Seit April 2024 sitzt Carsten Gabbert im Chefsessel des Regierungspräsidiums Freiburg. Sein Auftrag: einerseits die Politik der Landesregierung umsetzen, andererseits die Bedürfnisse der Landkreise und Kommunen nach Stuttgart tragen. Wir aber wollten wissen: Was tut er für die Wirtschaft?

Unternehmen klagen über zu viel Bürokratie und zu wenig Unterstützung seitens der Politik. Warum Carsten Gabbert nicht alles für so schlimm hält, erklärt er im Interview mit Redakteurin Daniela Santo.
Herr Gabbert, hinter Ihnen liegen vier Jahre Veränderungen – vom Bürgermeister zum Unternehmer und dann zum Regierungspräsidenten. Wie fühlt sich das an?
Carsten Gabbert: Das fühlt sich sehr gut an. Die Chance, Regierungspräsident zu werden, habe ich sehr gern angenommen – gerade wegen der vielen Herausforderungen. Dazu gehört zum Beispiel der Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, aber auch die Organisation eines so großes Hauses mit 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das ja Teil der Innenverwaltung des Landes ist. Und auch wenn ich viel Neues dazulerne, kann ich doch einiges aus meiner Zeit vorher mitbringen – sowohl auf kommunaler Ebene als auch aus meiner Selbstständigkeit.
Sitzen Sie schon so richtig fest im Sattel?
Ja, ich finde schon. Ich bin toll ongeboardet
worden, gleichzeitig war ich auch relativ schnell drin.
Was machen Sie anders als Ihre Vorgängerin Bärbel Schäfer?
Wir bringen sehr unterschiedliche berufliche Hintergründe mit und sind unterschiedliche Persönlichkeiten. Und so hat Bärbel Schäfer ihren Blick gehabt und ich habe meinen. Außerdem kann ich schlecht beurteilen, was sie anders gemacht hat, da ich ja nicht dabei war. Aber in meinen Augen ist es immer auch eine Chance, wenn jemand Neues kommt und seine eigene Persönlichkeit miteinbringt.
Zu Ihren Aufgaben als Regierungspräsident gehört auch die Förderung der Wirtschaft. Was tun Sie konkret?
Städtebauförderung zum Beispiel. Da ist in den vergangenen 50 Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen gelaufen – mit einem Volumen von fast zwei Milliarden Euro. Auch beim Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum sind die Zahlen beeindruckend: Wir machen das seit 30 Jahren und gehen davon aus, dass jeder Euro, den wir als Zuschuss reinbringen, sich ungefähr verzehnfacht in der Wirkung. Mit rund 150 Millionen Euro in drei Jahrzehnten sind wir bei einem Volumen von immerhin eineinhalb Milliarden Euro. Dann haben wir mit der Tourismusinfrastrukturförderung ein Programm, von dem kleine Kommunen, aber auch die größeren touristischen Player profitieren. Nicht zu vergessen sind unsere Aufgaben im Bereich Arbeitsschutz und Gewerbeaufsicht, die für Unternehmen eine große Rolle spielen.
Trotz aller Förderprogramme stehen viele Kommunen angesichts steigender Kosten im Krankenhaus- und Sozialbereich vor riesigen Problemen – und das, obwohl die Steuereinnahmen steigen.
Meine sehr unromantische Antwort lautet: Wir haben als Regierungspräsidium hier keinerlei Zuständigkeiten. Wir sind für die Landratsämter und Großen Kreisstädte die Kommunalaufsicht. Das heißt, wir genehmigen die Haushalte inklusive der Kreditaufnahme. Aber wir haben keinen direkten Einfluss auf die Kosten, die Kommunen tragen müssen, etwa für Krankenhäuser oder Ganztagsbetreuung.
Um Ausgaben bewältigen zu können, sind Kommunen vor allem auf die Einnahmen aus der Gewerbesteuer angewiesen. Diese Gelder aber gehen verloren, wenn Unternehmen abwandern, weil sie vor Ort keine Möglichkeit haben zu expandieren…
Das ist richtig. Und weil wir nicht nur Genehmigungsbehörde sind, sondern uns auch als Partner und Berater verstehen, kommen wir bei konkreten Vorhaben mit Unternehmen ins Gespräch und überlegen gemeinsam, wie Vorgaben der Regionalplanung und der Flächennutzungspläne (für die allerdings die Kommunen zuständig sind) eingehalten werden können oder welche anderen Möglichkeiten es gibt.
Zu den großen Herausforderungen unserer Zeit – für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – gehört die Klimakrise. Wie beurteilen Sie den Spagat zwischen wirtschaftlichem Wachstum und den Anforderungen des Klimaschutzes?
Das ist leider ein sehr schwieriges Thema. Vor 20, 30 Jahren hatte man die Hoffnung, dass es gelingt, den wirtschaftlichen Erfolg vom Ressourcen- und Energieverbrauch abzukoppeln. Das ist uns weltweit aber nie gelungen. Und nun sind wir in der Situation, dass neue Technologien – von Cloud über Blockchain bis hin zu KI – einen hohen Energieverbrauch haben. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir den Strom erneuerbar produzieren. Im Übrigen ist der Klimaschutz keine Bremse für die Wirtschaft, sondern soll mittelfristig für Wachstum sorgen.
Auf dem Weg in eine klimafreundliche Zukunft soll grüner Wasserstoff für Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Setzt sich das Regierungspräsidium für eine Versorgung ein?
Wir sprechen hier über viele Aspekte. Manchmal wird die Diskussion auf die Pipeline verengt. Ich weise bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass wir sehr gern mittelfristig diesen Lückenschluss hätten. Was bedeutet, dass wir aus unserer Endlage, betrachtet aus Richtung Nordschweiz, aber auch aus Rheinland-Pfalz, Nordbaden und dem Elsass, eine Kreuzungssituation schaffen. Wir freuen uns natürlich über die Genehmigung der Hochrheinpipeline als Teil des Wasserstoffkernnetzes, aber klar ist, dass es keine große Wasserstoffpipeline quer über den Schwarzwald geben wird. Stattdessen gibt es spannende, dezentrale Projekte wie etwa in Eisenbach, wo die Firma August Weckermann Wasserstoff selbst produziert. Wir werden auch weiterhin in Forschung investieren müssen, die klären muss, an welchen Stellen und Industriezweigen wir tatsächlich Wasserstoff brauchen, wie eine dezentrale Versorgung funktionieren und wie grün Wasserstoff tatsächlich bei uns ankommen kann. Wenn wir also genau hinschauen, wissen wir noch nicht wirklich, wohin die Reise geht.
Das Oberrheingebiet wird gern als Europa im Kleinen bezeichnet. Wie wichtig ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit?
Die Wichtigkeit bewerte ich mit maximal. Es ist doch unfassbar schön, wie wir hier mit unseren Nachbarländern zusammenarbeiten. Wenn man sich bewusst macht, wie es hier früher war, muss man sich klarmachen, wie wertvoll es ist, dass wir als Bürgerinnen und Bürger problemlos die Grenze wechseln, zum Sport, touristisch, beruflich oder familiär über die Grenze gehen können. Und das hilft uns natürlich auch als Wirtschaftsstandort.
Thema Bürokratie: Die Wirtschaft fordert sehr laut den Abbau der überbordenden Bürokratie. Wie sehen Sie das als Kopf einer Behörde?
Ich hinterfrage das ein Stück weit. In meinen Augen ist man zu schnell dabei, von überbordend zu sprechen. Oftmals kommt einfach raus, dass es an Personal fehlt. Beschweren sich Unternehmen bei mir, dass ein Vorgang zu kompliziert war oder zu lange gedauert hat, frage ich gern genau nach. Bisher bin ich in den seltensten Fällen an den Punkt angelangt, an dem ich zugeben musste, dass das wirklich furchtbar bürokratisch war. Ich will nicht sagen, dass alles gut ist, aber ich glaube, wir sind da nicht so schlecht, wie es manchmal hingestellt wird. An allen Stellen versuchen wir, die Verfahren schlank zu machen und schnell zu sein. Leider aber läuft die Digitalisierung der Verwaltung nicht ganz optimal. Man ist da noch nicht so weit, wie man vielleicht sein könnte.
Mit Blick auf die Landtagswahlen 2026 könnte Ihre Amtszeit frühzeitig zu Ende gehen. Was möchten Sie bis dahin auf jeden Fall erreicht haben?
In diesem Amt als politischer Beamter kann es sein, dass ich nächste Woche abgezogen werde, in zwei Wochen oder in 20 Jahren. Ich mache mir überhaupt keine Gedanken darüber, was passieren wird und plane deswegen auch nichts. Ob Wahl oder nicht, ich gebe jeden Tag Vollgas.
Bild: Britt Schilling
Carsten Gabbert...
… war 16 Jahre lang Bürgermeister von Schuttertal. Seit 2020 war er als Berater in der IT-Branche selbstständig tätig, bevor ihn Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum 1. April zum Regierungspräsidenten ernannte.
Seit 1994 ist Gabbert Mitglied von
Bündnis 90/Die Grünen.