Den Tank und den Bauch füllen, die Blase leeren oder einfach mal Pause machen: Raststätten erfüllen recht grundlegende Bedürfnisse von Reisenden. Ein regionaler Blick in die Branche zeigt, womit die Betreiber ihr Auskommen verdienen und welche Themen ganz oben auf ihrer Agenda stehen.
Reisende im Pkw machen sie freiwillig, bei Lkw-Fahrern regeln die gesetzlichen Vorgaben für Lenk- und Ruhezeiten die Pausen: Nach viereinhalb Stunden muss der Fahrer eine dreiviertel Stunde rasten, einmal täglich elf Stunden Pause machen und alle sieben Tage mindestens einmal außerhalb des Fahrzeugs übernachten. Karl-Heinz Schneider kennt die Regeln genau und weiß deshalb um die Bedürfnisse der Fahrer. Der 68-Jährige arbeitet seit Jahrzehnten im Tankstellengeschäft. Im kleinen Büro hinter dem Tresen seines Europa-Park-Rasthofs an der Ausfahrt Herbolzheim der A 5 erzählt er bei Espresso und Zigarillo von seinem Berufsleben.
Schneider ist im Freiburger Stadtteil Wiehre aufgewachsen, hat Kfz-Mechaniker gelernt, seinen Meister gemacht und 1977 eine Shell-Tankstelle samt Werkstatt eröffnet, die ersten Jahre in der Kronenstraße, dann im Stadtteil St. Georgen. 1985 verlegte er seine Geschäftstätigkeit in die Ortenau und übernahm in Kappel-Grafenhausen eine Tankstelle, die zum Autohof erweitert wurde – zunächst als Pächter, bald kaufte er die Tankstelle, die sich aufgrund ihres Standorts an der Autobahn sehr gut entwickelte. „Es war damals die umsatzstärkste Tankstelle in ganz Deutschland“, berichtet Schneider. „Zum Teil standen die Lkw bis zur A 5.“
Weil er in Kappel-Grafenhausen aber nicht expandieren konnte, kaufte er Anfang der 1990er-Jahre ein Grundstück nahe der damals neu entstehenden Anschlussstelle Herbolzheim. 1996 eröffnete er dort seinen zweiten, 50.000 Quadratmeter großen Standort: den Europa-Park-Rasthof, den viele am weithin sichtbaren Windrad erkennen. Den damit erzeugten Strom speist Schneider bislang ins Netz ein, ab kommendem Jahr soll er grünen Wasserstoff für eine neue Wassserstofftankstelle liefern. Investitionen in erneuerbare Energien und in Effizienz ziehen sich wie ein grüner Faden durch die Schneider’sche Firmengeschichte und reichen von der Solaranlage über die Grundwasserheizung beziehungsweise Kühlung bis zu den Strom- und Gaszapfsäulen sowie der sparsamen Waschanlage. Gerade weil er in einer Branche arbeitet, die der Umwelt viel abverlangt. „Ich habe Kinder und Enkel, ich mache mir Gedanken um die Zukunft“, sagt Schneider, dessen Söhne Maik-Thorsten und Dirk-Jens seit vielen Jahren im Familienunternehmen arbeiten.
Zu Schneiders Firmengruppe gehören heute die zwei Tankstellen, jeweils samt Lkw-Stellplätzen, Waschanlage, Shop und Restaurant, Hotels mit zusammen fast 300 Betten, Burger-King-Filialen und insgesamt rund 250 Mitarbeiter. Schneider ist sowohl Inhaber als auch Betreiber seiner beiden Tankstellen und damit ein Exot in der Branche. So verdient er zwar etwas mehr mit dem Kraftstoffverkauf als andere. Doch zu seinem Ertrag steuern längst die weiteren Geschäftsbereiche deutlich mehr bei, vor allem die Hotels. Hier übernachten viele Urlauber aus Skandinavien und den Niederlanden. Knapp ein Drittel der Gäste sind Geschäftsreisende, auch Lkw-Fahrer. Einige Speditionen mieten in Schneiders Häusern dauerhaft Zimmer, denn wenige andere Hotels können Lkw-Parkplätze anbieten. Schneider hat 120 in Herbolzheim und 50 in Kappel-Grafenhausen.
Rastanlagen und Autohöfe
Damit alle Verkehrsteilnehmer notwendige Erholungspausen machen können, schreibt das Bundesfernstraßengesetz Parkplätze und bewirtschaftete Rastanlagen, sogenannte Nebenbetriebe, vor. Durchschnittlich alle 50 bis 80 Kilometer sind bewirtschaftete Betriebe vorgesehen. Rund 430 sind es entlang des rund 13.000 Kilometer umfassenden deutschen Autobahnnetzes. Die Konzessionen dafür werden bislang von den Straßenbauverwaltungen der Länder vergeben (ab 2021 von der Autobahn GmbH in Vertretung des Bundes). Diese schließen mit privaten Dritten einen standortspezifischen Konzessionsvertrag, der die gegenseitigen Rechte und Pflichten regelt, zum Beispiel Betriebspflicht, Öffnungszeiten, Vertragslaufzeit. Der Konzessionär zahlt an den Bund eine absatzabhängige Konzessionsabgabe.
Anders sieht es bei den rund 220 Autohöfen aus, die nicht direkt an der Autobahn liegen, sondern über Anschlussstellen erreichbar sind. Sie werden privatwirtschaftlich und ohne öffentlich-rechtliche Bindung oder Betriebspflicht betrieben. Ihr Kundenkreis ist nicht auf die Verkehrsteilnehmer der Bundesautobahnen beschränkt. Es gibt keine rechtsverbindliche Normierung für Autohöfe und ihre Aufgaben.
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Quelle: Bundesverkehrsministerium/Regierungspräsidium Freiburg
Durchschnittlich 20.000 Euro hat er für jeden Platz investiert, weil er davon ausging, dass die Lkw dann auch bei ihm tanken. Doch mittlerweile sind die Fahrzeuge sparsamer und die Tanks größer geworden, sodass die Laster von Polen bis Spanien mit einer Füllung kommen. Die zehn Euro Gebühr, die die Trucker bei Schneider zahlen und von denen sie sechs Euro als Wertgutschein im Restaurant anrechnen können, finanziert diese Investition nicht.
Oskar Dold, Inhaber der gleichnamigen Spedition und Vorsitzender des Verbands des Verkehrsgewerbes Baden (VVB), hat für seinen 5.000 Quadratmeter großen Lkw-Parkplatz am Hauptsitz in Buchenbach nahe Freiburg rund eine Million Euro investiert. Hier wie an den anderen fünf Standorten der Spedition in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gibt es nicht nur ausreichend Parkplätze, sondern auch Toiletten, Duschen und Kaffeeküchen für die knapp 50 fest angestellten eigenen Fahrer. Dold hat sich auf schnelle regionale Transporte spezialisiert. So behauptet er sich gegen billigere, vor allem osteuropäische Konkurrenz und punktet bei seinen Fahrern, was angesichts des Fachkräftemangels in der Branche immer wichtiger wird. Denn die Logistik ist so organisiert, dass die Fahrer fast immer abends daheim sein oder im eigenen Niederlassungsnetz übernachten können. „Das ist nicht nur deutlich bequemer, sondern oft auch sicherer als auf Rastplätzen“, sagt Dold. Frachtdiebstahl sei ein Dauerthema. Waren und Sprit im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro jährlich verschwinden laut Zahlen der „Arbeitsgemeinschaft Diebstahlprävention in Güterverkehr und Logistik“ durch aufgeschlitzte Planen.
Als Firmenchef hat Dold das Problem fehlender Lkw-Stellplätze intern gelöst. Als Verbandsvertreter setzt er sich indes für mehr Parkmöglichkeiten und neue Modelle ein. Zumal er weiß, dass viele Unternehmen keine finanziellen Spielräume haben, um sich selbst Parkplätze zu bauen. Eine alte Forderung des Verbands des Verkehrsgewerbes Baden (VVB) ist daher, dass sich die öffentliche Hand nicht nur bei den Nebenbetrieben der Autobahnen engagiert (siehe Kasten Seite 7), sondern sich auch an privaten Projekten beteiligt. In Rötenbach ist dies erstmals geschehen.
Von Freiburg kommend wenige Kilometer hinter der Gutachtalbrücke liegt sie idyllisch mitten in einem Waldstück des Hochplateaus zwischen Neustadt und Löffingen. Die Rastanlage Rötenbach an der B 31 ist in doppelter Hinsicht eine Premiere: Es ist die erste mit Bundesmitteln finanzierte Rastanlage, die an einer Bundesstraße statt einer Autobahn liegt. Und es ist das erste Projekt, für das sich die öffentliche Hand mit Privatinvestoren zusammengetan hat. In dem Fall waren das der französische Mineralölkonzern Total beziehungsweise seine deutsche Zentrale in Berlin und die Neustädter Unternehmerin Katrin Vollmer, die früher selbst als Tankstellenpächterin arbeitete. Sie will in Rötenbach neben der neuen Rastanlage ihr Projekt „Campovia“ mit Hotel, Veranstaltungsräumen, Gastronomie und Einzelhandel sowie einem Investitionsvolumen von mehreren Millionen Euro verwirklichen. Mit 600.000 Euro hat Vollmer sich bereits an den Erschließungskosten beteiligt, 7,9 Millionen Euro hat der Bund in die Anlage investiert. Ihm gehören die 40 Lkw-Stellplätze. Dass die Fahrer dort gratis parken und rund um die Uhr kostenfrei die Toiletten der Rastanlage nutzen dürfen, war denn auch eine Konzessionsauflage des Bundes.
Tatsächlich übernachten an Werktagen regelmäßig um die 50 Laster und Lenker bei ihm, berichtet Peter Kessler. Der 35-Jährige pachtet die Tankstelle samt Autowaschstraße, Bistro, Shop und Sanitäranlagen. Zuvor hatte er 14 Jahre angestellt für Total im Stuttgarter Raum gearbeitet und eine zweijährige vom Konzern finanzierte und IHK-zertifizierte Weiterbildung absolviert, um das nötige fachliche und betriebswirtschaftliche Know-how als Selbstständiger zu erlernen. Auch zum Startkapital steuerte Total knapp die Hälfte bei. Ende Juli 2019 wurde die Rastanlage für den Verkehr freigegeben. An der feierlichen Eröffnung konnten Peter Kessler und seine Frau allerdings nicht teilnehmen – sie mussten selbst im Laden stehen, weil ihnen kurzfristig Aushilfen abgesprungen waren. Mittlerweile beschäftigt das junge Unternehmen 14 Mitarbeiter, darunter sowohl Voll- und Teilzeitkräfte als auch Aushilfen.
Der Start war holprig und das erste selbstständige Jahr hart. Sie haben manches Mal im Geschäft übernachtet, um den 24-Stunden-Service gewährleisten zu können. Doch die neue Rastanlage wurde gut angenommen, und die Zahlen liefen nach Plan. Bis Corona den Verkehr auf der B 31 fast zum Erliegen brachte und den Kesslers 50 Prozent ihres Umsatzes wegbrach. Den erwirtschaften sie zum überwiegenden Teil mit Snacks, Süßigkeiten, Getränken, Knabbereien, Tabak, Zeitschriften und Souvenirs im Shop und Bistro. Von jedem verkauften Liter Sprit bleiben ihnen nur einstellige Centbeträge.
Es kommen ähnlich viele Lkw- wie Pkw-Fahrer, berichtet Kessler, während der Reisezeit dominieren Touristen. Tagsüber wirkt der große Parkplatz verlassen. Ab 16 Uhr füllen sich die Plätze, und morgens um 3 Uhr verlassen die ersten schon wieder ihr Nachtquartier. Die Trucker schätzen die neue Anlage samt Duschen sowie funktionierendem Internet und Satellitenempfang. Auch während des Lockdowns hat Peter Kessler den 24-Stunden-Betrieb aufrechterhalten. Das Geschäft erholt sich jetzt, ist aber noch nicht auf Vorkrisenniveau, berichtet er. Mitte Juni wartete er auf die Genehmigung von Soforthilfe, gab sich aber zuversichtlich: „Wir kommen da durch.“
Herbe Einbußen während der Coronazeit erlebte auch die ATR Südbaden GmbH. Das Umsatzminus ihrer vier Rasthöfe auf dem südlichsten Teil der A 5 lag bei etwa 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bad Bellingen ist die älteste und größte Anlage von ATR Südbaden. Traurige Bekanntheit erlangte der letzte deutsche Rasthof vor Basel Anfang der Nullerjahre aufgrund des ADAC-Raststättentests, bei dem er zweimal ganz unten landete. „Das lag an den Containern“, sagt Peter Grathwol gelassen, einer der beiden Geschäftsführer. Sie waren als Provisorium gedacht, viel zu lange geblieben und erst 2009 einem schicken, fast drei Millionen Euro teuren Neubau gewichen. Seither sind die schlechten Urteile passé. Die Investition finanzierte Tank und Rast (siehe Kasten). Dem ehemaligen Staatskonzern gehören sowohl die Flächen als auch die Gebäude samt Möbeln und Inventar. ATR Südbaden pachtet und betreibt sie, mittlerweile bereits in zweiter Generation.
Tank und Rast
Die Autobahn Tank & Rast Gruppe GmbH & Co. KG verfügt über 90 Prozent der Konzessionen für Nebenbetriebe (siehe auch Kasten Seite 7) an deutschen Autobahnen. Zu ihrem Netz zählen rund 360 Tankstellen und 400 Raststätten mit 50 Hotels sowie 17 Autohöfe. Die Anlagen betreibt Tank & Rast meist nicht selbst, sondern verpachtet sie an mittelständische Franchisepartner. Das zunächst staatliche Unternehmen ging 1994 aus der Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen und der Ostdeutschen Autobahntankstellengesellschaft hervor. 1998 wurde Tank & Rast privatisiert und seither mehrmals verkauft. Seit 2015 gehört es einem Konsortium um die Allianz-Tochter Capital Partner, die Munich-Re-Tochter MEAG, Omers Infrastructure, Infinity Investments SA und China Investment Corporation (CIC).
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Quelle: Tank& Rast
Erwin Grathwol, der zuvor wie sein Kollege Karl-Heinz Schneider eine Shell-Tankstelle in Freiburg betrieben hatte, gründete und führte den Betrieb von 1980 bis 1998. Mit dem Generationswechsel zu seinem Sohn Peter Grathwol und seinem Schwiegersohn Michael Nübling firmierte das Unternehmen zur GmbH um. 2007, 2008 und 2012 übernahm ATR zudem die Rasthöfe Schauinsland, Breisgau und Weil am Rhein und wuchs damit auf rund 200 Mitarbeiter. Eine typische Entwicklung: Entlang der A 5 zwischen Karlsruhe und Basel gibt es heute nur noch zwei Betreiberfirmen: die ATR Südbaden GmbH und die Kammerer KG in Baden-Baden, zu der alle fünf Rasthöfe nördlich von Freiburg gehören. Auch sonst hat sich einiges verändert seit der Privatisierung von Tank und Rast. Das Sortiment wurde standardisiert, die Sanitäranlagen kamen unter das Dach der Tochter Sanifair, und es gibt immer mehr Partnerschaften mit bekannten Marken wie Mc Donald’s, Burger King, Nordsee, Subway oder Starbucks.
Kritiker bemängeln regelmäßig die Monopolstellung und die hohen Preise, Grathwol und Nübling indes sehen die Vorteile der Entwicklung. „Das war der richtige Weg“, sagt Nübling. „Es hat uns Frequenz gebracht, vor allem, seit die Autobahnschilder auch auf das Angebot hinweisen.“ Das einheitliche Warenwirtschaftssystem erleichtere den Einkauf. Zudem seien die Toiletten früher ein großes Problem gewesen, berichtet Grathwol. Jetzt sind sie sauber, und das schätzen die Kunden. Seit den Investitionen in die Gebäude sei der Vandalismus zurückgegangen. „Je wertiger es aussieht, desto höher ist die Hemmschwelle“, sagt Grathwol. Auch mit den vielen Lkw-Fahrern, die auf den angegliederten Parkflächen übernachten, gebe es kaum Probleme.
Die wichtigsten Kunden sind Pendler, Geschäftsreisende sowie Urlauber. Und die wichtigste Einnahmequelle ist auch an der Autobahn keineswegs der Sprit. „Der Kraftstoff ist nur noch das Mittel, um die Gäste anzulocken“, sagt Nübling. Einträglich sind der Shop und die Gastronomie, die zusammen rund 80 Prozent des Ertrags ausmachen. Entsprechend hart schlug der Coronalockdown zu Buche. Mitte Juni hat ATR Südbaden – in Absprache mit Tank & Rast – ihre Restaurants wieder hochgefahren. Der erste Tag nach der Grenzöffnung zu den Nachbarländern verlief „extrem gut“ berichten Grathwol und Nübling. Jetzt hoffen sie, dass es so weitergeht.
Text: Kathrin Ermert
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Mangel an Lkw-Stellplätzen
Wenn die Wirtschaft wächst, nimmt der Güterverkehr zu, und das war seit mehr als zehn Jahren durchgehend der Fall. Daran hat auch der Coronalockdown nur kurz etwas geändert. „Die Zunahme des Güterverkehrs findet praktisch nur auf der Straße statt, weil wir in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht in die Alternativen wie die Schiene investiert haben“, sagt Norbert Uphues, Verkehrsexperte der IHK Südlicher Oberrhein. Die Straßen und die Rastanlagen seien nicht auf diese Zahlen ausgelegt.
Das Problem der unzureichenden Parkmöglichkeiten spitze sich deshalb seit Jahren zu. „Zwar werden neue Anlagen gebaut, aber die Zahl der Stellplätze wächst nicht in gleichem Maße wie der Verkehr“, sagt Yvonne Feißt, Verkehrsreferentin der IHK Hochrhein-Bodensee. Laut einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen von 2019 fehlen in Baden-Württemberg 3.027 Lkw-Abstellmöglichkeiten. Diese Zahl ergibt sich aus der Differenz zwischen den durchschnittlich in den Nachtstunden abgestellten Lastern (10.340) sowie der an bewirtschafteten und unbewirtschafteten Rastanlagen, Zollanlagen, Autohöfen sowie sonstigen Orten ermittelten Zahl der Abstellmöglichkeiten (7.313). Auf den Regierungsbezirk Freiburg dürfte etwa ein Viertel entfallen, das entspräche einem Mangel von rund 750 Lkw-Stellplätzen.
Dagegen nehmen sich die Zahlen des Regierungspräsidiums Freiburg (RPF) für geplante neue Stellplätze bescheiden aus: Für 66 zusätzliche Abstellmöglichkeiten an sieben Rastanlagen entlang der A 5 gibt es bereits ein Baurecht. Weitere 17 Lkw-Parkstände sollen durch den Umbau der Tankanlage Schauinsland zur Rastanlage March entstehen. Eine Rastanlage mit 186 neuen Lkw-Parkständen bei Weil am Rhein befindet sich laut Gernot Schill, Verkehrsreferent des RPF, in einem sehr frühen Planungsstadium. Parallel arbeitet das RPF an anderen Projekten zur Lösung der Problematik, berichtet Schill. So erwäge man beispielsweise, sich an der Finanzierung des Umbaus der ehemaligen Zollanlage Ottmarsheim im Elsass zu beteiligen, um dort 50 Lkw-Stellplätze zu realisieren. Sehr vielversprechend klingt das Pilotprojekt Kolonnenparken, für das derzeit Voruntersuchungen an der Rastanlage Breisgau laufen. Mittels der telematisch gesteuerten intelligenten Parktechnik könnte sich die Zahl der Lkw-Stellplätze von jetzt 43 auf 121 fast verdreifachen – auf gleicher Fläche.
Bis zur Realisierung dieser Projekte bleiben die Zustände für die Fahrer mancherorts menschenunwürdig – ohne sanitäre Anlagen und Verpflegungsmöglichkeiten. Fehlende Lkw-Parkplätze entlang der Autobahnen gefährden zudem die Verkehrssicherheit, denn sie zwingen die Fahrer zum Wildparken – nicht nur auf den Rastanlagen, sondern auch auf Parkplätzen sowie in autobahnnahen Gewerbe- und sogar in Wohngebieten. „Die Verkehre bahnen sich ihren Weg“, sagt IHK-Expertin Feißt. „Und wenn die Fahrer halten müssen, müssen sie halten.“ Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten speichert der elektronische Fahrtenschreiber auf dem Chip der Fahrerkarte 28 Tage lang, und einige Länder ahnden sie mit hohen Bußgeldern. Doch die Gemeinden zeigen wenig Interesse, Flächen für Lkw-Parkplätze zur Verfügung zu stellen, weil sie davon nicht profitieren. „Das ist kein Gewinnerthema für Kommunen“, sagt IHK-Referent Uphues. Um Bewegung in das Thema zu bringen, haben die baden-württembergischen IHKs einen Arbeitskreis mit Kommunen und Verkehrsverbänden ins Leben gerufen.
Besonders dramatisch ist die Situation nahe der Schweiz. „Die Probleme dort lassen sich nicht mit zusätzlichen Lkw-Stellplätzen lösen“, sagt Uwe Böhm, Geschäftsführer International der IHK Hochrhein-Bodensee. Denn entlang der Schweizer Grenze verschärft das dortige Nachtfahrverbot die Situation zusätzlich. Zwischen 22 und 5 Uhr sowie wochenends (ab 13 Uhr am Samstag) ist die Zollanlage geschlossen, und der Güterverkehr staut sich entlang der Autobahn. „Der größte Parkplatz auf der A 5 ist die Verzollerspur“, scherzt Böhm. Meist ab 19 Uhr wächst der Stau vor der Grenzanlage auf mehrere Kilometer Länge und löst sich manchmal erst am nächsten Nachmittag wieder auf. Dort gibt es keine Toiletten oder Duschen, und schlafen können die Fahrer auch kaum, falls sich doch wieder etwas bewegt.
Der Grund für den Grenzstau ist die Verzollung. Dafür müssen die Fahrer ihre Kabinen verlassen und zum Zoll marschieren und zwar sowohl zum Schweizer als auch zum deutschen. Denn es geht einerseits um die Ausfuhr aus der EU und andererseits um die Einfuhr in die Schweiz. Diese zwei Vorgänge dauern durchschnittlich eine halbe Stunde pro Lkw. Auf dem Zollhof selbst gibt es nur 60 Parkplätze, deshalb entsteht der Rückstau auf die Autobahn. Wesentlich schneller bewegt sich die sogenannte Transiterspur. Die dürfen jene Lkw nutzen, die die Verzollungsverfahren schon elektronisch abgewickelt haben. Die Fahrer können im Laster bleiben und die entsprechenden Dokumente im Vorbeifahren an drei parallelen Hochkabinen vorzeigen. Das dauert durchschnittlich fünf Minuten. Der Anteil der Lkw, die diese Möglichkeit nutzen, stagniert allerdings bei 50 Prozent, berichtet Böhm. Dafür gebe es vielerlei Gründe. Ein wesentlicher sei, dass in vielen Speditionen die Fachleute fehlen, weil sie gar keine Zollabteilungen mehr haben. Zum Teil planen die Firmen die Wartezeiten einfach in ihre Abläufe ein.
Text: kat
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IHK Hochrhein-Bodensee:
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Telefon: 07721 922-207
Mail: martin.schmidt@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein:
Norbert Uphues
Telefon: 0761 3858-117
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