Frühere Ernte, lange Trockenheit, erhöhte Strahlung. Der Klimawandel bringt auch für Weinproduzenten in der Region viele Veränderungen mit sich. Wie sich Winzer auf die neuen Herausforderungen einstellen.
Anfang August hatte Jochen Basler eine echte Krise. Nach wochenlanger Hitze und Trockenheit plagten den Winzer vom Weingut Pieper Basler in Offenburg große Sorgen um seine Weinernte. „Am 15. kam endlich der Regen. Das war eine echte Erlösung, später wäre es eine Katastrophe gewesen“, sagt Basler.
Auch 2022 wurden in Deutschland wieder an zahlreichen Orten Hitzerekorde gebrochen, trocken war es zudem. Zuvor waren schon die Jahre 2018, 2019 und 2020 die wärmste Drei-Jahres-Periode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, streckenweise mit Dürre und extremer Hitze. 2021 dann das andere Extrem: Stark-regen und Überflutungen an vielen Orten Europas.
Die Klimaforschung zeigt klar, dass der Klimawandel im Gange ist. Und der wirkt sich auf die Landwirtschaft und damit auch auf den Weinanbau aus. „Schon heute sehen wir die Veränderungen in der Pflanzenphänologie: Vom ersten Blattaustrieb bis zur Lese haben sich alle weinbaulichen Phasen seit den 1950er Jahren deutlich verfrüht“, sagt Manfred Stoll, Professor und Institutsleiter allgemeiner und ökologischer Weinbau an der Hochschule Geisenheim.
Dies beobachtet auch Henning Johanßen vom Badischen Winzerkeller: „Der Klimawandel macht sich bei uns im Weinbau im Verlauf der letzten Jahre signifikant bemerkbar. Der jährliche Lesestart verlagert sich von Anfang/Mitte September auf nun Mitte August bis Anfang September vor.“ In diesem Jahr habe man mit der Federweißenlese bereits am 30. August gestartet, die Hauptlese begann am 5. September und Ende des Monats hatte man insgesamt die komplette Ernte eingefahren. Die Erzeugergemeinschaft Badischer Winzerkeller steht für rund 4.000 angeschlossene Winzer und rund 1.600 Hektar Rebflächen aus neun Anbaugebieten: Von Tauberfranken im Norden über Kaiserstuhl und Tuniberg bis hin zum Bodensee.
Immerhin: Mit der diesjährigen Ausbeute zeigen sich sowohl der Badische Winzerkeller als auch Jochen Basler sehr zufrieden: Die letzten Wochen vor der Lese mit Niederschlag und kühlen Nächten hätten den Reben gutgetan. Im Ergebnis habe man dieses Jahr eine deutlich größere Erntemenge bei bester Qualität eingefahren.
Für Jochen Basler, der aus einer Winzerfamilie stammt und vor fünf Jahren den Betrieb von den Eltern übernommen hat, sei die europäische Hitzewelle 2003 ein Augenöffner gewesen. Allein in Deutschland starben in jenem Jahr mehrere tausend Menschen an den Folgen der extremen Temperaturen. Bereits damals war ihm klar, dass die veränderten Temperaturen Auswirkungen auf die Winzerei haben würden. „Die Ortenau ist das südlichste Anbaugebiet für Riesling. Aber perspektivisch wird es für den zu heiß.“
Zeit für neue Trauben
Basler hat deswegen vor einigen Jahren begonnen, auf die südfranzösische Traube Viognier zu setzen. Nicht alle Mitstreiter hatten dafür Verständnis. „Ich kann mich erinnern, dass ich auf einem Kongress von einem älteren Winzer zurechtgestutzt wurde, ich solle mal aufhören, ständig vom Klimawandel zu reden“. Bereut hat Basler seine Entscheidung nicht. „Wir haben hier einen sehr ähnlichen Boden wie im Rhonetal, aus dem die Traube stammt. Außer im sehr nassen Jahr 2021 ist die Traube sehr gut gereift.“ Auch wirtschaftlich habe sich die Entscheidung bewährt. Der Wein, den Basler im Eichenfass reifen lässt und als opulent-fruchtig mit einem Duft nach Aprikose und Orangenschale beschreibt, sei bislang ein Alleinstellungsmerkmal des Offenburger Weinguts.
Ständige Aufmerksamkeit des Winzers gefragt
„Ein warmes Frühjahr prägt die phänologische Entwicklung und hat einen sehr frühen Austrieb zur Folge. Die jungen Triebe entwickeln sich bei gutem Wetter zunächst sehr prächtig“, erklärt Geisenheim-Professor Manfred Stoll. „Wenn aber zu den Spätfrösten im April und Mai die Reben schon weit entwickelt sind, erhöht sich in vielen Regionen bei einem Kälteeinbruch das Spätfrostrisiko.“ Die Verfrühung der phänologischen Entwicklung kann sich daher auch nachteilig auswirken. So erging es etwa vielen badischen Winzern im vergangenen Jahr.
Die wärmeren Temperaturen verfrühen aber nicht nur die Entwicklung des Bestandes, sondern auch die der Begrünungseinsaaten im Weinberg, so Stoll. Eine Begrünung ist aus ökologischen Gründen sinnvoll, denn sie stabilisiert den Boden, trägt zur Humusbildung bei und fördert die Artenvielfalt. Aber sie kann auch in Wasser- und Nährstoffkonkurrenz zur Rebe treten und spielt deshalb im Wasserhaushalt eines Weinbergs eine wichtige Rolle. „Die Begrünung muss deshalb im Zuge des fortschreitenden Klimawandels überprüft und gegebenenfalls an die neuen Witterungsbedingungen angepasst werden“, sagt Stoll.
Pieper-Basler-Chef Jochen Basler setzt nach eigenen Angaben auf „üppige Begrünung“. „Die Durchwurzelung ist für den Boden gut, die Verdunstung ist höher,“ sagt er. Aber er habe am eigenen Leib erfahren, dass, wenn es zu trocken ist, die Begrünung in extreme Wasserkonkurrenz zur Rebe tritt. „Dann muss man rechtzeitig alles niederwalzen.“
Sonnenbrandrisiko wird höher
„Unsere Arbeit als Winzer hat sich stark verändert“, sagt der Offenburger. Die Unplanbarkeit sei für ihn eine feste Konstante seiner Arbeit geworden. Früher folgte der Weinanbau einem weitgehenden festen Ablauf; man wusste ziemlich genau, welche Traube wann geerntet werden konnte. „Heute gibt es kaum noch feste Regeln, man muss sehr oft flexibel auf die aktuelle Wetterlage reagieren.“
Beispiel Sonnenstrahlung: Neben der Temperaturerhöhung erkennt die Wissenschaft auch einen Anstieg der Globalstrahlung, wodurch sich das Sonnenbrand-
risiko auch für Pflanzen deutlich erhöht. In heißen Anbauregionen führe dies bereits zu massiven Ernteausfällen und Qualitätsverlusten. Aber auch in hiesigen Weinbaugebieten treten Sonnenbrandsymptome immer häufiger auf und führten beispielsweise im Jahr 2019 zu schweren Schäden – besonders bei falsch terminierten Kulturmaßnahmen und sensiblen Rebsorten, so der wissenschaftliche Experte Stoll. Viele Winzer entblättern etwa ihre Reben, damit die Pflanzen besser belüftet werden und sie sich einfacher gegen verschiedene Schädlinge und Krankheiten spritzen lassen. „Das muss man sich inzwischen wirklich genau überlegen, ob und wann man das macht“, sagt Basler. Ist die Strahlung zu hoch, drohen die Beeren Sonnenbrand zu bekommen oder die Haut zu verdicken, was das Aroma verändert.
Schatten durch Solarmodule
Um für mehr Schutz für die Reben zu sorgen, wird mancherorts mit Agriphotovoltaik experimentiert. Hierbei werden Reben mit einem Systemgestell überbaut, das mit speziellen lichtdurchlässigen Photovoltaikmodulen belegt ist. Die Module erzeugen Strom und sollen zusätzlich den Reben Schutz vor Frost, Hagel, Starkregen und eben Sonnenbrand bieten. Eine Vino-Photovoltaikanlage soll nun auch auf einem Rebstück am Tuniberg entstehen .
An diesem Pilotprojekt ist ein Landwirt aus Munzingen beteiligt und wird von der Stadt Freiburg, dem Weinbauinstitut und dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg begleitet. Es soll zum einen getestet werden, wie sich die Solaranlage auf den Weinbau, die Reife und die Qualität auswirkt, und ob der Ausbau von Vino-PV einen sinnvollen Beitrag zur Energieerzeugung und für den Klimaschutz leisten kann. Zum anderen soll erforscht werden, wie die Bürger einen solchen technischen Eingriff in die vertraute Kulturlandschaft akzeptieren.
Bewässerung benötigt
Da die Trauben früher und unter deutlich höheren Temperaturen reifen, kann Regen während der Reifephase zu einer wesentlich schnelleren und schadhafteren Entwicklung von Traubenfäulnis führen als unter kühleren Bedingungen. Natürlich ist auch das andere Extrem ein Problem: Zuviel Trockenheit. Viele Weinberglagen sind flurbereinigt, die Wege befestigt, wobei Zuleitungen für Wasser und Energie in den wenigsten Fällen vorhanden sind. „Als es 2018 so trocken war, haben wir einfach alles unternommen, um Wasser in die Reben zu bekommen – egal wie effizient das war“, erzählt Jochen Basler.
Inzwischen arbeitet der Betrieb mit einer Tröpfchenbewässerung, die das Wasser direkt an den jeweiligen Rebstock bringt. Die neue Ausrüstung war teuer und das Wasser muss immer noch an den jeweiligen Weinberg transportiert werden. Das benötigt Zeit und Treibstoff – der stetig teurer wird. Das Wasser stammt aus dem Frischwassernetz und dem privaten Brunnen der Baslers. Eine Regenwasserauffangstation gibt es bislang nicht. „Das sind einfach zu große Kosten. So etwas wäre nur gemeinschaftlich zu stemmen oder als öffentliche Investition denkbar“, sagt Basler.
Die regelmäßige Wasserzufuhr ist wichtig, denn Trockenstress mindert nicht nur die Menge der Ausbeute, sondern auch die Qualität des Weines. „Der Zucker ist durch die viele Sonne vorhanden, aber es fehlen Mineralien und Stickstoffe. Dadurch können Haltbarkeit und Lagerfähigkeit eingeschränkt sein.“
Mithilfe der Unterlagenzüchtung, also des Wurzelteils der Rebe, müssen neue Sorten gefunden werden, die eine gute Trockentoleranz besitzen, so Professor Stoll. Nicht alle Weinanbaugebiete können problemlos bekannte Sorten aus dem Mittelmeer- und nordafrikanischen Raum mit einer sehr guten Trockentoleranz übernehmen. Denn diese seien eher starkwüchsig und können die Reife verzögern. Erfahrungen im Anbau unter Klimabedingungen nördlicher Anbaugebiete fehlen bisher weitestgehend. Die Züchtungen neuer Unterlagen gehen nicht über Nacht, sondern bedürfen langjähriger Forschungsarbeit, so Stoll.
Kunden wird Ökowein wichtiger
Ohne ambitionierten Klimaschutz werden Extremjahre, die heute noch immer eher Ausnahmen sind, das neue Normal sein. Die „Sonnenwinzer“, wie sich die im Badischen Winzerkeller organisierten Unternehmen nennen, sind sich ihrer Verantwortung bewusst. „Seit Jahrzehnten praktizieren wir einen umweltschonenden Weinanbau und eine naturnahe Kellerwirtschaft. Umwelt und Nachhaltigkeit sind integrale Bestandteile unserer Winemaking-Philosophie“, sagt Henning Johanßen. Das vorhandene Klimaschutzkonzept solle weiter in Richtung Klimaneutralität entwickelt werden. 2021 wurde die erste klimaneutrale Produktlinie auf den Weg gebracht.
Jochen Basler merkt, dass Umwelt- und Klimaschutz verstärkt in das Augenmerk der Kunden rücken. Er verzichtet auf das umstrittene Pflanzengift Glyphosat, weil das von vielen Kunden inzwischen verlangt wird. Auf ausgewählten Standorten experimentiert der Winzer mit Naturweinen, für die er auf jedwede Spritzmittel verzichtet. „Das ist aber nur für die Nische möglich“. Mit Blick auf seine Klimaresilienz plant der Offenburger sein Sortenspektrum moderat weiter zu verändern.
Text: db
Bilder: Adobe Stock – marcelheinzmann/Badischer Winzerkeller
Bild unten: Die Ernte wird eingefahren – beim Badischen Winzerkeller war man damit in diesem Jahr schon Ende September durch.