Im Freiburger Projekt „3D-Bio-Net“ haben Unternehmen und Forschungsinstitute gemeinsam einen Bioprinter entwickelt, der funktionale menschliche Gewebe drucken kann.
Freiburg. Menschliche Organe aus dem Drucker – das klingt nach Science-Fiction, und das ist es auch. Der dreidimensionale Druck lebender, funktionaler Gewebestrukturen ist hochkompliziert. Trotzdem gilt das sogenannte 3D-Bioprinting als wichtige Zukunftstechnologie in Medizin und pharmazeutischer Forschung. In einem von Freiburg aus koordinierten Forschungsprojekt haben neun kleine und mittlere Unternehmen sowie universitäre Einrichtungen gemeinsam den Prototyp eines 3D-Bio-Druckers entwickelt. Das Gerät kann vitales Knochengewebe drucken und ist auch einsetzbar, um sogenannte Organ-on-a-Chip-Modelle zu produzieren, also funktionsfähiges Organgewebe etwa einer Niere, an dem Wirkstoffe getestet werden können – zum Beispiel als Ersatz für Tierversuche. Für das Projekt mussten Kenntnisse aus den Bereichen Biologie, Medizin, Materialwissenschaften, Informatik und Mikrosystemtechnik zusammenkommen.
„Das Bioprinting-Feld wird immer spannender – auch wenn die faszinierenden Visionen noch recht weit entfernt sind“, sagt Peter Koltay, leitender Wissenschaftler am Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Universität Freiburg. Er war Sprecher des Projekts mit dem Namen „3D-Bio-Net“, das in den vergangenen drei Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde (siehe Kasten). Koordiniert hat es das Freiburger Technologienetzwerk Microtec Südwest.
Wie beim konventionellen 3D-Druck baut auch ein Bioprinter Schicht für Schicht eine dreidimensionale Struktur auf – aber er verwendet dafür unter anderem lebende Zellkulturen. Sein Ausgangsmaterial ist zum Beispiel eine sogenannte Bio-Tinte, die aus Zellen und Hydrogelen besteht. Ziel des Druckprozesses ist es, die Zellen „möglichst gewebeähnlich anzuordnen“, wie Koltay sagt – damit sie sich dann auch möglichst so wie natürliches Gewebe verhalten und entwickeln.
Ein Beispiel dafür ist der Druck von lebendem, durchblutetem Knochengewebe, erklärt Koltay. So sei es im Projekt gelungen, spezielle Strukturen aus Hydrogelen, menschlichen Stammzellen aus dem Fettgewebe und Endothelzellen zu drucken. Während die Stammzellen sich anschließend zu Knochenzellen weiterentwickelten, bildeten die Strukturen der Endothelzellen Blutgefäße aus. „Man druckt also keinen fertigen Knochen, sondern künstliches Gewebe, das dann im Körper zu einem regenerierenden Effekt führen soll“, sagt Koltay. Erste Tierversuche mit Mäusen hätten gezeigt, dass die Zellen in deren Körpern tatsächlich anfangen, zu verknöchern und Gefäße sich an den Blutkreislauf anschließen. Für solche Strukturen aus mehreren Materialien braucht es verschiedene Druckverfahren; oft werden zusätzlich noch Gerüststrukturen aus biokompatiblen Kunststoffen mitgedruckt. Der Bioprinter-Prototyp des Projekts ist deshalb ein sogenannter Hybriddrucker mit fünf unterschiedlichen Kanälen.
Die Druckertechnik wurde wesentlich entwickelt von der Freiburger Biofluidix GmbH, die 2005 als Ausgründung aus der Uni Freiburg entstand. Das Unternehmen ist spezialisiert auf „hochpräzise Feindosierung“, wie es Geschäftsführer Andreas Ernst beschreibt, inklusive Automatisierungstechnologien und Sensorik. Das habe man in das Projekt einbringen und gleichzeitig das eigene Portfolio „strategisch in Richtung Biodruck“ weiterentwickeln können. Sein Unternehmen habe ein langfristiges Interesse an dem „sehr spannenden und immer noch neuen Bereich“. Biofluidix hat gut 20 Mitarbeiter auf 15 Vollzeitstellen, der Jahresumsatz lag 2019 bei rund 1,5 Millionen Euro. Für ein kleines Unternehmen, sagt Ernst, sei das gemeinsame, öffentlich geförderte Forschungsprojekt von Vorteil gewesen, weil es das Thema möglichst breit abdeckte: „Das hätten wir nicht alles selbst stemmen können.“ So floss nicht nur medizinisches Wissen der Uniklinik Freiburg mit ein, sondern zum Beispiel auch die Recherche der hohen regulatorischen Anforderungen für mögliche medizinische Anwendungen, um die sich die Freiburger Cell Genix GmbH kümmerte. Oder die Entwicklung einer Softwareplattform durch die Infoteam Software AG aus dem fränkischen Bubenreuth. Oder die Expertise des Kunststoff-Instituts Südwest in Villingen-Schwenningen.
„Die Partner in dem Projekt sind komplementär aufgestellt, sodass sie sich nicht ins Gehege kommen“, sagt Koltay, „aber alle haben ein gemeinsames, echtes Interesse an der innovativen Technologie und dem Marktbereich – das ist wichtig.“ Der Verbund Microtec Südwest hat bereits beim Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundeswirtschaftsministeriums ein sogenanntes Innovationsnetzwerk beantragt – als Fortsetzung des jetzt abgeschlossenen Projekts. Koltay hofft, dass sich ein dauerhafter Verbund von Unternehmen und Forschungseinrichtungen zum Thema Bioprinting bildet: „Freiburg ist ein sehr guter Ort für so etwas.“
Text: Thomas Goebel
Bild: IMTEK
Hintergrund
Das Projekt 3D-Bio-Net wurde von 2017 bis 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Initiative KMU-NetC gefördet. Diese unterstützt Forschungs- und Entwicklungsvorhaben von kleinen und mittleren Unternehmen in regionalen Netzwerken und Clustern. Die beteiligten Partner sind: Biofluidix GmbH, Freiburg (Hardwareentwicklung), Cell Genix GmbH, Freiburg (regulatorische Anforderungen), Ibidi GmbH, Gräfelfing (Perfusionsplattform und mikrofluidische Chips), Infoteam Software AG, Bubenreuth (Softwareentwicklung), Kunststoff-Institut Südwest, Villingen-Schwenningen (Charakterisierung von Kunststoffen), VasQlab am Karlsruher Institut für Technologie KIT (Biotinten), Institut für Mikrosystemtechnik IMTEK der Universität Freiburg, (Prozessentwicklung), Klinik für Plastische und Handchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg (Gewebekonstrukte Knochen und Knorpel) und das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut NMI an der Universität Tübingen („Organ-on-Chip“-Anwendungen). Der Spitzencluster Microtec Südwest koordinierte das Projekt.
thg