Ehe das Coronavirus die Gastronomie lahmlegte, hatten die aktuellen Ausgaben des Guide Michelin, die Anfang März erschienen sind, für Aufsehen gesorgt: Vier südbadische Häuser verlieren ihre Sterne, dafür gibt es vier neue Sterneküchen in der Region. Auch im mittleren Preissegment sind die Veränderungen groß: Zehn südbadische Küchen werden nicht mehr mit dem „Bib Gourmand“ ausgezeichnet, nur zwei erhalten diese Auszeichnung für gute Küche zum guten Preis-Leistungs-Verhältnis neu.
Das Erstaunen war groß, als der Guide Michelin Anfang März seine Gastronomiebewertungen veröffentlichte, denn zwei sehr traditionsreiche Häuser der Region haben ihre Sterne verloren: der Schwarze Adler in Oberbergen und die Zirbelstube des Freiburger Colombi. „Wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen und sind darüber enttäuscht“, teilt die Familie Keller, die den Schwarzen Adler betreibt, auf ihrer Internetseite mit. Im vergangenen Jahr hatte sie noch das 50. Jubiläum des Michelinsterns gefeiert, den Irma Keller, die Mutter des heutigen Chefs und DFB-Präsidenten Fritz Keller, 1969 erstmals erkocht und den das Kaiserstühler Restaurant seither jedes Jahr verteidigt hatte. „Nun unsere Küche zu revolutionieren, kommt für uns nicht infrage“, heißt es weiter von der Familie Keller. Trotz allem werde man die Situation selbstkritisch analysieren.
Die Geschäftsführung des Colombi kann sich die Entscheidung des Guide Michelin ebenso wenig erklären, zumal die Rückmeldungen der Gäste auf die Arbeit des neuen Küchenchefs Harald Derfuß „äußerst zufrieden“ seien. „Das ist ein Verlust, der schmerzt und traurig macht“, sagt Geschäftsführerin Kirsten Moser.
Bib Gourmand 2020
Achern: Chez Georges
Bad Bellingen: Landgasthof Schwanen
Bad Peterstal-Griesbach: Kaminstube im Dollenberg
Berghaupten: Hirsch
Bonndorf: Sommerau
Denzlingen: Rebstock-Stube
Donaueschingen: Baaders Schützen
Durbach: [maki:´dan] im Hotel Ritter neu
Elzach: Schäck‘s Adler
Rössle
Endingen: Die Pfarrwirtschaft
Endingen-Kiechlinsbergen: Dutters Stube
Feldberg: Adler Bärental
Freiamt: Zur Krone
Friesenheim: Mühlenhof
Gengenbach: Ponyhof
Die Reichsstadt
Glottertal: Wirtshaus zur Sonne,
Zum Goldenen Engel
Gottenheim: Zur Krone neu
Grenzach-Wyhlen: Rührberger Hof
Heitersheim: Landhotel Krone
Hüfingen: Landgasthof Hirschen
Ihringen: Bräutigam
Holzöfele
Kandern: Pfaffenkeller
Kappelrodeck: Zum Rebstock
Kenzingen: Scheidels Restaurant zum Kranz
Kirchzarten: Schlegelhof
Sonne
Kleines Wiesental: Sennhütte
Klettgau: Landgasthof Mange
Königsfeld: Café Rapp
Konstanz: Brasserie Colette Tim Raue
Lahr-Reichenbach: Adler – Gasthaus
Lautenbach: Sonnenhof
March: Jauch‘s Löwen
Oberried: Die Halde
Gasthaus Sternen Post
Offenburg: Blume
Ringsheim: Heckenrose
Sankt Märgen: Zum Kreuz
Sasbachwalden: Badische Stuben & Restaurant Fallert im Hotel Talmühle
Der Engel
Schopfheim: Mühle zu Gersbach
Schramberg: Gasthof Hirsch
Staufen: Die Krone
Stühlingen: Gasthaus Schwanen, Geng‘s Linde
Sulzburg: Landgasthof Rebstock
Tengen-Wiechs: Gasthof zur Sonne
Todtnau: derWaldfrieden
Villingen-Schwenningen: Rindenmühle
Waldkirch: Zum Storchen
Freiburg hat im aktuellen Guide Michelin nun nur noch eine Sterneadresse – die Wolfshöhle von Sascha Weiß –, denn auch das Restaurant s’Herrehus im Schloss Reinach in Munzingen hat seinen Stern verloren. Allerdings mit Ansage. Denn Anfang Januar hatte das Gourmetrestaurant zuletzt geöffnet, danach wurden die Räume umgebaut und Mitte Februar mit neuem Namen und neuem Konzept wieder eröffnet. Das „Regional“ setzt, wie der neue Name schon sagt, auf regionale Produkte, und die Küche soll, so steht es auf der Intenetseite, „bodenständig bleiben und nicht nach den Sternen greifen“.
Eine ähnliche Entscheidung hatte der Betreiber des Durbacher Hotels Ritter, Dominik Müller, zusammen mit seinem Küchenchef André Tienelt bereits vergangenes Jahr getroffen. Im März 2019 hatten sich die beiden von ihrem Gourmetrestaurant Wilder Ritter verabschiedet und im April 2019 stattdessen das [maki:´dan] eröffnet, das legerer und erschwinglicher sein will und damit die Hemmschwelle zur Gourmetküche senken soll. Zudem ging es um die Prozesse im Hintergrund, erklärt Ritter-Marketingleiterin Ina Wiedmann. Nun könne ein Küchenteam die zwei Restaurants (außer dem Gourmetrestaurant gibt es die traditionelle Ritter Stube) und die Hotelgäste versorgen, nicht wie vorher drei getrennte. Das schaffe bei knappem Fachkräfteangebot neue Kapazitäten. Statt eines Sterns erhielt der Ritter für sein [maki:´dan] einen Bib Gourmand. „Damit sind wir sehr glücklich“, sagt Wiedmann. „Das passt zum Konzept.“
Die Zahl der Sterne in der Region insgesamt bleibt konstant. Denn während vier Häusern der Stern abhanden gekommen ist, freuen sich vier neue Restaurants über die Auszeichnung: s’Äpfle im Seehotel Villa Linde in Bodmann am Bodensee, das Ösch Noir im Öschberghof in Donaueschingen, die Traube in Efringen-Kirchen sowie das Oscars im Parkhotel Adler in Hinterzarten. Und alle vier Zwei-Sterne-Häuser haben ihre Auszeichnungen gehalten (siehe auch Kasten).
Viel Bewegung gab es indes beim neuen „Bib Gourmand“, der Restaurants für gute Küche mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis auszeichnet. Das bedeutet: Das Drei-Gänge-Menü darf nicht mehr als 37 Euro kosten. Zehn Häuser aus der Region, die in der Ausgabe 2019 gelistet waren, haben diese Auszeichnung 2020 nicht mehr, nur zwei haben sie neu erhalten– das oben erwähnte [maki:´dan] in Durbach und der Landgasthof Zur Krone in Gottenheim.
Ralf Finkenflügel, Direktor des Guide Michelin Deutschland, teilt auf Nachfrage zu den Gründen mit: „Die Bewertungskriterien wurden nicht verändert und wir haben auch keine neuen Inspektoren eingestellt. Die Kriterien sind international einheitlich. Die Bib Gourmands wurden teilweise aus Leistungsgründen gestrichen, teilweise weil diese das Preislimit von 37 Euro überschritten haben.“ Diese Grenze wurde zuletzt 2016 von 35 auf 37 Euro angehoben. Ein genauer Blick zeigt: Viele Häuser in der Region wurden aus Preisgründen aus der Bib Gourmand-Liste gestrichen, sie haben stattdessen den „Assiette“ erhalten. Der Michelin-Teller steht für „eine Küche mit guter Qualität, Qualitätsprodukte, fachkundig zubereitet: einfach ein gutes Essen“.
Elias Baumgartner vom Hirschen in Freiburg-Lehen ist damit ganz zufrieden. „Hauptsache wir stehen da drin und die Leute kommen“, sagt der Juniorchef, der den Familienbetrieb seit zwei Jahren zusammen mit seinem Vater Werner Baumgartner führt. Hanspeter Rombach von der Sonne in St. Peter dagegen ärgert sich. „Ich lass’ mir als Gastronom nicht die Preise vom Michelin diktieren“, sagt er. Vier Jahre seien eine viel zu lange Zeit ohne Preiserhöhung. „Die Löhne sind um ein Vielfaches gestiegen.“ Etwas enttäuscht ist der Sonnen-Wirt auch, dass er nicht den neuen grünen Stern für sein nachhaltiges Konzept erhalten hat – regionale Lebensmittel, 80 Prozent bio und eine Umwelterklärung. Konsequenzen befürchtet Rombach allerdings nicht, am Bib Gourmand würden sich Reisende mehr denn Einheimische orientieren.
Die Sternehäuser in der Region
Bad-Peterstal-Griesbach: Le Pavillon im Hotel Dollenberg (Küchenchef: Martin Hermann)
Konstanz: Ophelia im Hotel Riva (Dirk Hoberg)
Rust: Ammolite im Hotel Bell Rock/Europa-Park (Peter Hagen-Wiest)
Sulzburg: Hirschen (Douce Steiner & Udo Weiler)
Bad Krozingen: Storchen (Fritz & Jochen Helfesrieder)
Bad Säckingen: Genuss-Apotheke (Raimar Pilz)
Bodmann-Ludwigshafen: s´Äpfle im Seehotel Villa Linde (Kevin Leitner) neu
Donaueschingen: Ösch Noir im Öschberghof (Manuel Ulrich) neu
Efringen-Kirchen: Traube (Brian Wawryk) neu
Endingen: Merkles Restaurant (Thomas Merkle)
Freiburg: Wolfshöhle (Sascha Weiss)
Grenzach-Wyhlen: Eckert (Nicolai Wiedmer)
Häusern: Adler (Florian Zumkeller & Matthias Baumann)
Hinterzarten: Oscars im Parkhotel Adler (Daniel Weimer) neu
Horben: Gasthaus zum Raben (Steffen Disch)
Konstanz: San Martino (Jochen Fecht)
Lahr-Reichenbach: Adler (Daniel Fehrenbacher)
Öhningen: La Falconera (Johannes Wuhrer)
Pfaffenweiler: Zehner‘s Stube (Fritz Zehner)
Tuttlingen: Anima (Heiko Lacher)
„Wir waren schon überrascht“, sagt Christine Grieshaber, die seit 27 Jahren mit ihrem Mann Rudi Grieshaber’s Rebstock in Kehl führt. Die Qualität sei gleich geblieben, die Preise habe man leicht angehoben, zumal die Kosten – für Brandschutz, Hygiene und vor allem Fachkräfte – hoch seien. Mehr als 20 Jahre hatte der Rebstock einen Bib Gourmand. Ob sich sein Fehlen bemerkbar macht, wird sich erst noch zeigen. Im März beschäftigte das Coronavirus das Haus weit mehr, denn deshalb fehlten beispielsweise die Abgeordneten und Mitarbeiter des Europa-Parlamenets als Gäste.
Auch Niklas Grom, der zusammen mit seinem Bruder Jason Grom seit September 2017 dieBurg in Donaueschingen-Aasen betreibt, überraschte der neue Michelin. „Wir haben die Preise nur moderat angehoben“, sagt er. Grom vermutet, dass die Michelin-Tester vergangenes Jahr gar nicht in Aasen waren, denn der Text und die beschriebenen Gerichte in der 2020er-Ausgabe seien genau dieselben wie ein Jahr zuvor.
Nico Stachel vom Kühlen Krug in Freiburg-Günterstal ist nicht enttäuscht. „Wenn man übernimmt behält man die Auszeichnung ja nicht automatisch“, sagt der junge Koch, der das Traditionshaus seit August 2019 als Nachfolger von Georg Fehrenbach weiterführt. Er habe die Mehrheit der Stammgäste von seiner jüngeren, moderneren Karte überzeugen können, damit sei er zufrieden.
„Positiv, aber trotzdem traurig.“ So fasst Hermann-Josef Strecker seine Stimmung zusammen, nachdem sein Hirschen in Glottertal den Bib Gourmand verloren hat. Er vermutet, dass sein recht hohes Preisniveau der Grund dafür ist, wenngleich es auf der Karte des Hirschen nach wie vor ein Drei-Gänge-Menü für genau 37 Euro gibt. Denn damit könne er den Aufwand in der Küche geringer halten, begründet Strecker, der den Familienbetrieb zusammen mit seiner Frau seit Anfang der 1980er-Jahre in vierter Generation führt. Er hat in guten Häusern gelernt und sei anfangs „immer dem Stern hinterhergehechelt“, ehe er sich entschied, einfach seinen eigenen Stil zu kochen. Damit habe er „immer ein volles Haus und zufriedene Gäste“ gehabt. Jetzt hofft Strecker, dass die ihm auch ohne die Michelin-Auszeichnung die Treue halten.
Text: kat
Bild: Hirschen Sulzburg/Michael Wissing
Hinweis: Die Gespräche mit den Restaurantbetreibern haben stattgefunden, ehe die Verordnung der Landesregierung dafür sorgte, dass fast alle Gastronomiebetriebe ihren Betrieb einstellen mussten.