Die Bekanntheit des MVZ Clotten ist seit Beginn der Pandemie stark gestiegen. Denn das private Freiburger Labor analysiert etwa 70 Prozent der PCR-Tests in Südbaden. Um diese Herausforderung zu bewältigen, hat Clotten in Technik und Mitarbeiter investiert. Doch Corona ist nur ein kleiner Teil der Arbeit der Labormediziner. Der große andere Teil läuft (fast) normal weiter.
Freiburg. Christian Haas‘ Selbstverständnis ist eindeutig: „Wir sind eine Arztpraxis, kein Unternehmen“, betont der Geschäftsleiter des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) Clotten. Deshalb spricht er nicht über Umsatz- oder Investitionszahlen, sondern über Medizin, genauer: Labormedizin. Zwölf Ärztinnen und Ärzte arbeiten bei Clotten. Die meisten sind Fachärzte für Labormedizin, viele haben ein, einige sogar zwei weitere Fachgebiete. Haas selbst ist außer Labormediziner auch Facharzt für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie, also Gerinnungsspezialist. Zum MVZ überweisen Ärzte Patienten wie zu anderen Fachärzten auch. Der einzige Unterschied: Bei ihrem Spezialgebiet, nämlich der diagnostischen Leistung, haben die Labormediziner meist keinen direkten Kontakt zu den Patienten. Das wäre bei dem Durchsatz auch kaum möglich: Rund 10.000 Patienten versorgt das Labor täglich und ermittelt mehr als 2.000 verschiedene Werte etwa aus Speichel, Urin oder Blut. Das MVZ Clotten ist damit das mit Abstand größte Labor Südbadens. Es betreut etwa 50 Krankenhäuser und rund 1.000 Arztpraxen in der Region.
Die großen Fenster zur Merzhauser Straße hin bieten Einblick in seine Arbeit. Hier sieht man auf vier Etagen Frauen und Männer in weißen Kitteln, die unzählige Apparate bedienen. Bis spät abends und sieben Tage die Woche. Denn die meisten Proben kommen erst nachmittags im Labor an, und die Analyse ist auch wochenends wichtig. An mehr als zwei Dritteln medizinischer Diagnosen ist das Labor beteiligt, die ganze innere Medizin hat Laborwerte. „Wir analysieren alles außer Gewebe“, sagt Haas. Von Blutalkohol- und Drogentests der Polizei, über Schwangerenvorsorge bis zu Schilddrüsen- oder Kaliumwerten. Manche werden in hochautomatisierten Verfahren ermittelt, bei anderen ist viel individuelle Handarbeit nötig. „All dies machen wir nach wie vor“, betont der Laborleiter. Diese Arbeit sei während der Pandemie nur geringfügig zurückgegangen, weil die Menschen etwas seltener zum Arzt gehen. Insgesamt arbeiten etwa 250 Menschen beim MVZ Clotten. Außer den Ärzten sind das einige weitere Akademiker wie Chemiker oder Biologen und vor allem Medizinische Fachangestellte und Medizinisch-Technische Assistentinnen, zudem Mitarbeiter für IT, Personal und andere Verwaltungsaufgaben. Ein externer Dienstleister, die CMK Logistik aus Breisach, kümmert sich um die Logistik zwischen Arzt, Patient und Labor. Und die ist enorm.
Denn täglich kommen rund 15.000 Proben ins Labor. Mittlerweile sind etwa 2.000 davon Coronaabstriche, zu Hochzeiten waren es noch mehr. „Uns hat nicht die reine Anzahl der Proben erschlagen, sondern der damit verbundene Aufwand“, erklärt Haas. Denn die vielen Arbeitschritte bei PCR-Tests – von der Probenaufbereitung über die Isolierung und Vermehrung der Virus-RNA bis hin zur Messung und detaillierten Auswertung – dauern lang und müssen unter hohen Hygieneanforderungen stattfinden, damit Beschäftigte nicht infiziert und Proben nicht kontaminiert werden. Der Vorgang ist komplex und nicht beliebig skalierbar. Höchstens 100 Proben kann eine Mitarbeiterin pro Stunde für die PCR-Analyse vorbereiten. Entsprechend groß ist der Zeitaufwand.
Um die Zahl der täglich tausenden Coronatests besser einschätzen zu können, hilft ein Vergleich: Während einer durchschnittlichen Grippesaison analysiert Clotten um die 4.000 Proben – über mehrere Monate hinweg von Herbst bis Frühjahr. In dem besonders heftigen Grippewinter 2017/18 waren es 7.000. Damals hatte Clotten einen PCR-Vollautomaten gekauft, der 1.500 Tests pro Tag bewältigt. Er sollte als Puffer dienen. Während der Coronapandemie konnte er jedoch allenfalls eine noch größere Belastung der Mitarbeiter verhindern. In den ersten Monaten fehlte nicht nur Technik, sondern auch Personal und Verbrauchsmaterial. „Eine Produktion kann man nur linear steigern, die Pandemie war aber exponentiell“, sagt Haas. Das Labor hat nun in einen zweiten Vollautomaten investiert, Mitte Mai wurde er geliefert. Und die Belegschaft ist seit Frühjahr 2020 um etwa zehn Prozent gewachsen. In den Räumen in der Merzhauser Straße wird es jetzt eng.
Den schicken transparenten Bau hat das MVZ Clotten 2012 bezogen. Hier hat man baulich und technisch alles auf die eigenen Bedürfnisse maßgeschneidert. „Redun-danz“ ist dabei ein wichtiges Stichwort: Strom- und Wasserversorgung, Kühlung und EDV haben jeweils einen Zwilling, der im Notfall den Weiterbetrieb garantiert. Diese Redundanz soll der neue Vollautomat nun auch für PCR-Tests bieten, denn mit Lollitests an Schulen und weiteren Öffnungen wird der Bedarf vorerst weiter hoch sein. Allerdings, betont Haas, macht man PCR kaum vollautomatisch, nur etwa 30 Prozent der Proben, vor allem solche aus Kliniken und eilige.
Von seinem Schreibtisch im dritten Stock aus kann der Clotten-Chef zu den Ursprüngen des Labors hinüberschauen. Im Keller ihres Privathauses am Schlierberg hatten Annemarie und Roman Clotten es 1968 gegründet. Später bezog die Praxis, die sich bald eine bedeutende Stellung in der Labordiagnostik erarbeitet hatte, die obersten drei Etagen des ehemaligen Volksbankgebäudes am Hauptbahnhof. Seit 2008 firmiert Clotten als Medizinisches Versorgungszentrum, seit 2014 sind die Freiburger Teil der Limbach-Gruppe. Zu diesem größten inhabergeführten Laborverbund Deutschlands zählen bundesweit 30 Labore mit zusammen rund 300 Fachärzten und mehr als 6.000 Mitarbeitern. Die Zugehörigkeit sei eine Art Investorenschutz, sagt Haas. So könnten Labore, die zunehmend ins Visier von Investoren geraten sind, unabhängig bleiben. Ein bisschen unternehmerisch denken Ärzte eben auch.
kat