Langsam laufen Hotellerie und Gastronomie wieder an. Doch die Pandemie hat die touristischen Spielregeln grundlegend verändert. Ein Gespräch mit Hansjörg Mair, dem Chef der Schwarzwald Tourismus GmbH.

Zu Pfingsten konnten die Tourismusbetriebe teils wieder öffnen. Wie lief’s?
Hansjörg Mair: Die Coronaauflagen waren je nach Region noch höchst unterschiedlich, aber dort, wo schon gereist werden durfte, ist es gut angelaufen. Die qualitativ hochwertigen Betriebe waren gut ausgelastet. Die Belegungszahlen stimmen mich sehr zuversichtlich für den Sommer – zumindest was den klassischen Ferientourismus angeht.
Wie sehen Sie da die weitere Entwicklung?
Der Freizeitbereich wird sich sehr schnell erholen. Das lassen einige Studien erwarten, und es zeigt sich ja auch schon. Ich denke, dass wir bereits im kommenden Jahr an das Topjahr 2019 anschließen können. Untersuchungen sagen, dass wir 2023 im Leisurebereich schon wieder fünf Prozent über der 2019er-Marke liegen können. Die größere Herausforderung wird der Geschäftstourismus.

Was erwarten Sie rund um Geschäftsreisen?
Für den Businessbereich sehen Studien nachhaltige Verluste voraus, die man nicht mehr aufholt. Das Arbeitsleben hat sich schlicht verändert. Dass man nicht mehr zu jeder Sitzung gereist ist, hat den Unternehmen Milliarden Euro gespart. Deshalb dürften sie das auch beibehalten.
Ich rechne mit künftig rund 20 Prozent weniger Geschäftstourismus. Der Schwarzwald ist mehrheitlich nicht davon abhängig, spielt aber in einigen Städten schon eine Rolle.
Was bedeutet das für Businesshotels und Stadthotellerie?
Hier und da wird es wohl Überkapazitäten an Betten geben. Ich schätze, da ist letztlich die Kreativität der Unternehmer gefragt. Aber der Schwarzwald ist eine sehr starke Marke – und Marken sind die Profiteure der Krise.
Marken ziehen?
Ja, gerade in Krisenzeiten suchen Menschen Halt und Sicherheit. Sie greifen zu Dingen, die ihnen vertraut sind und denen sie vertrauen. Das finden sie in Marken. Und den Black Forest kennt man rund um den Globus.
Apropos weltweit, wann kommen die ausländischen Touristen zurück?
Es wird wohl überall eine zentristische Ausdehnung des Reiseradius geben: Erst reisen alle lokal, dann regional, schließlich bundesweit – und danach traut man sich wieder nach Europa und später in den Rest der Welt. So werden es die anderen Länder wahrscheinlich auch halten. Vorerst profitieren wir also davon, dass viele Deutsche Urlaub im eigenen Land machen wollen. Und wenn sich diese dann im nächsten oder übernächsten Jahr wieder zu Fernreisen aufmachen, begrüßen wir im Umkehrschluss wieder die Gäste aus Übersee. Aber in diesem Jahr wird das wohl noch nicht so sein.
Was hat Corona die Tourismusbranche gelehrt?
Dass nicht der Schönste gewinnt, sondern der Schnellste. Man hat sich schnell arrangieren müssen mit den Gegebenheiten. Und viele Betriebe – nicht alle – haben das hervorragend gemacht. Sie haben in der Krise Dinge umgestellt, die sie schon aus Zeitmangel in einer normalen Saison niemals umgestellt hätten. Um sich auch auf die Zeit danach vorzubereiten. Denn das wird nötig sein. Nach der Pandemie ist nicht gleich vor der Pandemie.
Inwiefern hat sich Reisen dauerhaft verändert?
Alles, was man sechs Wochen am Stück macht, daran gewöhnt man sich. Und die Pandemie hat uns ein ganz neues Konsumverhalten antrainiert. Das bleibt also.
Massenveranstaltungen wie etwa Kreuzfahrtschiffe werden es künftig schwerer haben. Dagegen boomen Natur und Outdoorsport, sogenannter Resonanztourismus, weiter. Chalets, Treckingcamps, Tinyhouses oder Urlaub auf dem Bauernhof geht wie geschnitten Brot. Viele Gastgeber haben sich auch schon darauf eingestellt, dass Cocooning wichtiger geworden ist und ihre Wohlfühl- und Rückzugsorte aufgewertet.
Der Tourismus läuft wieder an, aber auch für alle Anbieter?
Da wird man schauen müssen. Ich habe noch nirgends von einer großen Insolvenzwelle in der Hotellerie gehört. Bei der Restauration müssen wir abwarten.
Ich hoffe, dass die große Solidarität, die sich in den Lockdowns gezeigt hat, anhält. Solidarität heißt für mich auch, jetzt wieder essen zu gehen und auch hier Urlaub zu machen. Am besten unterstützt man Hotellerie und Gastronomie als Gast.
Welchen Rat geben Sie den Betrieben für die Zukunft?
Nutzen Sie die Marke, wo Sie können. Der Schwarzwald ist eine Weltmarke. Die zieht. – Und schärfen Sie Ihr Profil: Kennen Sie Ihre Zielgruppe? Passt Ihr Produkt? Im Kern geht es um zwei Fragen: Würden Sie selbst bei sich Urlaub machen wollen? Und lässt sich Ihr Angebot innerhalb von zwei Minuten auf der eigenen Webseite buchen? Um nicht zwangsweise booking.com reich zu machen.
Interview: uh
IHK-Ansprechpartner für Tourismusthemen
IHK Hochrhein-Bodensee
Alexander Vatovac
Telefon: 07531 2860-135
Mail: alexander.vatovac@konstanz.ihk.de
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg
Daniela Hermann
Telefon: 07721 922-136
Mail: hermann@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein
Christina Gehri
Telefon: 0761 3858-142
Mail: christina.gehri@freiburg.ihk.de