Elektrisch angetriebene 40-Tonner sind nicht mehr nur Vision: Mit Blick auf Mautbefreiung und Fördergelder bestellen die ersten regionalen Spediteure Sattelschlepper mit Akku und investieren in die Ladeinfrastruktur – eine Investition in die Zukunft.
Bei der Teninger Spedition Gschwander werden Nägel mit Köpfen gemacht: 2023 hat der mittelständische Transportdienstleister erstmals zwei E-Lkw getestet – und anschließend acht Sattelzugmaschinen bestellt: jeweils vier E-Actros 600 und Scania Regional BEV. „Zum Jahresende soll die Auslieferung beginnen“, sagt Simon Gschwander, der das Projekt im Familienunternehmen betreut. Dann werden die E-Zugmaschinen fester Bestandteil der 180 Lkw großen Flotte des auf Silo- und Kipptransporte spezialisierten Spediteurs.
Anfangs sollen die E-Lkw mit rund 500 Kilometern Reichweite „im Nah- und Regionalverkehr bis 250 Kilometer in Baden-Württemberg“ eingesetzt werden, sagt Gschwander. Pro Tag wolle man so Laufleistungen von mehr als 400 Kilometern erreichen. Allerdings investiert Gschwander nicht nur in E-Lkw, sondern gleich auch in die Ladeinfrastruktur. „Das ist essenziell, damit das Ganze funktioniert.“ Sieben 400-Kw-Ladestationen befinden sich gerade im Bau. Auf eigenem Gelände, aber auch bei Kunden, darunter drei Betonwerke. So können die Fahrzeuge während der Materialentladung zwischengeladen werden.
Siebenstellige Investitionen
„Das Depotladen wird im regionalen Transportverkehr eine zentrale Rolle spielen“, sagt Susanne Baumgartner, beim Energieversorger Badenova für den Geschäftsbereich E-Mobilität verantwortlich. „Zudem ist es viel kostengünstiger.“ Das öffentliche Laden dagegen sei für den Aufbau der regionalen E-Logistik zunächst „weniger relevant“. Badenova baut für Gschwander die sieben Ladesäulen, wird sie anschließend betreiben, warten, die Abrechnung übernehmen und die Versorgungssicherheit garantieren. Teilweise werden dazu neue Trafostationen, Photovoltaikanlagen und Speicher installiert – und dann gehen die Investitionskosten in den siebenstelligen Bereich: „Ein Schnelllader kostet 70.000 bis 100.000 Euro“, sagt Robin Steudten, bei Badenova für das Projekt zuständig. „Ein Trafo nochmal 150.000 Euro.“
Wann werden E-Lkw profitabel?
Rund 100 Kilowattstunden Strom für 100 Kilometer statt 30 Liter Diesel – und dennoch: „Es wird sich nicht gleich rechnen“, sagt Simon Gschwander, sondern sei vielmehr „ein Commitment mit einer Vision“. Ab 2027 könnten E-Lkw auf der Straße günstiger werden als Diesel, zitiert Gschwander eine McKinsey-Studie. „Wir haben parallel gerechnet und kommen zu einem ähnlichen Ergebnis.“ Die Hoffnung: Die Anschaffungskosten für E-Lkw würden sich denen von Diesel-Lkw annähern. Hinzu kommen steigende CO2-Abgaben auf den Treibstoff.
Auch die Mautbefreiung spielt eine Rolle – auch wenn diese in Deutschland zunächst nur bis Ende 2025 gesichert ist. In der Schweiz gilt sie bis 2030. „Wer 50.000 Kilometer im Jahr durch die Schweiz fährt, spart dadurch 50.000 Franken“, rechnet Thomas Wolff vor, Vertriebsleiter Nutzfahrzeuge beim Freiburger Mercedes-Benz-Händler Kestenholz, bei denen es erst im März ein Vorführfahrzeug geben wird. Von der Menge der Vorbestellungen ist er selbst überrascht. „Wir hatten mit weniger gerechnet.“ Laut Daimler Truck sind bislang 2.000 Festbestellungen für den E-Actros 600 eingegangen, dessen Serienfertigung im November im Werk in Wörth beginnt.
„Wir glauben an diese Technologie“
Zu den ersten Kunden gehört auch die Ehrenkirchener Spedition Dischinger, die bereits einen E-Actros 300 und einen Renault in Betrieb hat. Seit August gibt es auf dem Speditionsgelände eine erste Ladestation, inklusive zusätzlichem Trafo. „Wir glauben fest an die Technologie“, sagt Geschäftsführer Karlkristian Dischinger. Das beweist eine im September unterschriebene Absichtserklärung mit Daimler Truck über den Kauf von 100 emissionsfreien Lkw in den kommenden fünf Jahren. Derweil schaut sich der Firmenchef gemeinsam mit Kunden konkrete Touren an, die mit E-Lkw „annähernd wirtschaftlich“ zu betreiben wären, etwa von Ehrenkirchen durch die Schweiz und über Ulm zurück. Einziges Problem: „An einer Entladestelle gibt es bislang keine Ladeinfrastruktur.“
(Foto: Hat 100 elektrische Zugmaschinen bestellt, um bis 2035 klimaneutral zu fahren: Spediteur Karlkristian Dischinger aus Ehrenkirchen (Bildmitte).)
„Wenn wir das wirklich wollen, müssen alle mitmachen: unsere Kunden und die Kunden unserer Kunden“, so Dischinger. Perspektivisch müsste es mit den heutigen Reichweiten „an jeder größeren Lade- und Entladestelle eine Ladesäule geben“. Die Disposition wird dadurch komplizierter. Denn neben Fahrzeiten, Gewichten oder Zuladungsverboten müssten auch Streckenprofile und Ladepunkte berücksichtigt werden.
Ein Thema ist für die Spediteure auch der Strombedarf. „Allein unser Fuhrpark in Ehrenkirchen würde rein elektrisch 10 bis 15 Gigawattstunden Strom im Jahr benötigen“, sagt Dischinger. Er schätzt, dass ein kompletter Umstieg der Logistik auf E-Antrieb den gesamtdeutschen Stromverbrauch um gut zehn Prozent erhöhen würde. „Hier brauchen wir absolute Versorgungssicherheit.“
Und wie sieht man die Entwicklung beim Logistik-Verband? „Vor ein paar Jahren dachten wir noch, dass die Fahrzeuge so schnell nicht kommen“, sagt Andrea Marongiu, Geschäftsführer des Verbands Spedition Logistik Baden-Württemberg (VSL). Jetzt sei „die Ladeinfrastruktur der Engpass“. Da durch den gestoppten Bundeshaushalt „Milliarden für die Förderung fehlen“, herrsche Verunsicherung. Doch das werde die Entwicklung nicht aufhalten, allenfalls verzögern.
Er sei ohnehin „sehr technologiegläubig“, verrät Marongiu: „Wir werden sehr schnell leichtere und günstigere Batterien sehen.“ Der Verband prognostiziert daher, dass „wir bis 2030 – zumindest in die Städte – zu 50 Prozent und mehr batterieelektrisch fahren werden“.
What about Wasserstoff?
Doch was wird aus den Alternativen, etwa Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe? Die müsse man im Blick behalten, sagt Marongiu, vor allem Wasserstoff und HVO. Denn im Süden Europas sei er hinsichtlich Stromversorgung und Ladeinfrastruktur „nicht ganz so optimistisch“.
Zu Wasserstoff und HVO hat Marongiu eine klare Meinung: „Bei beiden Kraftstoffen sagen die Kritiker, die Mengen werden nicht reichen. Ich sage: Lass das den Markt mal machen.“ Jedenfalls habe „Karl Benz ja auch nicht gleich aufgegeben, nur weil er keine Tankstelle gefunden hat“.
Die Groß-Lkw von Dischinger jedenfalls sind für den Biodiesel HVO 100 ausgelegt. Bei Wasserstoff glaubt der Firmenchef, dass dieser zunächst „viel zu wertvoll“ sein wird, etwa zur Erzeugung von Prozesswärme in der Industrie oder als Speichermedium, als dass er im Lkw verbrannt würde. „Da glauben wir nicht wirklich dran.“
Batterieelektrisch im Nahverkehr
Die Spedition Gschwander war einst Gründungsmitglied der grenzüberschreitenden regionalen Wasserstoffinitiative 3H2. Doch aktuell engagiere man sich dort „nicht so stark“, sagt Simon Gschwander. Er schätzt, dass Wasserstoff frühestens ab 2030 eine Rolle im Straßengüterverkehr spielen wird. „Der Markt könnte sich teilen: batterieelektrisch im Regionalverkehr und mit Wasserstoff auf der Langstrecke.“
Wobei es neben der aufwendigen Brennstoffzellentechnik auch die Option von Wasserstoff im Verbrennungsmotor gibt – für Daimler Truck „eine sinnvolle, komplementäre Lösung zur Dekarbonisierung”. Erste Versuchsfahrzeuge, einen Unimog und einen Arocs, gibt es bereits. Die Technologie könne man recht schnell umsetzen. Zunächst stünden aber Brennstoffzellen-Lkw im Fokus, deren Serienfertigung ab 2030 angepeilt ist.
Für Karlkristian Dischinger ist die Richtung jedenfalls klar: Bis 2035 soll sein Unternehmen klimaneutral werden. Nicht nur, „weil meine Kinder es auf dieser Welt genauso schön haben sollen wie ich”, sondern auch, „weil es regulatorisch nötig werden wird”. Jürgen Baltes
Weniger Zuladung im E-Lkw
Für ZEV-Lkw (Zero Emission Vehicle) hat der Gesetzgeber zwei „Zusatztonnen” zugelassen. Das kombinierte Gesamtgewicht eines E-Sattelzugs darf also 42 statt 40 Tonnen betragen. Das Leergewicht einer E-Actros-600-Sattelzugmaschine liegt laut Daimler Truck bei knapp zwölf Tonnen, die drei Batteriepakete wiegen knapp 4,5 Tonnen. Die Nutzlast eines Standardaufliegers mit Plane beträgt so nur etwa 22 Tonnen. Beim vergleichbaren Diesel sind es laut Daimler zwischen 24 und 26 Tonnen.