Seit über 75 Jahren stellt die Gerriets GmbH in Umkirch Theatervorhänge her. Geschäftsführer Hannes Gerriets bringt die Firma seines Opas nun in die vierte Generation. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, waren in dieser Zeit etliche Male wegweisende Entscheidungen nötig.
Theatervorhänge – das mag ein wenig nach einem Geschäft aus dem vergangenen Jahrhundert klingen. Doch es ist nach wie vor das Kerngeschäft der 1946 gegründeten Gerriets GmbH aus Umkirch, die Hannes Gerriets seit 2002 in nunmehr dritter Generation führt. Und die in ihrem Segment seither auch international zum Marktführer avanciert ist.
„Ein Unternehmen in die vierte Generation zu führen ist nicht selbstverständlich“, sagt der Firmenchef. „In die dritte schaffen es vielleicht noch zwei Prozent, in die vierte null-komma-irgendwas.“ Die alte Unternehmerweisheit dürfte wohl jedem bekannt sein: Die erste Generation baut die Firma auf, die zweite macht sie groß, die dritte ruiniert alles. „Letzteres wäre also mein Job gewesen“, lacht der 63-jährige Hannes Gerriets, der das 180-Mitarbeiter-Unternehmen „in drei bis vier Jahren“ an seinen Sohn übergeben will. Der hat in Konstanz gerade sein Studium zum Wirtschaftsingenieur abgeschlossen.
Um es bis hierhin zu schaffen, musste Gerriets allerdings einige richtungsweisende Entscheidungen treffen. Da ist zum einen der Standort: Jahrzehntelang nähte man in Umkirch bei Freiburg, 1991 wurde die Näherei ins benachbarte Volgelsheim direkt hinter der französischen Grenze verlegt – was Kostenvorteile bot. Wettbewerber gingen in dieser Zeit allerdings einige Schritte weiter. Einer von ihnen lasse heute in der Free Zone von Dubai nähen, weiß Gerriets. „Die Stoffe werden dorthin geflogen, von pakistanischen Arbeitern zu 500 Euro Monatslohn vernäht und wieder zurückgeflogen – und das alles steuerbefreit.“ Da könne man von der Kostenstruktur her einfach nicht mithalten. „Das ist das Fiese an der Sache.“
Effizienz und Qualität zur Standortsicherung
Deshalb hat sich Gerriets für einen anderen Weg entschieden: den der Effizienz und Qualität. Im vergangenen Jahr habe man knapp eine Million Euro in eine Nähautomation investiert, berichtet der Firmenchef. Seither werden die Säume der oft über zehn Meter hohen und über 20 Meter breiten Vorhänge nicht mehr von Hand genäht, sondern mittels Automatiksäumer – eine Art Trompete, über die der Stoff in die Maschine gezogen wird. „Statt einer Stunde braucht ein Saum nur noch vier Minuten.“ Viel Arbeit hat bislang auch das Handling der großen Vorhänge gemacht. „Die Näherinnen kamen auf eine Nähzeit von höchstens 25 Prozent“, schätzt der Unternehmer. Den Rest der Zeit seien sie damit beschäftigt gewesen, „schwere Vorhänge von A nach B zu tragen“.
Auch damit ist nun Schluss. Die Stoffe gleiten jetzt auf einem Lufttisch zwischen den Maschinen hin und her. Wo früher zehn oder mehr Mitarbeiterinnen einen Vorhang transportieren mussten, reichen heute eine oder zwei. Realisiert hat das Ganze ein spezialisierter Maschinenbauer von der Schwäbischen Alb. „Vermutlich sind wir die Einzigen auf der Welt, die so etwas in der Dimension haben.“
Bereits vor vier Jahren hat Gerriets eine weitere in der Branche wohl einmalige Investition getätigt: In Volgelsheim steht nun eine 13 Meter hohe und 30 Meter lange Halle, in der die Vorhänge zum Schneiden aufgehängt werden. Denn nur so könne man sicherstellen, dass ein Vorhang nachher exakt abschließe und auch als Rechteck hänge. „Im Liegen funktioniert das nicht, denn ein Vorhang längt sich.“
„Das sind alles Investitionen, mit denen wir unseren Standort sichern“, erklärt Gerriets. Die hohe Qualität, die man dadurch biete, brauche und schätze zwar nicht jeder. „Doch wer sie braucht und schätzt, der kauft auch bei uns.“ Hinzu kämen kurze Lieferzeiten gegenüber der sonst verbreiteten Konfektion in Asien.
Verteidigen muss sich der Marktführer allerdings auch an weiteren Fronten, etwa gegen Produktpiraterie. Eine mit viel Aufwand entwickelte Vorhangschiene etwa habe ein Mitbewerber dreist kopiert. „Der hat das Ganze nach Indien geschickt und dort nachbauen lassen.“ In solchen Fällen entwickle man dann ein verbessertes Nachfolgemodell – „auch um dem Wettbewerber zu zeigen, dass er etwas Altes kopiert hat“.
Dennoch tut das Ganze weh. Weshalb „wir heute mehr schützen lassen als früher“. Denn den einstigen Ehrenkodex, dass man Konkurrenzprodukte nicht kopiere, sondern allenfalls verbessere, gebe es nicht mehr. Einmal habe jemand ihn auf einer Messe zu den neuen Schallschutzprodukten ausgefragt, sagt Gerriets – um sich anschließend als Wettbewerber zu outen. „So etwas ärgert einen natürlich.“
Schallschutz als zweites Standbein
Unterdessen hat sich Schallschutz für den Theaterspezialisten zu einem interessanten zweiten Standbein entwickelt – dank des Büroausstatters Vitra und einer kreativen Architektin. Die hatten 2008 am Gerriets-Hauptsitz in Umkirch 70 Arbeitsplätze neugestaltet und dabei schallschluckende Theatervorhänge als Raumteiler genutzt. Das Konzept hat sich derart bewährt, dass die Vorhänge heute in etlichen Büros für Ruhe sorgen und in Werkhallen den Lärm reduzieren.
Mittlerweile kommen 15 Prozent des Gerriets-Geschäfts aus dem Akustiksegment, in dem der Firmenchef noch sehr viel Potenzial sieht. Wobei er noch heute über eine Anfrage von Amazon aus den USA schmunzeln muss. Da die dortigen Gewerkschaften Druck wegen der Lärmbelastung in den Lagern machten, sollten diese besseren Schallschutz erhalten. „Bereits im zweiten Satz sagte der Amazon-Manager aus Los Angeles, dass sie uns vor Auftragserteilung gerne kaufen würden“, erinnert sich Gerriets. Doch da habe er „gar nicht erst die Summe hören wollen“. Denn seinem Sohn möchte er „ja nicht einfach nur Geld vererben, sondern eine Aufgabe“.
Härteste Prüfung? Die Corona-Zeit!
Hatte Gerriets denn auch mal existenzielle Prüfungen zu bestehen? „Die härteste Prüfung in unserer Geschichte war die Corona-Zeit“, ist der Firmenchef überzeugt. „Als die Theater zumachen mussten, investierte niemand mehr einen Cent.“ Und zeitweise seien nicht einmal mehr Mitarbeiter zwischen Umkirch und Volgelsheim hin- und hergekommen. „Wenn es richtig schlecht läuft, merkt man auch, wer zum Unternehmen steht und wer nicht.“ In dieser Zeit habe er zum ersten Mal nachts nicht mehr schlafen können. „Mit einem blauen Auge davongekommen“ sei man nur wegen des erfolgreichen Schallschutzsegments.
Und wie sieht der Unternehmer die Zukunft für den traditionsreichen Theaterausstatter? Der Theatermarkt dürfte zwar nicht mehr sonderlich wachsen, gebe aber auch keinen Anlass zur Sorge, da die Kulturbudgets meist über Jahre geplant seien. Nicht mehr auf das alte Niveau zurückkommen werde dagegen das mit Corona eingebrochene Messe- und Eventgeschäft. Noch vor einigen Jahren habe man etwa für den Mercedes-Benz-Stand auf der Frankfurter IAA ein gigantisches Deckensegel gebaut, mit 30 Metern Höhenunterschied. „So etwas bestellt heute niemand mehr.“ Die Zeit solcher Megaevents sei vorbei, glaubt Gerriets.
Ausgleichen könne dies allerdings der wachsende Schallschutzmarkt. So habe man beispielsweise für Siemens die Nachhallzeiten in einer 52 Meter hohen Blechhalle reduziert, in der 400 Tonnen schwere Umspannwerke auf Blitzeinschlag getestet würden. „Da herrscht ein Höllenlärm.“ Für die nötige Kompetenz in diesem Segment sorgt ein eigenes Akustikbüro. „Auch das ist einmalig in unserer Branche und eine Investition in die Zukunftsfähigkeit unserer Firma.“ Ebenso wie eine eigene Grafikabteilung oder die komplette Umstellung von 2D- auf 3D-Design.
Das Erfolgsrezept für Hannes Gerriets lautet schlicht: kontinuierliches Investieren. Nach dem Vorhangturm für drei Millionen Euro und der Nähautomation für knapp eine Million habe man gerade eine neue ERP-Software für 1,5 Millionen Euro angeschafft. Damit würden alle Unterlagen digitalisiert. So habe man nun Daten auf Knopfdruck verfügbar und könne zum Beispiel Homeoffice-Wünsche „ganz easy“ umsetzen. Gleiches gilt für die Website mit angegliedertem Shop. Hier habe man fast 400.000 Euro investiert, um den weltweiten Kunden das Bestellen von gut 1.000 Produkten so einfach wie möglich zu machen. Für Hannes Gerriets ist klar: „Wir wollen nicht unbedingt größer werden, denn unser Markt ist endlich.“ Doch man wolle noch für möglichst viele Generationen an der Spitze dieses Marktes stehen. Jürgen Baltes
Marktführer mit langer Geschichte
Gegründet wurde Gerriets 1946 von Hans Gerriets in Freiburg, zunächst als Textilgroßhandel. Schnell spezialisierte sich der Unternehmer, der auch für den Wiederaufbau des Freiburger Theaters verantwortlich war, aber auf Bühnenvorhänge und Dekostoffe, für die ein wachsender Bedarf entstand. In den 1960er-Jahren ergänzten Projektionsfolien und Leinwände für Theater und Kinos das Portfolio. 1985 wurden eigene Webstühle angeschafft und auf eine Breite von 12,45 Metern weiterentwickelt. In den 1980er-Jahren begann auch die internationale Expansion. Heute existieren eigene Vertretungen in Frankreich, Polen, Großbritannien, Österreich und den USA. In weiteren elf Ländern hat man Vertragshändler.