Seit 1871 ist die Ch. Dahlinger GmbH & Co KG in Lahr auf Verpackungen spezialisiert, zunächst nur für den Uhren- und Schmuckfacheinzelhandel, inzwischen auch erfolgreich für Hersteller von Luxus- und Lifestyleprodukten. Transformationserfahren rüstet das Familienunternehmen nun fürs heißeste Thema des Jahrzehnts: die Nachhaltigkeit.
Lahr. Die blausilbrig schimmernde Mini-Mondlandefähre als das zu bezeichnen, was sie tatsächlich ist – eine reine Verpackung – würde ihr Unrecht tun. Das Modell von der Größe einer kleinen Mikrowelle ist fast schon ein kleines Kunstwerk. „Ein Schreibgerätefabrikant hat in einer seiner Editionen Mondstaub verarbeitet und benötigte für diese sehr kostspieligen Schreibgeräte eine effektvolle Verpackung“, erklärt Bernd Dahlinger, geschäftsführender Alleingesellschafter der Ch. Dahlinger GmbH & Co KG, den Prototypen im Regal. Überhaupt erinnert der Gang durch den Kreativraum des Lahrer Verpackungsspezialisten stellenweise an einen Besuch in Aladins Schatzkammer. Ein mit dunkelrotem Samt bezogener Kubus, um eine teure Cognacflasche in Szene zu setzen, neben kunstvollen Holzkästchen für Schweizer Herrenchronometer oder fränkische Schreibgeräte, das Imitat eines Küstenfelsens als Behältnis für eine Whiskyedition neben einem Echtholzschränkchen für Champagner, passend für den Barbereich einer Segelyacht. Der Showroom nebenan präsentiert das zweite und älteste Standbein des Familienunternehmens: Etuis, Schmuckschachteln, Tragetaschen, Beutel und Präsentationstabletts, in Dutzenden Farbvarianten, Materialien und Qualitäten. Alles, was der Handel benötigt, um Ringe, Ketten, Ohrringe und Co zu präsentieren, zu lagern und für den Kunden einzupacken.
Seit 150 Jahren ist man bei Dahlinger auf Verpackungen abonniert – von der wertigen, aber eher pragmatischen für Schreibgeräte, Uhren, Schmuck und Smartphones über das Design von ausgefallenen Umhüllungen für Luxus- und Lifestyleprodukte bis zu Kleinmöbeln für den Handel, um Uhren oder Schmuck zu präsentieren und sicher aufzubewahren.
Meilensteine aus 150 Jahren Ch. Dahlinger GmbH & Co KG
- 6. Juli 1871 Christian Dahlinger gründet die Ch. Dahlinger Kartonagen-, Etuis- und Etalagen-Fabriken Lahr
- 1885 Am heutigen Unternehmenssitz in der Feuerwehrstraße in Lahr entsteht das erste Fabrikgebäude
- 1890 Spezialisierung auf Uhren-, Schmuck- und Besteckverpackungen
- 1920er Dahlinger prosperiert mit steigenden Exporten und Schaufenstereinrichtungen/-auslagen
- 1947 Wiederaufbau der ausgebrannten Firmenzentrale
- 1960 Einführung moderner Kartonageüberzugsmaschinen
- 1980 Erreichen eines hohen Automatisierungsgrades durch neue Kunststoffspritzgussfertigung und Werkzeugbau
- 1981 Erste Kooperationen mit späteren Produktionspartnern in Thailand, Investitionen in EDV- und PC-Systeme
- 1989 Vierte Novelle der Marke zum aktuellen Dahlingerlogo
- 1989 Bernd Dahlinger tritt ins Unternehmen ein und führt mit Bruder Christian in fünfter Generation die Geschäfte
- 1990 Globalisierung und neue Produktionspartner
- 1992 Einführung der ersten Eco-friendly-Kennzeichnung
- 2000/2001 dahlinger.com startet als fünfsprachiger Onlineshop
- 2001 Valerio d’Adamo tritt in die Geschäftsführung ein
- 2002 bis 2009 Transformationsprozess unter anderem mit Schließung der hauseigenen Fertigung in Lahr (2002), Aufbau eines Produktionspartnernetzes in Asien sowie eines weiteren Standbeins mit Etuis und Verpackungen für die Luxus- und Lifestylebranche, Einführung abteilungsübergreifender Projektteams
- 2005 Beitritt Global Compact der Vereinten Nationen
- 2012 Gründung des Inhouse-Designstudios d&friends, Investitionen in Grafik- und Produktionsdesign, digitale Drucktechnik für Prototypenbau in 2D und 3D
- 1. April 2021 Christian Dahlinger setzt sich zur Ruhe, Bruder Bernd ist nun alleiniger Gesellschafter des Unternehmens
- 2021 150 Jahre Ch. Dahlinger
- 2022 Relaunch von Webseite, Onlineshop und Markenauftritt, Feier des Jubiläums 150+1
Den Grundstein für die Lahrer Verpackungsdynastie legte 1871 Christian Dahlinger, Ururgroßvater des heutigen Firmenchefs, mit seinen „Ch. Dahlinger Kartonagen-, Etuis- und Etalagen-Fabriken“. Etalagen sind die überzogenen Büsten und Ständer etwa zur Präsentation von Schmuck. Aus Paris hatte der junge Firmengründer das Know-how für die damals innovative Überzugstechnik für Holz, Pappe und andere Materialien mitgebracht. Fertigte man anfangs vornehmlich Kartonagen für Zigarren, Schokoladen und Arzneimittel, fokussierte sich das Unternehmen nach wenigen Jahren auf Juweliere. Diese verzichteten über Jahrzehnte hinweg gerne auf die oft rein funktionalen und eher lieblosen Behältnisse der Schmuck- und Uhrenhersteller und bestellten wertigere Präsentationslösungen und Etuis bei Dahlinger.
Diese Fokussierung trug das Unternehmen bis weit ins aktuelle Jahrhundert, durch Weltwirtschaftskrise und zwei Weltkriege, bevor ab den 1970er/1980er-Jahren zwei mächtige Entwicklungen einsetzten, die schließlich ab der Jahrtausendwende eine substanzielle Neuausrichtung des Unternehmens nötig machten: die Globalisierung und das zunehmende Markenbewusstsein.
„Zunächst haben uns Wettbewerber aus Thailand mit günstigen Verpackungen Konkurrenz gemacht“, erinnert sich Bernd Dahlinger, der selbst erst 1989 von Bosch in die Geschäftsführung des Familienunternehmens wechselte und es nun in fünfter Generation leitet. „Und nur wenige Jahre später, nachdem der Boom der Wiedervereinigungsjahre abgeebbt war, stieg China zur Werkbank der Welt auf.“ Trotz Investitionen, um den Automatisierungsgrad zu erhöhen, sah sich die Geschäftsführung gezwungen, die Produktion in Lahr 2002 einzustellen und nach Asien zu verlagern.
Den wenig später einsetzenden Trend zu Markenprodukten nutzte Dahlinger, um den abnehmenden Bedarf aus dem Facheinzelhandel zu kompensieren und neue Zielgruppen für sich zu entwickeln. Denn die Hersteller von Luxusartikeln entdeckten plötzlich die Bedeutung der Umhüllung für das Image ihrer Produkte. „Die Nachfrage nach Verpackung wanderte vom Handel zur Industrie“, erklärt Bernd Dahlinger. „Wir haben etwas gebraucht, um uns in deren Welt einzudenken, aber letztlich haben wir uns den Markt gut erschlossen.“
Heute beliefert das Unternehmen als Global Player in beiden Geschäftszweigen rund 6.000 Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte sowie etwa 500 Großkunden aus Industrie und Handel in 90 Ländern, führt 4.300 Artikel und lässt 13 Millionen Verpackungen pro Jahr fertigen. Im Geschäftsjahr 2018/2019, vor der Pandemie, lag der Umsatz bei etwa 29 Millionen Euro, 20 Millionen davon gehen auf das Konto der Hersteller und großen Handelskunden. Ausgerechnet dieser Teil gab während der Pandemie um gut 20 Prozent nach, während sich der Facheinzelhandel recht resistent zeigte. „Für das Geschäftsjahr 2021/22 sind wir insgesamt aber wieder auf Vor-Corona-Niveau“, stellt der Firmenchef fest.
Dahlinger beschäftigt in Lahr 70 Mitarbeiter – darunter ein internationales Vertriebsteam, Produktmanager, Designer und Produktentwickler – sowie rund 1.100 weitere Mitarbeiter in eigenen und angeschlossenen Partnerbetrieben weltweit. Ein Tochterunternehmen in Guangzhou fungiert als Qualitätssichererer und technische Assistenz für die asiatischen Produktionspartner. In Hongkong koordiniert ein eigenes Team den Vertrieb, unter anderem für das stetig zunehmende Geschäft in Asien und dem Nahen Osten. „Immer mehr europäische Kunden lassen die Verpackung nicht erst aus China herschippern, um die Flasche oder die Uhr hineinzulegen und alles dann wieder nach Asien in den Verkauf zu liefern“, beobachtet Dahlinger.
Für ihn auch ein Ausweis des zunehmenden Nachhaltigkeitsbewusstseins. „Für uns schon immer ein wichtiges Thema“, sagt er. „Aber inzwischen wird es auch von Kundenseite immer öfter an uns herangetragen.“ Für Dahlinger ist es ein komplexes Thema, das von den Materialien über die Logistik bis zu den Standards bei den Produktionspartnern gedacht werden muss. In einem Pilotprojekt mit einem Schweizer Uhrenhersteller setzt man bereits auf Verpackungen aus recycelten PET-Flaschen. „Von normalem Gewebe kaum zu unterscheiden.“ Spannend sei auch Kunstleder aus Apfelschalen oder Kakteen. „In dem Bereich tut sich gerade unglaublich viel. Da sind wir gerne mit dabei“, sagt der 63-Jährige.
uh