Das Lahrer Orthopädietechnik-Unternehmen Caroli blickt auf eine lange Familientradition zurück. In dieser Zeit hat sich das Geschäft sehr verändert – einfacher ist es nicht geworden.
Nach 175 Jahren führt Heinrich Caroli nicht nur den Namen, sondern auch das Erbe seines Vorfahren weiter. In diesen fast zwei Jahrhunderten seit der Gründung der Lahrer Firma Caroli ist aus dem Sattlergeschäft mit Bandagenfabrikation eine Fachfirma für Bandagen und orthopädietechnische Bauteile geworden. Die Bandagen, mit denen die Firma einst groß wurde, machen nur noch einen kleinen Teil des Umsatzes aus.
Doch von vorn: Es ist das Jahr 1849. Heinrich Caroli übernimmt das Sattlergeschäft seines Vaters in Lahr. Doch er begnügt sich nicht mit dem, was bisher war. Statt weiter nur Lederzeug für Ross und Reiter herzustellen, gründet er mit Ende 20 und fünf Mitarbeitern eine Fabrik für Bruchbänder. Als Wandergeselle auf der Walz hatte der junge Caroli in den acht Jahren zuvor gelernt, diese spezielle Bandagen-Art herzustellen, die bei Leistenbrüchen die Bauchdecke stabilisiert.
Unter dem Einfluss der nachfolgenden Caroli-Generationen entwickelt sich von da an nicht nur das Bruchband weiter (es wird dank Polsterung um einiges komfortabler), sondern auch die Produktpalette der Firma. Medizinische Leibbinden kommen hinzu, Suspensorien, Geradehalter. Das Geschäft mit Medizinprodukten boomt, die Firma wächst. Caroli-Produkte sind im In- und Ausland gefragt. Um die Jahrhundertwende wirbt die Firma mit Katalogen auf Englisch, Französisch und Spanisch sowie mehrsprachigen Anzeigen in Westeuropa. Auch das Zarenreich ist Absatzgebiet. Aus der Sattlerei in der Lahrer Innenstadt wird mit den Jahren ein Sanitätshaus. Die Bruchbandfabrik wird ausgelagert an ihren heutigen Standort und vergrößert, die Produktpalette um Bandagen für Knie- und Handgelenke sowie Fußeinlagen erweitert. Zeitweilig sind 130 Personen bei Caroli beschäftigt.
In den 1960er-Jahren löst die maschinelle Fertigung die aufwendige manuelle ab. Und so wie ihre Produkte Menschen helfen, in Bewegung zu bleiben, ist auch die Firma Caroli selbst stets in Bewegung. So erweitert eine richtungsweisende Erfindung das Portfolio: Beim Angeln kommt dem Leiter der Metallabteilung die Idee, eine orthopädische Schiene mit Schneckentrieb zu entwickeln, um unbewegliche Gelenke wieder beweglich zu machen. Die Erfindung wird patentiert, das Produkt zum Erfolg.
Die Innovation ist ein Glücksfall für die Firma, denn die Zeiten, in denen es stetig bergauf ging, sind vorbei. Weil Leistenbrüche inzwischen operiert werden können, sind immer weniger Menschen auf Bruchbänder angewiesen. Aus dem, was Caroli einst nach vorne brachte, wird ein Nischenprodukt. Hinzu kommen Gesundheitsreformen und der Preiskampf mit Mitbewerbern, die in Ländern mit niedrigeren Löhnen fertigen lassen. Die Folge: Ab Mitte der 1990er bricht der Umsatz im Bandagenbereich ein. Caroli muss Personal abbauen, kommt um Entlassungen aber herum.
Die orthopädischen Schienen helfen, das Unternehmen zu stabilisieren. Sie machen heute 80 Prozent des Umsatzes aus, die Bandagen 20, sagt Heinrich Caroli, Nachfahre und Namensvetter des Firmengründers und seit 1979 Geschäftsführer. Produziert werden Schienen, Bandagen und Co. noch immer größtenteils in Lahr, und das soll auch so bleiben, sagt der 74-Jährige. Denn gerade die Herstellung der Schienen sei so spezialisiert, „das machen wir am besten selbst“. Die Firma sei in diesem Bereich einer der Markführer in Europa.
Aktuell verzeichnet das Unternehmen einen Jahresumsatz von acht Millionen Euro. Rund 60 Mitarbeiter arbeiten in Fertigung, Vertrieb und Verwaltung des Traditionsunternehmens, das europaweit Sanitätshäuser mit Produkten beliefert – auch das Sanitätshaus Caroli in Lahr. Kundenbeziehung und Name sind aber inzwischen die einzigen Verbindungen zur Familie, die letzten Inhaber, die aus der Familie Caroli stammten, fanden keinen Nachfolger und verkauften.
Das Anwesen der Firma Caroli wird gerade um eine Maschinenhalle erweitert. Und das, obwohl die Situation noch immer nicht einfach und der Druck in der Branche groß sei , so der Firmenchef. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland wirke sich auf den Umsatz aus. Denn geht es der Wirtschaft schlecht, hätten auch die Krankenkassen weniger Geld zur Verfügung, um Medizinprodukte zu bezahlen: „Und unser Zeug ist nicht billig.“
Aber es gibt ja noch etwas, an das sich schon Caroli-Generationen vor ihm gehalten und so das lange Leben der Firma ermöglicht haben: Es sei das Wichtigste, Innovationen im Blick zu behalten, um nicht den Anschluss zu verlieren. Dann könne es noch viele Jahre weitergehen mit dem Familienunternehmen.
Caroli zählt auf seine zwei Söhne Christian und Philip. Irgendwann. Denn noch ist er selbst voll dabei. „Ich mach’s gern. Das ist mein Leben“, sagt er. Und natürlich Familie. Susanne Ehmann