ende des Kalten Krieges und die Finanzkrise 2008. Auch das Jahr 2018 lief für PWO nicht rosig und war von Unsicherheiten in der Branche geprägt. Diese führten dazu, dass die Automobilhersteller weniger produzierten und folglich weniger Teile bei ihren Zulieferern bestellten als erwartet. Das hatte bei PWO eine rückläufige Gesamtleistung von 478 Millionen Euro (2017: 483,1 Millionen Euro) und ein niedrigeres Ebit als im Vorjahr zur Folge. Es betrug 19,6 Millionen Euro (2017: 23,4 Millionen Euro) mit und 18,5 Millionen Euro (2017: 20,5 Millionen Euro) ohne Währungseffekte. Dass der Umsatz leicht anstieg – von 461 auf zuletzt 485 Millionen Euro – liegt laut Pressemitteilung an der Fakturierung von Werkzeugvorleistungen. Für das laufende Jahr erwartete PWO im Frühjahr, dass sich Umsatz und Ebit vor Währungseffekten stabilisieren. Bernd Bartmann, CFO der Progress-Werk Oberkirch AG, sagte: „Derzeit erfordert die geringere Planbarkeit der Kundenabrufe eine hohe Flexibilität unserer Prozesse.“ Darauf habe man sich eingestellt. „Wir beobachten die Entwicklung eng, um gegebenenfalls frühzeitig nachsteuern zu können“, so Bartmann. Mit 1,35 Euro pro Aktie ist die Dividende 2019 um 30 Cent niedriger als im Vorjahr. Darin ist bereits ein Jubiläumszuschlag von je 25 Cent enthalten. PWO feiert seinen 100. Geburtstag übrigens nicht mit einem großen Festakt für geladene Gäste, sondern mit einem Tag der offenen Tür für die Region am 8. September. mae