Die Ausmaße der Coronapandemie konnte sich vor wenigen Wochen noch kaum einer vorstellen. Das Virus hat nahezu alle Bereiche der Wirtschaft infiziert. Auch Unternehmen, die nicht von Schließungen betroffen sind, bricht der Umsatz weg. Wir skizzieren einige wirtschaftliche Folgen der Coronakrise in der Region mit Berichten aus betroffenen Branchen – und auch ein paar Lichtblicken.
Reise und Touristik
Reisebüros und -veranstalter zählen zu den am stärksten betroffenen Unternehmen in der Coronakrise. Seit Mitte März finden keine Reisen mehr statt, die internationale Reisewarnung wurde zuletzt bis Mitte Juni verlängert. Noch ist unklar, wo im Sommer wieder Urlaub gemacht werden kann. Laut einer Pressemitteilung des Deutschen Reiseverbands von Ende April sind zwei Drittel der Reisebüros und Veranstalter, darunter vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, in ihrer Existenz bedroht, drei Viertel hätten Kurzarbeit angemeldet. Auch das Reisebüro Stiefvater aus Weil am Rhein, das sieben Standorte in der Region unterhält und 75 Mitarbeiter beschäftigt, hat für einen Teil von ihnen Kurzarbeit angemeldet. Der andere Teil indes arbeitet auf Hochtouren: Seit Mitte März sind sie damit beschäftigt, Reisen, die in den vergangenen Monaten gebucht wurden, zu stornieren oder für den Herbst umzubuchen. Mit dieser Arbeit verdient das Unternehmen aber kein Geld. Zudem verliert es die eingeplanten Provisionen und damit den Lohn für die geleistete Arbeit der vergangenen Monate. „Der Veranstalter zahlt uns die Provision in der Regel erst, wenn der Kunde anreist, nicht wenn er bucht“, sagt Aron Stiefvater, der das 1972 gegründete Unternehmen in zweiter Generation führt. Das Reisebüro macht 95 Prozent seines Umsatzes mit Pauschalreisen in Europa und Individualreisen weltweit. Neue Buchungen für das laufende Jahr gibt es bislang kaum. Aron Stiefvater setzt darauf, 2021 wieder durchstarten zu können. „Wir sind gut aufgestellt“, sagt er. Auch wenn das Familienunternehmen über Reserven verfüge, komme es ohne Liquiditätshilfen nicht aus.
„Wir versuchen uns durchzukämpfen“, sagt Gerd Deininger, der seit 25 Jahren die Aventoura GmbH in Freiburg betreibt, einen Veranstalter für Reisen nach Kuba und andere lateinamerikanische Länder. In der zweiten Märzhälfte hatten er und seine 22 Mitarbeiter in der Zentrale alle Hände voll zu tun, um innerhalb kurzer Zeit hunderte von geplanten Reisen stornieren zu können. „Das Fatale ist, dass wir vieles, was wir in den letzten Wochen und Monaten erarbeitet haben, rückabwickeln. Wir verdienen nichts, es verursacht nur zusätzliche Kosten“, sagt Deininger, der auch Niederlassungen auf Kuba und Costa Rica mit 15 Mitarbeitern unterhält. Inzwischen sind fast alle Freiburger Beschäftigten in Kurzarbeit, die wenigen Anrufe und E-Mails beantwortet er mit seiner Frau und der Auszubildenden. In diesem Jahr rechnet Deininger mit „keinem nennenswerten Absatz und Umsatz“. Er sagt: „Es wird schwer, ohne jegliche Erträge lange durchzuhalten, obgleich wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben.“ Deininger hofft, dass 2021 wieder die ersten Fernreisen stattfinden können und sich auch das Geschäft von Aventoura „deutlich wiederbelebt“.
Hotellerie und Gastronomie
Acht Wochen Schließung lagen Anfang Mai hinter der Hotellerie und Gastronomie. Nach anfänglichem Schock hatten manche ihre Betriebe ein bisschen renoviert und einige Restaurants mit Take-away-Angeboten etwas Umsatz generiert. Aber die Anspannung und die Unsicherheiten wuchsen deutlich in der Branche. Zu Redaktionsschluss am 8. Mai gab es zwar die Ankündigung, die Gastronomie ab Mitte Mai und die Hotellerie bis Pfingsten wieder hochzufahren. Doch Details dafür fehlten. Und die brauchen Wirte und Hoteliers für die Planung: „Wie viel soll ich einkaufen, von welchen Gästezahlen ausgehen und wie viele Mitarbeiter zurückholen?“ Das fragte sich auch Michael Steiger, der drei Irish Pubs in Villingen, Schwenningen sowie Tuttlingen betreibt und seine Branche als Vorsitzender des Tourismusausschusses der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg sowie im Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) vertritt. „Wir müssen das jetzt sorgfältig wirtschaftlich denken“, mahnt Steiger. Das sei die größte Herausforderung in der Wiederöffnungsphase, dafür brauche es viel Planung. Steiger rechnet mit 50 Prozent weniger Kapazität. Wie aber macht man ausreichend Umsatz mit so viel weniger Gästen? Steiger erwägt zwei oder sogar drei „Sitzungen“, also Tischbelegungen pro Abend mit entsprechenden Anfangs- und Endzeiten bei den Reservierungen. Allerdings sind die Öffnungszeiten noch nicht geklärt, und davon hängt auch hier wieder die Planung ab. Stand 8. Mai blieben also etliche Ungewissheiten und die Sorge um die wirtschaftliche Zukunft, zumal weiterhin wichtige Einnahmequellen wie Familienfeste und Tagungen fehlen. Immerhin: Die von der Landesregierung angekündigten Hilfen und die vom Bundeskabinett beschlossene Senkung der Mehrwertsteuer für Speisen von 19 auf 7 Prozent (siehe auch Seite 54), die der Dehoga seit Langem fordert, wurden in der Branche sehr begrüßt. Die Umstellung der Kassen sei kein großer Aufwand, sagt Steiger – „das machen die Gastronomen gerne“.
Einzelhandel
Etwas besser sieht es bei den Einzelhändlern aus, denn die dürfen seit 20. April in großen Teilen wieder ihre Geschäfte öffnen. Die ersten Wochen sind freilich verhalten gestartet. Philipp Frese, Präsident des Handelsverbands Südbaden und Vorsitzender des Handelsausschusses der IHK Südlicher Oberrhein, rechnet mit einer dreimonatigen Wiederanlaufzeit, in der die Umsätze zwischen 40 und 70 Prozent des normalen Niveaus liegen. Dann folge eine Normalisierungsphase mit 60 bis 80 Prozent des regulären Umsatzes, und erst Richtung Spätjahr, so Frese, könnten die Umsätze im Einzelhandel wieder auf Vorjahresniveau liegen – „wenn es gut läuft“. Besonders hart trifft es Mode- und Schuhhändler, für die das Frühjahr normalerweise eine sehr ertragsstarke Zeit ist und die ihre während der rund vierwöchigen Schließung entstandenen Ausfälle kaum aufholen können. Aus seinen zwei Unternehmen weiß Frese um die immensen Liquiditätsprobleme der Einzelhändler. Er betreibt ein Betten- und ein Raumausstattungsgeschäft in Freiburg. Die Kosten des Bettenhauses seien während der Schließung nur um ein Drittel geringer als normal gewesen, während der Umsatz auf zwölf Prozent sank. „Ohne Einnahmen schmilzt die Liquidität wie Schnee in der Sonne“, konstatiert Frese. Daran hätten auch Hol- und Lieferdienste wenig geändert. Im Onlinehandel dominieren die großen Anbieter, beobachtet Frese. Er weiß von regionalen Händlern, die auch in ihren Onlineshops Einbußen während der Schließung hatten. Gerade für größere Modehändler seien die Einbrüche dramatisch. „Sie werden Jahre brauchen, um das zu überwinden“, glaubt Frese. Denn die Umsätze steigen jetzt nur sehr zaghaft. Viele Feste und andere Anlässe, für die Menschen sich neu einkleiden, fallen weg. Zudem trüben Gehaltseinbußen aufgrund von Kurzarbeit die Konsumlaune. Selbst einige Lebensmitteleinzelhändler, die durchgehend offen waren, büßten Umsatz ein, vor allem in Grenznähe zur Schweiz und zu Frankreich, wo die Einkaufstouristen ausblieben.
Industrie
Eine Umfrage der Medical Mountains GmbH in Tuttlingen und der Medizintechnik im Industrieverband Spectaris, Mitte April bei fast 100 Unternehmen der Branche erhoben, ergab, dass 60 Prozent eine deutlich geringere Nachfrage nach medizintechnischen Produkten verzeichnen und fast die Hälfte logistische Engpässe beklagt. Bei einem Hochfahren der Wirtschaft ab Juni rechnen die Firmen im Verhältnis zum Vorjahr mit einem Einbruch des Gesamtumsatzes 2020 von durchschnittlich 18 Prozent. Bei einem Lockdown bis August wird sogar ein Minus von 28 Prozent für möglich gehalten. Ein kompletter globaler Stillstand wird für eher unwahrscheinlich erachtet, von zunehmenden Anfragen aus China wird berichtet. Wie die Medical-Mountains-Geschäftfsführerinnen Yvonne Glienke und Julia Steckeler betonen, werden vor allem das Kurzarbeitergeld (61 Prozent der Befragten) und Steuerstundungen (54 Prozent) als sehr relevant betrachtet. Mit Blick in die Zukunft, sagt Martin Leohnhard von der Firma Karl Storz (Vorsitzender der Medizintechnik von Spectaris), müsse die Politik die Stärken der Branche wie mittelständisches Unternehmertum, Innovationsgeist und internationale Ausrichtung mit entsprechenden Aktivitäten unterstützen.
Bert Sutter, Chef der Firma Sutter Medizintechnik (mehr als 15 Millionen Euro Umsatz, 120 Mitarbeiter, Hersteller von Radiofrequenzsystemen und bipolaren Pinzetten) stellt fest, dass die Unternehmen seiner Branche sehr heterogen von der Coronakrise betroffen sind. Dies vor allem deswegen, weil nicht lebensnotwendige Maßnahmen in den Kliniken aufgeschoben wurden, um Kapazitäten für vom Virus betroffene Patienten freizuhalten. Deshalb gab es weniger Verkäufe beispielsweise von Implantaten oder Verbrauchsmaterialien. Profitiert hätten natürlich Hersteller von Beatmungsgeräten und Schutzkleidung. Nach einem sehr guten ersten Quartal gingen bei Sutter Medizintechnik die Auftragseingänge im April um circa 25 Prozent zurück, der Mai wird vermutlich noch dramatischer. Da der Auftragsbestand indessen für mehrere Monate reicht, produziert die Firma durch und erhöht die Lagerbestände. Für die nahe Zukunft rechnet Bert Sutter eher „mit einer Delle von zwei bis drei Monaten als mit einem Strömungsabriss“.
Die Automobilhersteller und ihre Zulieferer beschreibt Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des WVIB, dessen über 1.000 Mitglieder zu etwa einem Drittel Zulieferer sind, als eine Industrie, die „nie gewackelt hat“, die an starke Zyklen, wie sie etwa der Maschinenbau immer wieder erlebt, kaum gewöhnt ist. Und sie habe die Probleme der Vorjahre wie den Dieselskandal, die technologischen Umwälzungen und die Zollauseinandersetzungen zwischen den großen Wirtschaftsblöcken dieser Welt noch nicht bewältigt. Hinzu käme, dass der weltweite Absatz von Pkw und Transportern rückläufig sei. Vor diesem Hintergrund habe das Virus die Branche ziemlich getroffen, auch wenn die Automobilhersteller jetzt langsam wieder hochführen. Münzer hält ein Schrumpfen des Umsatzes bis zum Jahresende 2020 bei den Zulieferern im zweistelligen Bereich für möglich, bei manchen mehr, bei den meisten jedoch weniger. Das während der vergangenen zehn Jahre aufgebaute Eigenkapital werde sicher abschmelzen, es handele sich insgesamt „aber nicht um das Ende des Mittelstandes im Schwarzwald“.
Vorsichtig drückt sich Dieter Lebzelter, Vorstand von IMS Gear in Donaueschingen (Zahnrad- und Getriebespezialist, 533 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2018, 3.700 Mitarbeiter weltweit), aus. Während man Anfang des Jahres mit im Vergleich zum Vorjahr leicht steigenden Umsätzen gerechnet habe, hat die Wucht und Geschwindigkeit, mit der die Coronapandemie Wirtschaft und Gesellschaft weltweit erfasst hat, diese Planung zur Makulatur werden lassen, so Lebzelter. Das erste Quartal und vor allem der April seien von einem starken Umsatzeinbruch geprägt gewesen, weshalb IMS Gear neben anderweitigen kostensenkenden Maßnahmen im März Kurzarbeit eingeführt habe. Eine Prognose, ob und wie schnell sich die Märkte wieder erholen, gleicht nach Lebzelters Worten dem sprichwörtlichen Blick in die Glaskugel. Wovon er aber ausgeht: Anders als in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/8 wird sich der Markt im Automotivebereich dieses Mal nur langsam erholen. Für fraglich hält er zudem, ob und wann der Markt die Größenordnung wieder erreicht, die er vor der Krise hatte. Anfang Mai fuhren zwar die Automobilproduzenten und in ihrem zeitlichen Gefolge auch die Systemlieferanten und Zulieferer die Produktion wieder hoch. Dieser Prozess wird aber laut Lebzelter mehrere Wochen, wenn nicht gar Monate in Anspruch nehmen. Immerhin sei der Automobilmarkt in China mittlerweile wieder auf einem, wenn auch überschaubaren Wachstumspfad. Ob sich dieser Trend verfestige und ob die Märkte in Europa und Nordamerika folgen, sei abzuwarten.
Spedition und Logistik
Auch an der Speditions- und Logistikbranche ist die Pandemie „nicht spurlos vorbeigegangen“, berichtet Christian Bücheler, geschäftsführender Gesellschafter der Transco Singen Süd Internationale Transporte GmbH und Vollversammlungsmitglied der IHK Hochrhein-Bodensee. Transco betreibt mit 600 Mitarbeitern Lagerhaltung unter anderem für pharmazeutische und Lebensmittelproduzenten sowie die Hightech-, Sanitär- und Stahlindustrie und ist im Bereich Spedition und Transport (100 Zugmaschinen, 400 Sattelauflieger) europaweit unterwegs. Transco fährt vor allem in die Schweiz, nach Italien, England und in osteuropäische Länder. Im Logistikbereich verzeichnete Bücheler Anfang Mai Umsatzeinbrüche von 40 Prozent. Die für Automotivekunden tätigen 50 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, nachdem Urlaub und Überstunden abgebaut waren. Im Speditionsbereich liegen die Umsatzrückgänge ebenfalls bei 40 Prozent, mit einzelnen Ländern wie Italien, England und Frankreich, wo die meisten Abnehmerunternehmen geschlossen sind, bei 70 Prozent. Die Wartezeiten an den Grenzen sind hoch, viele Fahrer wollen deshalb derzeit (Anfang Mai) nicht unterwegs sein. In Deutschland liegt der Umsatzrückgang bei 20 Prozent. Die Transporte im Pharmazie- und im Lebensmittelbereich laufen „normal“, so Bücheler. Erste Besserungen erwartete er ab Mitte Mai. Büchelers Erfahrungen mit KfW-Krediten sind gut, sie gingen schnell über die Bühne. Größtes Problem derzeit: „Es gibt keine Planbarkeit.“
Die Firma Anselm Winterhalter in Oberried, Spedition/Bustouristik und Reisebüro, hat ebenfalls massive Einbrüche zu verzeichnen. Inhaber Martin Rombach, der Vollversammlungsmitglied der IHK Südlicher Oberrhein ist, berichtet von vierzigprozentigen Umsatzrückgängen im Speditionsgeschäft, in dem vor allem Bitumen und Mineralöle transportiert werden. Hier leidet das Geschäft mit den Tankstellen, während der Bitumentransport aufgrund der guten Beschäftigung des Straßenbaus auf befriedigendem Niveau rangiert. Winterhalter beschäftigt in normalen Zeiten 200 Mitarbeiter und verfügt über 85 Lkw. In der Bustouristik und im Buslinienverkehr fährt das Unternehmen üblicherweise mit 15 Bussen, zehn davon sind derzeit abgemeldet, der Umsatzrückgang bewegt sich hier bei 70 bis 80 Prozent, so Rombach. Dreiviertel der Busfahrer sind in Kurzarbeit. Reisebusverkehr gibt es gar nicht (aufgrund des Verbots bis 15. Juni), einige Linienfahrten finden nach dem Ferienfahrplan des RVF (Regionalverkehrsverbund Freiburg) statt, demnächst wohl wieder auch ein geringer Schülerverkehr. Die Fahrer in den Bussen sitzen in abgeriegeleten Fahrerhäuschen, die Fahrgäste müssen weit auseinander sitzen. Die Kurzarbeitsmaßnahmen der Bundesregierung helfen, mit dem Verhalten seiner Bank ist Rombach derzeit zufrieden. Ganz schlecht hingegen läuft das Reisebürogeschäft, berichtet Rombachs Schwester Barbara Durst. Hier ist „Land unter“. Stornierungen werden bearbeitet, die Rückerstattungen sind kompliziert, die Provisionen müssen zurückgegeben werden. Die Büros können aufgrund des Stornierungsgeschäftes nicht in vollem Umfang Kurzarbeit anmelden und haben letztendlich die doppelte Arbeit: „Buchen und Rückabwicklung für nichts.“
Banken
Einen „enormen Beratungsbedarf der Kunden“ stellt Wolf Morlock, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Hochrhein in Waldshut (3,3 Milliarden Bilanzsumme, 517 Mitarbeiter), fest. 600 Firmenkundenkontakte haben die Mitarbeiter täglich zu bewältigen, normal sind 300. Rund 1.000 Darlehensanträge und Nachfragen nach Tilgungsaussetzungen hat die Sparkasse seit Beginn des Lockdowns bis Anfang Mai bearbeitet. Die KfW-Programme beurteilt Morlock, der auch Vizepräsident der IHK Hochrhein-Bodensee ist, als recht präzise zugeschnitten und sehr hilfreich. Viele Firmenkunden hätten eine gute Substanz und seien überlebensfähig, ihre Reserven würden jedoch schnell aufgebraucht. Besonders betroffen seien beispielsweise die Reisebranche, die Gastronomie, der Messebau und die Unterhaltungsbranche – also Bereiche, die keinerlei Einnahmen haben. Für den Handel, auch wenn er wieder öffnen durfte, komme entlang des Rheins die Grenzschließung erschwerend dazu: Schweizer Kunden, die sonst einen Gutteil der Umsätze bringen, dürfen nicht mehr kommen. Auch die Soforthilfe von Land und Bund via L-Bank bewertet Morlock sehr positiv, ebenso die Arbeit der IHK. die Gelder aus den Hilfsprogrammen seien schnell geflossen.
Die Risikopolitik seines Instituts habe sich gegenüber Vor-Coronazeiten nicht geändert. Wesentlich bei der eigenen Kreditvergabe sei die Zukunftsperspektive der Kunden. Die Sparkasse habe eine sehr gute Eigenkapitalausstattung, was Spielraum gäbe, die Kunden zu unterstützen. Die Risikoentwicklung sei aktuell stabil, lasse sich aber frühestens zum Jahresende besser abschätzen. Im Unterschied zur Krise 2008, als die Bankenbranche Verursacher war, habe sie heute die Chance, sich als Helfer für den Mittelstand zu profilieren.
Der Wirtschaftsstruktur der Stadt entsprechend, sind in Freiburg von der Coronakrise Tourismus und Handel besonders betroffen, Bauträger sowie bauhandwerkliche Betriebe dagegen nur wenig tangiert. Das sagt Volker Spietenborg, Vorstandsmitglied der Volksbank Freiburg (3,35 Milliarden Euro Bilanzsumme, 412 Mitarbeiter). Seine Bank hat bereits Ende Februar die ersten Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Große Filialen hat man geschlossen, kleinere offen gehalten, die Teams voneinander getrennt. Wie viele andere Dienstleister und Händler auch, hat die Volksbank Plexiglasscheiben installiert, Masken verteilt und keine größeren Meetings mehr veranstaltet.
Die große Herausforderung der Volksbank im Bereich ihrer Firmenkunden ist die Liquiditätsversorgung, so Spietenborg. Die Kundenteams beraten intensiv über KfW-Programme. Bislang hat man 700 Anfragen von der Ratenaussetzung bis zum auf das einzelne Unternehmen zugeschnittenen Kredithilfeprogramm erhalten und 500 bearbeitet. Die Kredite reichten vom niedrigen fünfstelligen bis zum Millionenbetrag. Bis Anfang Mai wurde über die Volksbank Freiburg ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag ausgegeben. Was das eigene Kreditgeschäft betrifft, so ist sich Spietenborg aufgrund der guten Eigenkapitalausstattung und der entsprechenden Robustheit der Bank sicher, den Mittelstand weiterhin wie gewohnt versorgen zu können. Die Wertberichtigungen für 2020 und auch 2021 würden gegenüber den Vorjahren wegen Kreditausfällen sicher steigen. Das Provisionsgeschäft leide derzeit.
Text: kat, mae, upl
Bilder: sorbetto – iStock; Thomas Kunz; Graphikbuero GEBHARD | UHL
Lichtblicke
Die Philipp Kirsch GmbH verzeichnete Anfang April einen deutlich erhöhten Auftragseingang. Das Offenburger Unternehmen entwickelt und produziert medizinische Kühlgeräte für die Lagerung von Medikamenten, Laborproben und Blutkonserven. Weil aufgrund der Coronapandemie vielerorts Krankenhäuser aufgestockt und ausgebaut wurden, stieg die Nachfrage nach diesen Geräten in Deutschland und weltweit. Die Kunden würden am liebsten die ganzen Bestände aufkaufen, doch die gebe es nicht mehr, berichtet der geschäftsführende Gesellschafter Jochen Kopitzke. Kirsch produziere so gut wie nicht fürs Lager, und auch die kleinen Bestände wie Rückläufer seien bereits vergriffen. Um die vielen Bestellungen zu bewältigen, fahre man in bestimmten Bereichen Zusatzschichten. Es sei indes schwer absehbar, wie sich die Situation weiterentwickelt. Einerseits gebe es zum Teil Engpässe bei manchen zugekauften Komponenten, beispielsweise Temperaturfühlern. Andererseits seien viele normale Projekte auch bei Kirsch ins Stocken geraten, zumal viele Kliniken nicht betreten werden durften. Anfang April hatten die zusätzlichen Aufträge das allerdings noch überkompensiert, so Kopitzke.
Messen und damit Messebauer zählten zu den ersten, die massiv von der Coronapandemie getroffen wurden. Anfang März hatte Ralf Brotte, Inhaber der Firma Externe Messeabteilung in Denzlingen, bereits Kurzarbeit für seine 14 festen Mitarbeiter beantragt. Doch übers Wochenende kam ihm ein Gedanke, der den Shutdown wieder beendete: „Wie kann man Kassiererinnen vor dem Virus schützen?“, fragte sich Brotte und entwickelte sodann gemeinsam mit Edeka Rees eine Schutzwand aus Plexiglas, eine Art Spuckschutz für jeden Kassentyp. Zuerst für die sechs Standorte von Rees, bald für viele weitere Lebensmitteleinzelhändler und für Metzgereien, mittlerweile auch für Physiotherapeuten, Friseure, Arztpraxen, Copyshops oder Hotels. Anfangs dachte man, es brauche die mobilen Trennwände nur vorübergehend. Jetzt wird längerfristig damit geplant, deshalb sind sie hochwertiger geworden. Das Geschäft sichert der Externen Messeabteilung das Überleben. Denn Messen wird es noch auf absehbare Zeit nicht geben, glaubt Brotte. Die Hälfte seiner Mitarbeiter konnte der Firmenchef schon aus der Kurzarbeit holen, die andere Hälfte soll bald folgen. „Veränderungen bringen auch immer Chancen“, sagt Brotte, der seit 35 Jahren im Messebau arbeitet und vor 15 Jahren seine Firma gegründet hat.
Als zu Beginn der Pandemie der Bedarf an Desinfektionsmittel explodierte, fehlte es vielfach am dafür nötigen hochprozentigen Alkohol. Bei der Überbrückung der Engpässe halfen einige Brennereien aus der Region. Schladerer aus Staufen beispielsweise brannte 12.000 Liter aus seinen Lagerbeständen erneut, um hochprozentigeren Alkohol zu erhalten. Diesen verarbeitete ein bayerischer Hersteller zu Desinfektionsmittel für die Freiburger Uniklinik. Auch andere Obstverschlussbrenner in der Region halfen Krankenhäusern und Apotheken mit ihren Beständen an Neutralalkohol aus, den sie normalerweise zur Herstellung von Himbeergeist oder Gin verwenden, berichtet Harald Brugger. Um einen neuen Geschäftszweig ging es dabei indes nicht, betont der Geschäftsführer des Verbands der Obstverschlussbrenner. Das sei von den Kapazitäten auch gar nicht machbar. Die badischen Obstverschlussbrenner produzieren gut zwei Millionen Liter Schnaps pro Jahr, während man den Mehrbedarf an Reinalkohol für Desinfektionsmittel während der Pandemie auf 20 Millionen Liter schätzt – monatlich. Die Brennereien in der Region haben laut Brugger vorübergehend ausgeholfen. Der Antrieb sei soziale Verantwortung gewesen, nicht die Absicht, Geld zu verdienen.
kat
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