Spätestens seit die Energiepreise explodiert sind und die Regierung an einem Öl- und Gasheizungsverbot feilt, steht für viele Unternehmen fest, dass sie sich über kurz oder lang energetisch optimieren müssen. Stellschrauben gibt es viele, Finanzspritzen von Bund und Land ebenso. Wir haben einige inspirierende Beispiele aus der Region zusammengetragen.
Wer seine Schuhe mit einer Bürste poliert, hält sehr wahrscheinlich ein Produkt der Frank Bürsten GmbH in der Händen. Das Traditionsunternehmen fertigt seit 1942 in Schönau Bürsten für Schuhpflege sowie Massage- und Wellnesszwecke und ist nach eigenen Angaben Europas führender Hersteller. Beim Sägen und Fräsen der Holzrohlinge, an denen die Borsten befestigt werden, fallen Holzspäne an. Früher hat Bürsten Frank die Buchenholzspäne als Einstreu kostenlos an Pferdehalter abgegeben, heute sind sie Basis eines cleveren Wärmeversorgungskonzepts.
Nachhaltige Energieversorgung ist für den Betrieb im Grunde schon lange ein Thema; bei der Stromversorgung profitiert die Bürstenfabrik vom eigenen kleinen Wasserkraftwerk. Bereits seit 18 Jahren produziert eine Photovoltaikanlage auf dem Dach Solarstrom, im vergangenen Jahr wurde eine weitere installiert. Ebenfalls seit mehreren Jahren verheizt das Unternehmen für seine Wärmeversorgung die besagten Holzspäne aus der Produktion. „Das fällt bei uns in Hülle und Fülle an – über Wärmeenergie sparen haben wir lange gar nicht nachgedacht“, sagt Ganzmann.
Dass sich das änderte, ist ein bisschen dem Zufall geschuldet und einem Vertreter des Heizungsbauers Hargassner aus Maulburg, der problemlösungsorientiert mitdachte. Denn vor vier Jahren musste der Heizkessel der Fabrik ersetzt werden. Der Installateur, der das Angebot für die Hackschnitzelheizung vorbeibrachte, schaute kurz danach beim benachbarten Ökostrom- und Nahwärmeerzeuger Elektrizitätswerke Schönau (EWS) vorbei. „‘Die da unten verbrennen jede Menge Späne, auf Effizienz kommt es bei denen nicht an‘ hat der dort erzählt,“ lacht Ganzmann. Der EWS-Chef wird hellhörig und wenig später erhält Ganzmann einen Anruf mit der Frage, ob das Unternehmen tatsächlich zu viel Wärme habe. Man beschließt zusammenzuarbeiten.
So klappt’s mit der Energieeffizienz
Seit dem 1. März sind Anträge für das neue KfW-Förderprogramm „Klimafreundlicher Neubau“ möglich. Gefördert wird der Neubau sowie der Ersterwerb neu errichteter klimafreundlicher und energieeffizienter Wohn- und Nichtwohngebäude, die spezifische Grenzwerte für die Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus unterschreiten und den energetischen Standard eines Effizienzhauses 40/ Effizienzgebäudes 40 für Neubauten vorweisen. Das Förderprogramm, für das der Bund jährlich 750 Millionen Euro zur Verfügung stellen will, ist Bestandteil der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) und soll einen Beitrag für den Klimaschutz und die Einhaltung der nationalen Klimaziele leisten. Förderfähig sind die gesamten Bauwerkskosten inklusive der Kosten der für den nutzungsunabhängigen Gebäudebetrieb notwendigen technischen Anlagen für das Gebäude. Förderfähig sind auch die Kosten für Fachplanung und Baubegleitung einschließlich Dienstleistungen im Zuge einer Nachhaltigkeitszertifizierung. Hierunter fällt auch die Einbindung eines Energieeffizienzexperten. Eine größere Unterstützung gibt es für Gebäude, die zusätzlich das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) erreichen. Diese Stufe wird erreicht, wenn für ein Effizienzhaus oder -gebäude 40 ein Nachhaltigkeitszertifikat ausgestellt wird, das die Übereinstimmung der Maßnahme mit den Anforderungen des „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude Plus” oder „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude Premium” bestätigt. Die vollständige Richtlinie für Bundesförderung für effiziente Gebäude – Klimafreundlicher Neubau (KFN) gibt es unter www.bmwsb.bund.de Richtlinie für Bundesförderung für effiziente Gebäude – Klimafreundlicher Neubau (KFN)
Der KEFF+-Check ist ein Angebot der Regionalen Kompetenzstellen für Ressourceneffizienz BW. Die neutralen KEFF+Moderatoren begutachten kostenfrei den Betrieb und identifizieren mögliche Einsparpotenziale in den Bereichen Rohstoffe, Material und Energie. Betriebe erhalten abschließend einen Ergebnisbericht mit Empfehlungen und Fördermöglichkeiten. Mehr unter keff-plus-bw.de
Die IHK Südlicher Oberrhein veranstaltet im Mai den „Aktionsmonat Nachhaltigkeit“ mit diversen Veranstaltungen wie „Scope 3-Emissionen: Der Schlüssel zur vollständigen Treibhausgasbilanz“ am 9. Mai oder „CO2-Bilanz erstellen – Schritt für Schritt (IHK Offenburg) am 10. Mai. Alle Termine und Anmeldungen unter www.fuerdiewirtschaft.de/aktionsmonat-nachhaltigkeit
Zudem ist seit kurzem das „Nachhaltigkeits-Netzwerk: Energie, Energieeffizienz und Erneuerbare“ am Start. Beim ersten Treffen am 23. Mai ab 14 Uhr in der IHK in Lahr geht es um das Thema Eigenstromerzeugung mit Photovoltaik. Infos unter www.ihk.de/freiburg – 5682574 oder bei Jil Munga, Telefon: 0761 3858263 Mail: Jil.Munga@freiburg.ihk.de
Die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg setzt mit dem Arbeitskreis Energie/Energieeffizienz auf branchenübergreifenden Erfahrungsaustausch und das Umsetzen gemeinsam erarbeiteter Lösungen. Rund 30 Unternehmen treffen sich dazu mehrmals im Jahr, abwechselnd in den teilnehmenden Betrieben. Moderiert werden die Treffen durch die Experten der regionalen Energieagentur. Infos unter www.ihk.de/sbh – 3791646 oder Marcel Trogisch, Telefon: 07721 922-170, Mail: trogisch@vs.ihk.de
Die IHK Hochrhein-Bodensee engagiert sich im Projekt Energiescouts https://energiescouts.ihk.de. Energiescouts sind Auszubildende, die ihre Unternehmen dabei unterstützen, Energieeffizienzpotenziale zu finden, zu dokumentieren und Verbesserungen anzuregen. Infos und Organisation: Saskia Weide, Telefon: 07531 2860-172, Mail: saskia.weide@konstanz.ihk.de
Gelungene Energiekooperation
Die Gelegenheit war günstig: Im Zuge des Breitbandausbaus war ohnehin gerade beschlossen worden, in die ausgehobenen Schächte auch Nahwärmeleitungen zu verlegen. Der Geschäftsführer der Frank Bürsten GmbH entschied sich, in einen bidirektionalen Anschluss ans Nahwärmenetz zu investieren – sodass Wärme in den Betrieb hinein, aber auch hinaustransportiert werden kann. Das Ergebnis: Die überschüssige Energie aus den beiden Hochleistungsbrennern von Bürsten Frank strömt jetzt in das lokale Nahwärmenetz der EWS, versorgt auch die Schulen, das Rathaus und das Freibad in Schönau sowie private Kunden mit Wärme. Insgesamt speist das Unternehmen rund 600 Megawattstunden jährlich in das Nahwärmenetz ein.
Für diese gelungene nachbarschaftliche Zusammenarbeit bei der nachhaltigen Energieversorgung wurde der Bürstenfabrik vor kurzem der dritte Preis des „Gipfelstürmer- Award“ des Landes Baden-Württemberg verliehen.
Weil über die Zeit immer mehr Wärmeabnehmer dazukamen, werden in dem Heizkessel seit letztem Winter nicht mehr nur die Holzabfälle verbrannt, sondern auch zugelieferte Pellets. „Die Pellets, die bei uns verbrannt werden, ermöglichen es EWS, entsprechend auf Gas zu verzichten“, sagt Ganzmann mit Blick auf die notwendigen Einsparungen aufgrund des Russlandkrieges.
Die Steuerung des Kessels hat die Bürstenfabrik an die EWS abgegeben. „Damit das alles funktioniert, muss das derjenige machen, der die Wärme verteilt“, erklärt Ganzmann. Nebeneffekt: Durch dieses Arrangement hat die vorher üppig vorhandene Wärme für die Bürstenfabrik ein Preisschild erhalten, denn die bereitgestellte Energie bekommt das Unternehmen von der EWS vergütet. Nicht zuletzt deswegen machte sich das Unternehmen daran, seinen Strom- und Wärmeeinsatz selbst zu reduzieren.
Einen weiteren Schub zur Steigerung der Energieeffizienz gab es, als sich im Rahmen des KEFF+-Checks vom Land Baden-Württemberg ein Spezialist auf die Suche nach schlummernden Potenzialen machte. „Das wollten wir erst gar nicht, weil wir dachten, wir wissen schon, wo wir sparen können“, schmunzelt Ganzmann. Der Besuch war aber Voraussetzung , um einen Zuschuss – rund ein Drittel der Investitionskosten von 50.000 Euro für die Wärmeübergabestation – über das Förderprogramm „Vernetzte Industrien“ zu erhalten. „Tatsächlich hat der Experte aber ein paar gute Ideen gehabt“, gibt Ganzmann zu. Wie etwa, dass künftig auch die Abwärme der Druckluftkompressoren aus der Produktion, die vorher einfach ungenutzt verpuffte, nun in das Wärmenetz eingespeist wird. Daneben wurde die Beleuchtung auf LED umgestellt, eine weitere Photovoltaikanlage zur Stromgewinnung installiert, Rohre gedämmt und intelligente Heizungsthermostate installiert, die ermöglichen das Gebäude nachts und am Wochenende herunterzuregeln. „Im Winter senken wir auf zwischen 12 bis 15 Grad ab, da merken wir die Einsparung deutlich.“
Über das KEFF-Programm wurde auch ein Netzwerktreffen mit anderen holzverarbeitenden Unternehmen organisiert, bei dem das Konzept der Bürstenfabrik vorgestellt wird. „Ich denke schon, dass es gerade bei uns in der Region einige Unternehmen gibt, die sich da was abschauen können“, sagt Ganzmann. Überhaupt sei der Austausch mit anderen Betrieben wichtig, um zu erkennen, wo man vielleicht noch Energie einsparen kann, so sein Fazit.
Die Preise für fossile Energien steigen weiter, nicht nur, weil Öl und Gas mit dem Krieg in der Ukraine zu politischen Druckmitteln wurden, sondern, weil die Bundesregierung einen CO2-Preis eingeführt hat, um die Klimaziele zu erreichen. Diesen Belastungen frühzeitig entgegenzuwirken, ist also ökonomisch nur vernünftig. So wie es etwa die Schopfheimer Firma „MEGU Metallguss Obermeier GmbH“ getan hat. Der Zehn-Mann-Betrieb stellt Aluminium-Sandguss-Teile für die Elektroindustrie und den Apparate- und Maschinenbau her. „Für das Schmelzen benötigen wir große Menge Energie und dafür setzen wir stark auf Solarenergie“, sagt Michael Obermeier, Gießereitechnik-Ingenieur und Geschäftsführer der Firma. Eine wichtige Investition waren deswegen die Photovoltaikanlagen auf dem Dach von Werkhalle und Lager.
Elektrisches Schmelzen durch solaren Eigenstrom
Um die Sonnenergie nutzen zu können, wurde ein 60-Kilowatt-Schmelzofen mit neuester Halbleitertechnik und modernster Ofenraumisolierung angeschafft. Mit diesem Ofen lassen sich 350 Kilogramm Aluminium auf 740°C in 2,5 Stunden bei einem Verbrauch von 150 Kilowattstunden schmelzen. Zum Vergleich: „Der Heizölschmelzofen verbraucht im Vergleich fast die fünffache Menge an Energie. Die Einsparung ist wirklich beeindruckend“, erläutert Obermeier.
Ähnlich wie bei der Bürstenfabrik ruhte Megu sich nicht auf der reinen Umstellung auf regenerative Energien aus, sondern nahm alle Energieeffizienzpotenziale genauestens unter die Lupe. „Es war uns dabei sehr wichtig, bei diesen Maßnahmen auch um das Verständnis der Mitarbeiter zu werben und sie für dieses Thema zu sensibilisieren“, sagt Michael Obermeier. Mittels einer Visualisierung können die Mitarbeiter auf dem Hallenmonitor die aktuellen Energieverbräuche sehen und somit energieintensive Maschinen und Anlagen gemäß der eigenproduzierten Solarenergie zum optimalen Zeitpunkt betreiben. Sukzessive wurden die Elektromotoren in der Sandaufbereitung gegen energieeffizientere ausgetauscht. Auch wurden die Heizungspumpen ausgewechselt, wodurch sich der Verbrauch weiter optimierte, und eine alte 22-Kilowatt-Kompressoranlage gegen einen neuen 20-Kilowatt-Schrauben-Kompressor ausgetauscht. Damit kann der Lastbereich effizienter genutzt werden. Zusätzlich wurde der Netzdruck um zwei Bar reduziert, was den Energieverbrauch nochmals um etwa 15 Prozent reduzierte. Durch die Rückgewinnung der Wärme der Schmelzöfen wird das Warmwasser aufbereitet, die Raumheizung unterstützt sowie das Rohmaterial vorgewärmt.
Auch in Sachen Beleuchtung wurde das Maximum herausgeholt: Die vorhandenen Natriumdampf- und Halogenlampen mit insgesamt 5116 Watt wurden durch 1272 LED-Watt ersetzt. Die Zeitschaltuhren der Außenbeleuchtung sind durch eine Dämmerungsschaltung optimiert. Die Hallenbeleuchtung ist einzeln zuschaltbar und wurde auf jeden Arbeitsplatz abgestimmt. Durch die Umstellung wird 80 Prozent Strom eingespart.
Der große Enthusiasmus, mit dem der kleine Betrieb sich in Sachen Energiewende engagiert, blieb nicht unbemerkt. Ende letzten Jahres war Megu eines von 14 Unternehmen, das vom Landesumweltministerium mit dem Preis „100 Betriebe Ressourceneffizienz“ gewürdigt wurde. Auch beim „Gipfelstürmer-Award“ des Netzwerks regionale Kompetenzstellen Energieeffizienz (KEFF) war das Unternehmen Finalist. Dies sei ein „Ritterschlag“, sagt Megu-Prokuristin Conny Obermeier stolz: Die kleine Firma bewege sich damit im selben Kreis der Energiesparelite mit Großfirmen wie Daimler, Porsche, Siemens, Fischerwerke oder Würth, so Obermeier.
Smarte Technologie im denkmalgeschützten Hotel
2018 übernahmen Steven Bier und sein Ehemann Christopher Bier-Nürnberg das lange leer stehende und in die Jahre gekommene Hotel Lamm in Rottweil. Bier, geschäftsführender Gesellschafter und Hotelhandwerker in Personalunion, hat das unter Denkmalschutz stehende Haus in ein schickes und zugleich höchst energieeffizientes Vier-Sterne-Hotel verwandelt. 700 Quadratmeter auf vier Etagen wurden dazu von Grund auf neugestaltet, alle Böden und Wandbeläge komplett entfernt, Leitungen neu gezogen und ebenso alle rund 60 Jahre alten Bäder komplett saniert beziehungsweise errichtet, da viele Zimmer bis dahin nur über ein Gemeinschaftsbad auf der Etage verfügten. „Ich war schon immer technikaffin“, sagt Bier bescheiden. Eine Untertreibung, denn das „My Home Hotel Lamm Rottweil“ mit seinen 16 Zimmern in modernem Ambiente ist heute ein technisch ausgeklügeltes Smart Home. Herzstück ist die intelligente Heizungssteuerung, die automatisiert das ganze Haus bedarfsgerecht temperiert. Sind die Zimmer nicht belegt oder tagsüber leer, wird die Temperatur automatisch abgesenkt. In den Schlafzimmern sind standardmäßig 19 Grad Celsius eingestellt, die Bäder werden auf 21 Grad temperiert. Zu kühl? Keineswegs. Überhaupt erst zwei Gäste hätten um wärmere Temperaturen gebeten – ein Wunsch, der im Fall der Fälle natürlich schnell per Klick auf der Handysteuerung oder an der Rezeption gewährt wird. Selbstverständlich kann jeder Gast auch selbstständig in seinem Zimmer mittels zentraler Steuerung Änderungen vornehmen. Auch die Warmwasserpumpe ist „smart“, denn sie merkt sich, wann warmes Wasser benötigt wird, und befindet sich zur restlichen Zeit im Ruhezustand. „Leider wurde in der Vergangenheit in unserer Branche wenig an den technischen Fortschritt gedacht. Heute haben viele Anbieter von Produkten für die Hotellerie das Problem, die verlorene Zeit aufzuholen und ausgereifte Lösungen anzubieten“, sagt Bier. Er habe Schwierigkeiten gehabt, alles technisch so umsetzen zu können, wie Team und Gäste es sich wünschten, „weil viele Softwareanbieter immer noch hinterherhinken“.
Früher Skepsis, heute Lob von den Gästen
Das ganze Hotel ist mit einer zeitgesteuerten LED-Beleuchtung ausgestattet, damit das Ausschalten nicht vergessen werden kann. Alle Hotelflure und Bäder sind mit Bewegungsmeldern versehen, um unnötige Beleuchtung zu vermeiden. In den Zimmern sind spezielle Kartenschalter verbaut, sodass beim Verlassen des Zimmers keine unnötigen Geräte mehr Strom ziehen. Dauerstrom für zum Beispiel Handy und Laptop sind für die Gäste im Zimmertresor verbaut.In den Bädern wird mit Infrarotheizungen für angenehme Atmosphäre gesorgt, auch der Wasserverbrauch kann über die Hans Grohe Armaturen in der Dusche gesteuert und bei den Waschbecken über einen Bewegungssensor reguliert werden; das Wasser läuft nur, wenn der Gast es wirklich benötigt. „Vor der Energiekrise wurden uns unsere Bemühungen in Sachen Nachhaltigkeit in den Bewertungen manchmal negativ ausgelegt – heute gibt es viel positives Feedback,“ stellt Bier fest. Pro Zimmer fielen für neue Armaturen, Dusche sowie Heizungs- und Energiesteuerung Investitionen von rund 3.500 Euro für Material an; ein Betrag, der sich laut Bier „absolut gelohnt“ hat. Von der Dehoga wurde das fleißige Hotelteam mit dem Umweltcheck in Gold ausgezeichnet „und da unterschreiten wir die geforderten Werte um die Hälfte“, wie Bier stolz erklärt. Der nächste Plan liegt bereits in der Schublade: Bier möchte in eine Split-Klimaanlage investieren, mit der sich im Sommer kühlen und im Winter heizen lässt. Alles mit Ökostrom und smart natürlich. „So werden wir unabhängiger vom Gas“.
Ökologisch Bauen mit Holz
Beim Energiesparen gilt die Faustregel: Wo viel verbraucht wird, lässt sich auch viel einsparen. Wo wenig bis gar nicht saniert wurde, ebenso. Aber, es gilt auch: Wer ein neues Projekt plant, kann gleich viel richtig machen.
Wie das geht, zeigt der Lebensmittelhändler Beckesepp. Zahlreiche Architektur- und Designpreise hat der von Kuriarchitekten aus Schopfheim geplante Supermarkt inklusive Bäckerei und Café in Sölden eingeheimst. Im Februar 2021 fertiggestellt, sichert der Markt die ländliche Nahversorgung in Sölden, nahe Freiburg, und den umliegenden Gemeinden. Das KfW 55 Effizienzgebäude ist nicht nur schön anzusehen, sondern auch nachhaltig und ökologisch anspruchsvoll gebaut: Mit Ausnahme der Bodenplatte und der Glasfront besteht es komplett aus Holz, das als Baustoff im Gegensatz zu Stahl oder Beton eine positive Klimabilanz vorweisen kann. Die 800 Kubikmeter Holz für die Fassade aus Weißtanne und das Fichtenholz im Inneren stammen aus der Region, was den ökologischen Fußabdruck klein hält. Langfristig werden dadurch circa 800 Tonnen CO2 gebunden. Die im Innenraum eingesetzten Elemente aus Moos, eine raumhohe Wasserwand und Akustikelemente aus Holz, verbessern das Raumgefühl, reduzieren den Lärmpegel und schaffen ein natürliches Ambiente. Im Bereich der Lebensmittelkühlung gelang die Abkehr von umweltschädlichen Kältemitteln hin zur effizienten und natürlichen Alternative.
Energetisch noch eine Stufe anspruchsvoller ist die neue Produktionsstätte im Gewerbegebiet St. Peter. Hier wurde nach KfW-40-Standard gebaut. Die obere Ebene besteht aus Massivholz und Holzrahmenbauwänden. Ein optisches Highlight bildet die Fassade mit fächerartigen Lamellen aus rund 900 Quadratmeter heimischer Weißtanne. Auf dem Dach erzeugt demnächst eine Photovoltaikanlage Strom. Die Wärmerückgewinnung aus den Öfen sorgt für die Beheizung sowohl der Produktion als auch des angrenzenden Wohnhauses. Johannes Ruf, der das Familienunternehmen in vierter Generation führt, liegt das Thema Nachhaltigkeit sehr am Herzen. Mit Landwirten aus der Region baut er seit 2017 eigenes Getreide in traditioneller Dreifelderwirtschaft an. „Durch den heimischen Anbau von Getreide bleibt die Wertschöpfung in der Region, die Wege sind kurz und unsere Kundschaft kann dem Brot bereits beim Wachsen zusehen“, erklärt Johannes Ruf sein Nachhaltigkeitskonzept. Für sein Ur-Dinkelbrot erfolgen bereits alle Stufen der Broterzeugung im Umkreis von nur 31 Kilometern.
Von Backbetrieb über Bürstenproduktion bis zur Hotellerie: Völlig emissionsfrei wirtschaften gelingt in den allermeisten Fällen im Moment noch nicht. Aber wichtige Schritte in Sachen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit werden längst in vielen Ecken der Region getan.
Text: Daniela Becker
Bild (ganz oben): Adobe Stock – fotopic
Bilder: Megu-Mitarbeiter beim Schmelzvorgang. Der Strom hierfür stammt aus der betriebseigenen Photovoltaikanlage. (Oben)
Steven Bier (rechts) und sein Mann Christopher haben das in die Jahre gekommene Hotel Lamm aufwendig energetisch ertüchtigt. (Mitte)
Schön anzusehen und ökologisch verträglich: Die der Beckesepp-Markt in Sölden. ©Markus Edgar Ruf | KURIARCHITEKTEN (Unten)
Contracting: Energielösungen für den Handel
Eine Befragung der Klimaschutzoffensive des Handels aus dem Jahr 2019 hat aufgezeigt, dass der Mieterstatus ein zentrales Hemmnis für die Durchführung von Energieeffizienzmaßnahmen darstellt. Das sogenannte Mieter-Vermieter-Dilemma entsteht, da die hohen Investitionskosten für energetische Gebäudesanierungen zunächst von der vermietenden Partei alleine getragen werden müssen, ohne dass sich daraus unmittelbare Vorteile ergeben. Denn die verringerten Energiekosten kommen nicht der vermietenden, sondern der mietenden Partei zugute, welche die Heiz- und Stromkosten trägt.
Contracting ermöglicht ein Vertragsmodell, das einen fairen Ausgleich zwischen beiden Parteien findet, sodass alle Beteiligten von zukunftsfähigen Lösungen profitieren.
Im Zuge der Energiewende werden Energielösungen komplexer. Egal, ob Austausch von fossilen Heizungsanlagen gegen grüne Lösungen, eine neue effiziente Lüftungstechnik oder energiesparende Kälteanlagen: Oft handelt es sich um Maßnahmen, die intelligent in ein Gesamtkonzept integriert werden müssen, damit sie ihr gesamtes Energiesparpotenzial entfalten. Nicht selten sind mit solchen Maßnahmen zudem hohe Anfangsinvestitionen verbunden, die sich erst über einen längeren Zeitraum finanziell auszahlen. Insbesondere im Handelsbereich ergeben sich für Unternehmer, die ihr Geschäft in einer gemieteten Immobilie betreiben, in der sie nur wenig Einfluss auf den Ersatz von Energie-Anlagentechnik haben, weitere Herausforderungen. Energie-Contracting ist ein Instrument, das eine flexible und effiziente Umsetzung von Energiesparmaßnahmen ermöglichten soll. Dabei gibt es unterschiedliche Ausgestaltungsformen:
Beim Energieliefer-Contracting versorgt ein Energiedienstleistungsunternehmen eine Liegenschaft mit der benötigten Energie. Der Contractor kann ein Energieversorger, Energiedienstleister, eine Energieagentur, ein Anlagenbauer oder ein Handwerksunternehmen sein. Der Auftrag kann die Lieferung von Kälte, Wärme, Strom, Druckluft oder andere Formen von Energie umfassen. Die Anlage vor Ort wird vom Contractor betrieben. Der Bezug von Energie über einen Dritten hat für den Kunden den Vorteil, dass er nicht in eine Energieanlage investieren muss und das eingesparte Geld anderweitig einsetzen kann. Contracting-Verträge sind aufgrund der hohen Investitionskosten des Contractors längerfristig angelegt. Der Vorteil besteht insbesondere darin, dass der Contractor alle Aufgaben und das gesamte Risiko, zum Beispiel außerplanmäßige Reparaturarbeiten, übernimmt.
Eine weitere Möglichkeit ist Anlagen-Contracting mit geteiltem Grundpreis. Beispiel: Ein Händler ist Mieter einer Verkaufsfläche in einem Gebäude, in dem eine Ölheizung für Wärme sorgt. Die Aufwertung dieser Heizungsanlage durch einen neuen Gaskessel ließe sich einfach realisieren. Für den Vermieter könnte das wie eine sinnvolle Energieeffizienz-Lösung wirken. Für den Mieter, der die Heizkosten zu tragen hat, die durch den CO2-Preis stetig steigen, wäre ein vollständiger Verzicht auf fossile Energie sinnvoller. Nach einem Gespräch ist der Vermieter bereit, die veraltete Anlage zu erneuern. Er möchte aber nicht die Mehrinvestitionen tragen, die für eine tatsächlich „grüne Lösung“ nötig wären. Dies könnte beispielsweise eine Photovoltaikanlage in Kombination mit einer Wärmepumpe sein. Eine Möglichkeit ist nun, dass sich Mieter und Vermieter diese Mehrkosten über einen vereinbarten Grundpreis teilen. Das bedeutet, auf den Mieter entfallen die Kosten für die tatsächlich genutzte Energie sowie ein Grundpreis für Betrieb, Wartung und Instandhaltung. Er profitiert von langfristig günstigeren Energiepreisen. Der Vermieter bezahlt die andere Hälfte des Aufpreises gegenüber der Installation einer konventionellen „fossilen Anlage“.
Als Mieter einer Immobilie muss man bei der ökonomischen Betrachtung einer Maßnahme zudem auch die Mietvertragslaufzeiten miteinbeziehen. Eine komplexe Energielösung wie eine PV-Wärmepumpenkombination hat zumeist Vertragslaufzeiten und Abschreibungszeiträume zwischen zehn bis 20 Jahren. Bei einer kürzeren Mietvertragslaufzeit muss dies im vereinbarten Vertrag abgebildet werden.
Mehr Infos unter www.hde-klimaschutzoffensive.de – Contracting