Verkehr ist der Bereich, in dem die Treibhausgasemissionen seit Jahren auf hohem Niveau stagnieren. Eine Trendumkehr ist nötig – und möglich, wenn alle mitziehen. Wie Unternehmen aus der Region versuchen, ihre Mobilität klimafreundlicher zu gestalten.
Wenn er über seinen E-Vito spricht, kommt Alexander Theinert ins Schwärmen. „Wer einmal elektrisch gefahren ist, will nichts anderes mehr“, sagt er über sein neues Fahrgefühl. „Und so leise“. Theinert ist Geschäftsführer der Belenus GmbH, einem Blech-, Schweiß- und Montagetechnikunternehmen in Bad Dürrheim. Umweltschutz ist ihm ein Anliegen und experimentierfreudig ist er auch. 2018 kaufte er das E-Auto, um zu testen, ob es geeignet für Auslieferungen in der Region sei.
Am Anfang stand das Ausprobieren mit der Reichweite. „Ich bin durchaus schon mal im Windschatten eines Lkw gefahren, um mit den letzten zwei Prozent der Batterie nach Hause zu kommen“. Inzwischen ist er aber überzeugt, dass die bergige Landschaft kein Problem darstellt. „Ich komme nach einer Auslieferung oft mit zehn Kilometer mehr in der Batterie zurück“. Denn bergab rekuperiert der Wagen. Zurück auf dem Firmengelände kann der Wagen dann klimafreundlich mit Solarstrom vom Dach geladen werden.
Insgesamt 50.000 Kilometer haben er und seine Mitarbeiter elektrisch zurückgelegt. Der Nachfolger ist bereits bestellt, dessen Batterie dann über die doppelte Reichweite verfügt. Für ein größeres Ladevolumen hat das Unternehmen einen Hybridtransporter angeschafft, der Diesel und Strom als Antriebsenergie nutzt. Theinerts 7,5-Tonner entstammt einer Kooperation von Daimler und Mitsubishi und ist heute nicht mehr zu haben. Der Verbrauch liege zwischen 12 und 13 Litern und damit bei etwa vier bis fünf Litern weniger als ein vergleichbarer Diesel.
auf dem Weg zur nachhaltigen Mobilität
Förderprogramm Mobilitätsmanagement
Lkw mit alternativen Antrieben, Carpooling oder per ÖPNV statt Auto? Das Förderprogramm „Behördliches und Betriebliches Mobilitätsmanagement“ (B2MM) des Landesverkehrsministeriums bezuschusst Unternehmen, die ihre Mobilität klimafreundlicher gestalten wollen. In einem ersten Schritt sind Analyse, Konzepterstellung und Projektmanagement förderfähig, einschließlich externer Unterstützung durch Beratung, Studien und Gutachten. In einem zweiten Schritt kann die Umsetzung der Maßnahmen gefördert werden, wie der Bau von Radabstellanlagen für Mitarbeiter. Ansprechpartnerinnen sind Hanna Scheck-Reidinger und Verena Bott b2mm@vm.bwl.de.
Zielgerade 2030
Die IHK Südlicher Oberrhein und die Energieagentur Regio Freiburg haben miteinander das Projekt „Zielgerade2030“ aus der Taufe gehoben. In diesem Bündnis werden Unternehmen fachkundig bis zum Ziel der Klimaneutralität begleitet. Fachleute beraten vor Ort und individuell. Auf Grundlage einer CO2-Bilanz wird ein individueller Aktionsplan entwickelt, mit dem das Unternehmen durch klimafreundliche Energieträger und eine nachhaltigere Mobilität seine Klimaschutzpotenziale heben kann.
Mehr Infos unter https://zielgerade2030.de.
Mobilsiegel
Mit der Verleihung des Mobilsiegels der Freiburger Verkehrs-AG (VAG) werden Betriebe und Institutionen ausgezeichnet, die ihre Mitarbeiter zur Wahl von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln motivieren. Die nächsten Bewerbungen sind ab Frühjahr 2023 möglich. Mehr Infos zur Bewerbung unter www.mobil-siegel.de.
Wasserstoff noch keine echte Lösung
Lkw sind heute für ein Viertel der Treibhausgasemissionen des Verkehrs in Europa verantwortlich, obwohl sie nur zwei Prozent aller Fahrzeuge auf den Straßen ausmachen. Bei Alternativen sieht es bislang mau aus. Die Wasserstofftechnologie im Mobilitätsbereich tut sich noch schwer. „Bei den 26-Tonnern gäbe es eher was, aber das ist für unsere Zwecke viel zu groß“, sagt der Belenus-Chef. Auch ist das Wasserstofftankstellennetz im Vergleich zur Verbreitung von Ladesäulen bislang sehr löchrig.
Privat fährt Theinert dennoch seit 2018 einen Toyota Mirai mit Wasserstoffantrieb. Hier spielt dem Unternehmer ein Standortvorteil in die Karten: An der A81, Ausfahrt Geisingen, gibt es eine Tankstelle. Auch oberhalb der A8 gäbe es ausreichend Wasserstofftankstellen, um von Bad Dürrheim aus bis in die Schweiz und nach Österreich zu liefern. Über seinen Klima-Fuhrpark sagt Theinert: „Das ist Idealismus. Rechnen tut sich das noch nicht, man muss das wollen“. Aber gleichzeitig findet der Firmenchef, der für sein Klimaschutzengagement schon mehrfach ausgezeichnet wurde: „Man muss nicht alles kaputtrechnen. Manchmal fahre ich zu Kunden, da stehen riesige Fuhrparks mit vielen Auspuffen. Das kostet auch.“
Bestandsaufnahme als Startpunkt
Im Bereich Verkehr stagnieren die Treibhausgasemissionen seit Jahren auf hohem Niveau, die Zahl der Autos auf deutschen Straßen steigt stetig. „Das bildet sich auch bei Unternehmen ab“, sagt Martin Meurer, Projektleiter im Bereich Unternehmenskonzepte bei der Energieagentur Regio Freiburg. Gemeinsam mit der IHK Südlicher Oberrhein arbeitet die Energieagentur im Projekt „Zielgerade2030“ daran, dass Unternehmen der Region die Klimaneutralität bis 2030 erreichen. Die Grundlage für eine effiziente unternehmerische Klimaschutzstrategie ist die strukturierte Berechnung der entstehenden CO2e-Emissionen und ein genaues Verständnis über die verschiedenen Emissionsquellen nach „Greenhouse Gas Protocol“. „Was nicht erfasst, lokalisiert und gemessen werden kann, lässt sich auch nicht reduzieren“, sagt Meurer. Bei diesem Schritt hilft die „Zielgerade2030“.
Emissionen aus dem Verkehr fallen im unternehmerischen Kontext viele an: Dazu gehören direkte Emissionen der Unternehmensfahrzeuge, die mit Diesel oder Benzin betankt werden, aber auch solche durch zugekauften Strom für E-Autos. Auch indirekte Emissionen, die vor- und nachgelagert in der Wertschöpfungskette anfallen, wie zum Beispiel durch Geschäftsreisen und Pendlerkilometer der Mitarbeitenden, kommen dazu. Das macht das Thema komplex und herausfordernd. „Es gibt nicht nur einen Verantwortlichen: Reise, Fuhrpark, Logistik, Controlling – Viele Abteilungen spielen mit rein und das Thema wird oft nicht zusammengeführt“, sagt Meurer. Der Experte bekräftigt Alexander Theinerts Wahrnehmung, dass viele Unternehmen sich einen möglicherweise unnötig großen Fuhrpark leisten. „Wenn zum Beispiel die Leasingfahrzeuge nur 30 Prozent der Woche genutzt werden und ansonsten rumstehen, ist das ein Kostenfaktor, der von vielen unterschätzt wird.“ Zudem sei ein großer Fuhrpark auch eine Platzfrage: „Oft ziehen Unternehmen um, wenn sie sich vergrößern wollen. Dabei ist vor der Tür ein riesiger Parkplatz, den man auch anders als zum Abstellen von Fahrzeugen verwenden könnte“, sagt Martin Meurer.
Ängste durch Ausprobieren abbauen
Mit etwas Planung lassen sich Fuhrparks optimieren. Bei der Industrie-Technik Kienzler GmbH & Co. KG in Vogtsburg nutzt die Geschäftsführung zum Beispiel einen Elektrokleinwagen für den Arbeitsweg und stellt das Fahrzeug den Mitarbeitern während der Arbeitszeit für Dienstfahrten zur Verfügung.
Sofern Dienstwagen notwendig sind, rät Meurers Kollege und Mobilitätsexperte Patrick Spies zu einem detaillierten Leitfaden für deren Anschaffung. „Bei E-Autos langen oft auch solche mit kleineren Reichweiten, hier sollte vor dem Kauf oder Leasing genau überlegt werden, was nötig ist“, sagt Spies. Denn große Batterien sind unökologisch und machen ein Fahrzeug unnötig schwer und teuer. Wenngleich der Kaufpreis noch immer über dem von Dieselfahrzeugen und Benzinern liege, könnten geringere Wartungskosten dies im Betrieb wieder wettmachen.
Um die sogenannten Reichweitenängste abzubauen, rät der Experte dazu, Mitarbeiter die Gefährte ausprobieren zu lassen und auch den Ladevorgang zu üben. Damit
E-Autos umweltfreundlich betrieben werden können, muss der Strom aus erneuerbaren Quellen stammen. Hier haben Unternehmen die Möglichkeit ihre Bilanz durch eigene Erzeugung aufzubessern. So hat zum Beispiel die Geschäftsführung der Praxis an der Elz, einer Praxis für Zahnheilkunde in Teningen, Elektromobilität bei ihrem Neubau konsequent mitgedacht: Photovoltaikanlagen, Solarzäune und eine kleine Windkraftanlage erzeugen vor Ort den Strom für die kostenfreien Lademöglichkeiten für Mitarbeiter und Patienten.
Carsharing spart Kosten
Weniger ist mehr, das gilt vor allem für die Zahl der Fahrzeuge auf der Straße. Im Gewerbegebiet Hochdorf betreut die Energieagentur dazu gerade ein Pilotprojekt. Die dort ansässigen Unternehmen teilen sich einen Transporterpool, die Buchung erfolgt über die App von Stadtmobil. Durchaus eine große Umstellung für alle Beteiligten. „Die Fahrzeuge stehen eben nicht mehr einfach auf dem Parkplatz. Die gemeinsame Nutzung erfordert von allen Beteiligten mehr vorausschauende Planung und vor allem viel Kommunikation“, sagt Patrick Spies. Andererseits wird Geld gespart. Er verbucht das Projekt als Erfolg und hofft auf Nachahmer. Bei der Umsetzung hilft die Energieagentur mit Rat und Tat.
Teilen hat nicht nur das Potenzial, Logistik klimafreundlich zu optimieren, sondern auch um Pendelverkehre zu reduzieren. Das frühere Prestigesymbol des Chefparkplatzes habe ausgedient, meint Patrick Spies. Stattdessen könnte die erste Reihe Mitfahrgemeinschaften als Parkplatz dienen, schlägt der Mobilitätsberater vor. Ein sichtbares Symbol für eine Zeitenwende.
Überhaupt liege ein wesentlicher Hebel, die Klimaemissionen eines Unternehmens zu reduzieren, in der Mitarbeitermobilität, sagt Spies. Bei den bisherigen Datenerhebungen im Projekt Zielgerade 2030 habe sich gezeigt, dass zum Beispiel fast 40 Prozent der Mitarbeiter eines Unternehmens im Umkreis zwischen vier und 15 Kilometer entfernt vom Arbeitsplatz leben. Eine Distanz, die man nicht zwingend per Auto zurücklegen muss. Laut Umfrage wünschen und wertschätzen Angestellte Angebote wie Leasingräder, die auch E-Bikes für Menschen in niedrigeren Lohnbereichen bezahlbar machen. Auch Jobtickets und kostenfreier Ladestrom stehen auf der Wunschliste.
Homeoffice, Leasingrad, Jobticket
Ein Leasingangebot für Fahrräder sei gut, aber auch die Infrastruktur müsse stimmen, mahnt Patrick Spies. Bei den Artemed-Kliniken in Freiburg haben die Betriebsräte ein umfangreiches Mobilitätskonzept – aufbauend auf einer Mitarbeiterbefragung – erarbeitet. Dazu gehören neue sichere Radabstellanlagen an beiden Standorten sowie Fahrradreparaturstationen. „Wir empfehlen, dass Unternehmen und Kommunen möglichst eng zusammenarbeiten: In Gewerbegebieten werden sichere Radwege benötigt. Lkw-Verkehr wird als gefährlich empfunden und entsprechend trauen sich viele nicht zu radeln“, sagt Spies. Bei den Artemed-Kliniken wurde nach der Befragung der Mitarbeiter zudem der Arbeitgeberzuschusses für das Jobticket erhöht. Bei Ikea in Freiburg können Mitarbeiter ihre Radkilometer in ihrem Fahrradpass eintragen und erhalten bei 500 gefahrenen Kilometern einen Gutschein für ein Radgeschäft ihrer Wahl. Umfangreiche Homeofficeoptionen, Leasingräder und Jobtickets sind niedrig hängende Früchte, die aber laut Martin Meurer längst nicht in allen Unternehmen Standard sind.
Anreize schaffen
Patrick Spies plädiert für einen Ansatz, den man unter Fördern und Fordern zusammenfassen könnte. Ein Beispiel: Ein Unternehmen zahlt seinen Mitarbeitern pro Kopf 30 Euro Mobilitätsgeld, gleichzeitig kostet der Firmenparkplatz 30 Euro. Der Mitarbeiter kann selbst entscheiden, was ihm wichtig ist. Der Softwarekonzern SAP bietet seiner Belegschaft laut einem Bericht des Handelsblatts ab April als Alternative zum klassischen Dienstwagenmodell ein Mobilitätsbudget. Berechtigten stehe dann ein monatlicher Betrag zur Verfügung, bei dem sie auswählen können, ob sie mit Verkehrsmitteln wie dem Zug, Scooter, Mietwagen oder etwa einem Taxi fahren wollen. Auch Fahrradreparaturen würden bezahlt. Die Idee käme bei jungen Talenten und Bewerbern gut an, was auch die – nicht näher benannten – möglichen Mehrkosten rechtfertige, wird der SAP-Flottenchef zitiert.
Der Freiburger Ökoversandhändler Waschbär forciert die Nutzung klimafreundlicher Verkehrsmittel bei Dienstreisen. In seinen Reiserichtlinien hat das Unternehmen klar formuliert, dass Verkehrsmittel nach ökologischen Aspekten gewählt werden müssen. Die Evangelische Kirche hat sich jüngst auf ein freiwilliges Tempolimit von 100 Stundenkilometern bei Dienstfahrten geeinigt.
Auch Kunden und Besucher aktiv aufzufordern, lieber per Bahn statt Auto anzureisen, ist Mobilitätsmanagement. Dazu gehört dann auch ein Shuttleservice oder ein Taxiangebot, falls der Anschluss auf der letzten Meile nicht komfortabel ist. „Vorbildfunktion, auch durch die Geschäftsführung, ist wichtig. Man muss nicht mit dem großen SUV vorfahren“, sagt Patrick Spies. Es müsse auf allen Ebenen deutlich werden, dass Mobilität wie sie heute gelebt wird, keine Zukunft hat.
Text: db
Bild (oben): Adobe Stock/Halfpoint
Bild (unten): Von links: Ein hybrider Laster, ein rein elektrischer Transporter und ein kleines Wasserstoffauto, das vorwiegend privat genutzt wird. Die Belenus GmbH versucht ihren CO2-Abdruck auch bei der Logistik möglichst klein zu halten.
IHK Hochrhein-Bodensee:
Heike Wagner
Telefon: 07531 2860-190
Mail: heike.wagner@konstanz.ihk.de
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
Niklas Lehmann
Telefon: 07721 922-414
Mail: lehmann@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein:
André Olveira-Lenz
Telefon: 0761 3858-260
Mail: andre.olveira-lenz@freiburg.ihk.de