
Weil am Rhein. Dort, wo er vor mehr als 50 Jahren Kartoffeln gehackt hat, blickt Eckart Wössner jetzt von seinem Schreibtisch aus über die B 3 auf die Weinberge von Haltingen. Vor gut zwei Jahren hat seine Wössner GmbH den Neubau am Rande des zu Weil am Rhein gehörenden Gewerbegebiets bezogen und damit einen vorläufigen Höhepunkt der mehr als 40-jährigen Firmengeschichte erreicht. Darauf ist Wössner stolz. „Wir sind ein ganz typisches Familienunternehmen“, sagt er: „Gewachsen nur aus eigener Kraft.“
Eckart Wössner, gelernter Maschinenschlosser sowie begeisterter Motorradschrauber und -rennfahrer, startete 1979 mit gerade einmal 24 Jahren in die Selbstständigkeit – anfangs nebenher, dann halbtags, schließlich Vollzeit und bald mit der Unterstützung seiner Frau Helga. Sie verkauften Motorenteile, betrieben eine Werkstatt und übernahmen für einen US-amerikanischen Kolbenhersteller die Deutschlandvertretung. Als ihre Zufriedenheit mit den amerikanischen Produkten sank, beschlossen die Wössners Ende der 1990er-Jahre, selbst Kolben herzustellen.
Diese Entscheidung war wegweisend. Seither hat sich das Unternehmen beachtlich entwickelt und ist in den zurückliegenden zehn Jahren zu einer internationalen Firmengruppe gewachsen. Sohn Tobias, der 2006 ins Unternehmen eingestiegen ist und sich seit vergangenem Jahr Anteile und Geschäftsführung mit seinen Eltern teilt, hat die Expansion vorangetrieben. Unter dem Dach der Wössner Holding befinden sich heute außer dem deutschen Stammhaus sechs ausländische Standorte. Den Anfang machte 2006 die Vertriebsniederlassung in Kalifornien. 2009 übernahm Wössner ein insolventes italienisches Schmiedewerk, von dem man die Rohlinge bezogen hatte. Bald kam eine Niederlassung in Italien hinzu, eine zweite in den USA sowie eine in Taiwan. Und vor Kurzem hat Wössner sich aufgrund des Brexits entschieden, einen eigenen Standort im Vereinigten Königreich, das ein großer und guter Markt für das Unternehmen ist, zu betreiben. Insgesamt beschäftigt die Gruppe derzeit rund 140 Mitarbeiter. In Haltingen arbeiten Techniker, Ingenieure, Meister und Facharbeiter, aber auch Angelernte. Der Exportanteil liegt bei circa 80 Prozent.
Die Wössners schauen sehr zuversichtlich auf die Zukunft. Sie sorgen sich nicht, dass die Kolben, die sie produzieren und mit denen sie etwa 95 Prozent des Umsatzes erzielen, ausschließlich für Verbrennungsmotoren geeignet sind. Schließlich beliefern sie keine Erstausrüster, sondern Händler und Importeure, die die Teile wiederum in erster Linie an Werkstätten verkaufen. Wössner-Kolben dienen meist zu Reparaturzwecken, und repariert werden Verbrenner noch lange, schließlich gibt es weltweit mehrere Milliarden davon. Vor allem für Motorräder, Autos und Schneemobile fertigen die Südbadener Teile. „Wir machen vieles, das es sonst nicht mehr gibt“, erklärt der Seniorchef. Die Stückzahlen pro Produkt sind entsprechend klein und starten bei Losgröße 1, beispielsweise für die Restauration alter Autos, wofür mitunter hohe Summen ausgegeben werden.
So ist denn auch der neue, 4.700 Quadratmeter große Firmensitz, der rund sieben Millionen Euro gekostet hat, auf weiteres Wachstum ausgelegt. Ideen gibt es schon, es ist beispielsweise eine Niederlassung in Brasilien in Planung. Helga und Eckart Wössner indes wollen jetzt, da das Unternehmen räumlich und organisatorisch so gut aufgestellt ist, etwas weniger arbeiten und sich peu à peu zurückziehen.
kat