Mobiles Arbeiten und Homeoffice liegen im Trend. Eine große Herausforderung für Unternehmenslenker, wie eine Studie von Great Place To Work und der IHK Südlicher Oberrhein verdeutlicht.
Homeoffice und hybrides Arbeiten – vor Corona war das oft nur eine Spielwiese für bestimmte Beschäftigte in Deutschland. Doch die Pandemie hat die Arbeitswelt durcheinandergewirbelt, nur die wenigsten Büroarbeitskräfte möchten heute noch darauf verzichten, von zu Hause aus oder unterwegs arbeiten zu können.
Doch wie fühlen sich die Beschäftigten in ihrer aktuellen Arbeitsplatzsituation? Für Unternehmen ein wichtiger Gradmesser für die weitere Planung. Das Forschungsinstitut Great Place To Work hat zusammen mit der IHK Südlicher Oberrhein Arbeitnehmer in ganz Deutschland befragt, um das herauszufinden.
Ein zentrales Ergebnis: Aus Sicht der Mitarbeiter wäre fast jeder zweite Arbeitsplatz in ihrem Unternehmen remotefähig, also unabhängig von einem bestimmten Standort.
rwartungsgemäß ist die Quote in der Informations- und Kommunikationsbranche mit 86 Prozent besonders hoch, aber selbst im Gesundheits- und Sozialwesen hält ein Drittel der Befragten das mobile Arbeiten zumindest teilweise für möglich.
Jüngere finden Büro gut, Ältere verzichten gerne
Aber: Kaum jemand möchte seinen Arbeitsalltag nur im Büro oder zu Hause verbringen (jeweils 11 Prozent). 18- bis 25-jährige Beschäftigte möchten zwar gerne hybrid arbeiten, 56 Prozent von ihnen wünschen sich aber, dass dabei der Schwerpunkt auf der Präsenz im Büro liegt. Andreas Schubert, Geschäftsführer von Great Place To Work, überrascht das nicht. „Junge Menschen, die in die Arbeitswelt streben, brauchen ein Netzwerk, Austausch und auch einen Schulterblick. Das alles passiert im Büro.“
Mitarbeiter ab 55 Jahre zieht es dagegen verstärkt ins Homeoffice. 55 Prozent der Befragten in dieser Altersgruppe wünschen sich, dass sie vollständig oder hauptsächlich von zu Hause aus oder unterwegs arbeiten können. Das hat einen einfachen Grund. Ältere haben sich über die Jahre bereits ein gutes Netzwerk im Unternehmen aufgebaut, sie kennen sich untereinander und können aus ihrer Sicht auf eine verstärkte körperliche Anwesenheit im Unternehmen verzichten.
Chefs stark gefordert
Die Chancen des typischen Aufeinandertreffens der Kollegen in der Kaffeeküche, auf dem Gang oder im Besprechungsraum sinken also zunehmend. „Für Führungskräfte ist der Wandel in der Arbeitswelt eine große Herausforderung“, sagt Schubert. „Sie müssen Begegnung inszenieren, Zeiten und Räume schaffen, wo Führung mit Mitarbeitern auf persönlicher Ebene stattfindet. Das kann man nicht dem Zufall überlassen, wie in der Vergangenheit. Es muss viel bewusster gesteuert werden.“
Das Arbeitsplatzmodell und die -ausgestaltung sind tatsächlich auch entscheidend dafür, wie zufrieden Beschäftigte mit ihrem Arbeitgeber sind. Der Umfrage zufolge bewerten Mitarbeiter, die in einem hybriden Arbeitsmodell tätig sind, die Arbeitsplatzkultur in ihrem Unternehmen deutlich positiver als Beschäftigte, die nicht remote arbeiten.
Das bedeutet aber nicht, dass Führungskräfte die Ausgestaltung des Büroarbeitsplatzes vernachlässigen können. Denn fast drei Viertel (74 Prozent) der Befragten kommen ins Büro, um konzentriert arbeiten zu können. „Das bedeutet, dass die Arbeitsplatzatmosphäre vor Ort dies auch zulassen muss“, sagt Emmanuel Beule, Referent Digitale Unternehmensentwicklung bei der IHK Südlicher Oberrhein. „Es geht nicht einfach nur darum, Büromöbel zu kaufen. Man braucht ein Konzept.“ Denn fast genauso wichtig ist den Mitarbeitern laut Studie das Treffen mit den Kollegen (70 Prozent). Auch hierfür müssen die richtigen Räume geschaffen werden.
Beule sieht in den Ergebnissen eine wichtige Aufgabenstellung für die Führung in den Unternehmen. Denn der verstärkte Wunsch der Beschäftigten nach Arbeit im Homeoffice rückt angesichts der Energiekrise auch die Frage nach der Kostenverteilung in den Vordergrund.
Alle müssen abgeholt werden
Die mögliche Sorge von Führungskräften, dass die Mitarbeiter im Homeoffice weniger produktiv sind, wird durch die Studie übrigens nicht untermauert. 56 Prozent der Befragten sehen durch die Arbeit zu Hause sogar einen Produktivitätszuwachs, weitere 30 Prozent immerhin keine Verschlechterung ihrer Arbeitsleistung. Ein Problem der Remote-Arbeit stellt sich jedoch bei denjenigen dar, die ausschließlich von zu Hause aus arbeiten möchten. Ihnen ermöglicht das Homeoffice, sich noch besser abzukapseln, der Kontakt zu Kollegen und Teamgeist spielen für sie meist eine untergeordnete Rolle wie die Umfrage belegt. „Das deutet auch auf ein Rückzugsverhalten dieser Mitarbeitergruppe hin. Die Menschen, die keine Teamplayer sind, gehen durch die Remote-Arbeit noch stärker verloren“, so Schubert.
Emmanuel Beule leitet daraus ab, dass die Mitarbeiterführung der Zukunft nicht singulär, sondern hybrid erfolgen muss. „Das ist durchaus anstrengend für beide Seiten – Führungsverantwortliche als auch Beschäftigte. Man muss sich um die kümmern, die nach dem klassischen Modell arbeiten wollen, und um die, die neue Arbeitsideen mitbringen. Das kostet mindestens die doppelte Zeit.“
Text: tas
Bild: Adobe Stock – Golden Sikorka
Great Place to Work und IHK Südlicher Oberrhein ließen im März bundesweit 1.032 Arbeitnehmer in einer repräsentativen Onlinebefragung zu ihren Erfahrungen rund um das hybride Arbeiten und ihren Vorlieben zu Wort kommen. Die Teilnehmer arbeiteten Minimum 15 Stunden in der Woche und stammten aus Unternehmen mit mindestens 20 Mitarbeitern. Die Studie ist Teil des Themenjahrs „Business Continuity & Capability Management“ (Umgang mit Krisen und Opportunitäten) der IHK Südlicher Oberrhein, das 2023 mit verschiedenen Veranstaltungen und Exkursionen aufwartet. Mehr unter: www.impulsnetzwerk.ihk.de