So viele Unternehmer wie nie zuvor haben Probleme, einen Nachfolger zu finden. Das sind die Erfahrungen der Industrie- und Handelskammern, die der DIHK in seinem aktuellen Report zur Unternehmensnachfolge zusammengefasst hat. Dringende Hausaufgabe für die Politik: wirksame Entlastungen bei Steuern und Bürokratie.
Fast die Hälfte (47 Prozent) der im Jahr 2017 von den IHKs beratenen Seniorunternehmer hatten noch keinen passenden Nachfolger in Sicht. Von den potenziellen Nachfolgern hatten sogar 70 Prozent noch nicht den passenden Chefsessel gefunden. Das sind Rekorde in der seit 2007 geführten IHK-Statistik. Hauptgrund für die zunehmenden Engpässe ist die Demografie. Immer mehr Unternehmer erreichen das Ruhestandsalter. Gleichzeitig erschwert zunehmender Fachkräftemangel die Unternehmensnachfolge. Denn: Qualifizierte Personen mit Führungstalent haben gute Chancen auf gut dotierte Beschäftigungsverhältnisse in leitenden Positionen.
Herausforderung Emotionen
Wie bei kaum einer anderen unternehmerischen Herausforderung spielen Emotionen bei der Unternehmensnachfolge eine Rolle. 36 Prozent der Seniorunternehmer haben den IHKs zufolge Schwierigkeiten, ihr Lebenswerk loszulassen. 42 Prozent fordern einen überhöhten Kaufpreis – oft rechnen sie die über viele Jahre geleisteten auch persönlichen Mühen mit ein. Und: 76 Prozent kümmern sich zu spät um die Nachfolge. Das komplexe Thema landet gerade bei guter Auftragslage und dichtem Tagesgeschäft viel zu oft auf der langen Bank. Zudem stellt die Digitalisierung die Unternehmen vor große Herausforderungen. Gerade in Zeiten steigenden Innovations- und Wettbewerbsdrucks droht der Wert des Unternehmens in der nüchternen Betrachtung von Nachfolgern und Märkten zu sinken, wenn wegen der Unternehmensnachfolge Investitionen zurückgestellt oder Trends nicht genug beachtet werden.
Zahlen
- 6.674 Seniorunternehmer wandten sich im Jahr 2017 an ihre IHK, um sich bei der Nachfolge begleiten zu lassen – das ist ein Rekord in der seit 2007 geführten IHK-Statistik.
- Parallel hat die Zahl derer abgenommen, die sich eine Zukunft als Unternehmer vorstellen können. 2007 hatten sich noch 6.400 Menschen an ihre IHK gewandt, weil sie ein Unternehmen übernehmen wollten, 2009 waren es sogar 8.417. Im Vergleich dazu hat sich die Zahl bis 2017 halbiert – auf 4.231.
- Ein Lichtblick: Das Interesse an Themen der Unternehmensgründung und -nachfolge steigt. 14 Prozent mehr Seniorunternehmer und Nachfolgeinteressenten nahmen im Jahr 2017 an IHK-Nachfolgetagen, -seminaren und -beratungen teil, insgesamt 23.501. Damit wirkt sich auch die engagierte und kontinuierliche Arbeit der IHKs aus, für die Herausforderungen und Chancen der Unternehmensnachfolge zu sensibilisieren.
- Frauen stellten im Jahr 2017 ein Viertel aller Interessierten an der Übernahme eines Unternehmens. Das ist ebenfalls ein Rekordwert – diesmal immerhin ein erfreulicher.
dihk
Politik in der Pflicht
Vor diesem Hintergrund sollte die Politik alles tun, Betriebe zu entlasten. Dringender Handlungsbedarf besteht in punkto Erbschaftsteuer. Mittlerweile berichten 25 Prozent der potenziellen Nachfolger den IHKs, dass die Unsicherheit bei der Anwendung des neuen Erbschaftsteuerrechts die familieninterne Nachfolge erschwert – auch das ist ein Rekord. Viele Unternehmen müssen mit Mehrbelastungen rechnen. Doch es ist derzeit kaum möglich, betriebswirtschaftlich sichere Szenarien auszuarbeiten. Jetzt liegt ein Richtlinienentwurf auf dem Tisch. Politik und Behörden müssen nun mit Hochdruck an einer mittelstandsfreundlichen Umsetzung arbeiten. Zwei Jahre nach der gesetzlichen Neuregelung brauchen die Unternehmen endlich eine praktikable und mittelstandsfreundliche Anwendung.
Ohnehin hat Unternehmertum derzeit in Deutschland keinen leichten Stand. 18 Prozent der von den IHKs beratenen Seniorunternehmer, rund 1.000, würden sich heutzutage nicht mehr selbstständig machen. Vor allem Fachkräftemangel und zunehmende Bürokratie führen zu dieser negativen Stimmung. Die Belastungen durch Bürokratie haben aus Sicht des Mittelstandes überhandgenommen. Es ist dringend spürbarer Abbau erforderlich. Die Politik sollte deshalb endlich ein seit Langem angekündigtes wirksames drittes Bürokratieentlastungsgesetz umsetzen.
Marc Evers, DIHK