
Aldingen. Hersteller rein mechanischer Uhren, die nicht mit Batterie, sondern per Pendel, Tourbillon oder Echappement angetrieben werden, gibt es heute kaum mehr. Dank Gerhard Schneider macht eines der wohl letzten Unternehmen überhaupt weiter. Der 54-Jährige hat – zusammen mit Partnern – die Uhrenmanufaktur Kieninger in Aldingen (Kreis Tuttlingen) übernommen und führt nun deren Geschäfte. Sie ist auf hochwertige Wand-, Tisch- und Standuhren sowie mechanische Uhrwerke spezialisiert, die vor allem in den USA und in China verkauft werden. Ihre Preise liegen zwischen 2.000 und 50.000 Euro. Zudem fertigt Kieninger Antriebe etwa für Steuerungen. Hier sind die Kunden vor allem Industriebetriebe in Deutschland.
Die 1912 gegründete Uhrenmanufaktur gehörte bis in die 1990er-Jahre der Familie Kieninger und anschließend dem US-amerikanischen Möbelproduzenten Howard Miller, der zugleich Kieninger-Kunde war. Anfang 2020 war Kieninger zahlungsunfähig gewesen und hatte ein Insolvenzverfahren in Eigenregie gestartet. Die Suche nach einem Käufer hatte sich aufgrund der Pandemie zunächst schwierig gestaltet. In einem Bieterverfahren erwarben schließlich eine Holding, die Gerhard Schneider zusammen mit einem Kunden aus Hongkong gehört, und zwei Unternehmer aus der Region Anteile und Namensrechte des schwäbischen Uhrenherstellers. Unter dem Dach der neu gegründeten Kuma GmbH (Kieninger Uhrenmanufaktur Aldingen) führen sie das Unternehmen nun fort.
Es sei „viel Herzblut“ im Betrieb, berichtet Schneider. Er hatte bereits acht Jahre als Vertriebsleiter für Kieninger gearbeitet und kennt die Uhrenindustrie seit Jahrzehnten. Der Betriebswirt sieht viel Potenzial in dem Aldinger Traditionsbetrieb – „ich bin ein Hasenfuß, ich hätte das sonst nicht gemacht“. Klar war aber auch: Es konnte nicht so weitergehen wie bisher, denn das Unternehmen hatte zu viele Schulden. Deshalb hat Schneider seit dem Neustart Anfang des Jahres die Abläufe und das Sortiment umorganisiert. Die Produktion wird auf das sogenannte Kaizen- oder auch Toyotaprinzip umgestellt. Statt am Band entstehen die Uhren und Uhrwerke nun in Fertigungszellen. Dort erledigen die Mitarbeiter – aktuell sind es rund zwei Dutzend – nicht mehr einzelne Produktionsschritte sondern den gesamten Ablauf. Sie mussten dafür entsprechend geschult werden. Die Kosten für die Optimierung der Produktion, die gleichzeitig Effizienz und Qualität steigern soll, beziffert Schneider mit mehreren zehntausend Euro. Um wieder profitabel zu werden, standardisiert er viele Prozesse und Produkte.
Für dieses Jahr plant der Geschäftsführer einen Umsatz zwischen zwei und drei Millionen Euro. Vor der Insolvenz, als das Unternehmen etwa doppelt so viele Mitarbeiter beschäftigte, waren es etwa vier Millionen Euro. Die ursprünglich für nächstes Jahr geplante Feier, wurde – auch pandemiebedingt – um ein Jahr verschoben. 2023 soll die Uhrenmanufaktur „triple one“, also ihr 111-jähriges Bestehen feiern, sagt Schneider. Bis dahin ist dann wohl auch der neue Showroom fertig, der aktuell geplant wird.
kat