Produkt- und Markenpiraterie macht nicht nur internationalen Markenherstellern zu schaffen, sondern auch vielen Mittelständlern in der Region. Denn gefälscht werden nicht nur Gucci-Taschen, Rolex-Uhren und Nike-Turnschuhe, sondern auch Bogenzubehör, Armaturen und Wasserhahneinsätze, wie die Beispiele von Beiter, Neoperl und Hansgrohe zeigen.
Die Woche beginnt für Andreas Lorenz immer mit einem virtuellen Rundgang durch chinesische Onlineshops. Bei Alibaba, Taobao, Aliexpress und anderen Handelsplattformen sucht der Verkaufsleiter der Werner Beiter GmbH & Co.KG nach Fälschungen von Beiter-Produkten – und wird stets fündig. „Die Chinesen stellen wahrscheinlich mehr Fälschungen her als wir Originale“, sagt Lorenz. Beiter produziert Zubehör für den modernen Bogensport. Die wichtigsten Produkte sind Pfeilenden, sogenannte Nocken, und die Gegenstücke auf der Sehne, die sogenannten Nockpunkte. Unter Sportbogenschützen ist der Name Beiter so bekannt wie Adidas oder Nike, fast die gesamte Weltelite schießt mit Beiter-Produkten. Das Unternehmen aus Dauchingen am nordöstlichen Rand des Schwarzwald-Baar-Kreises ist somit zugleich Weltmarktführer und Kleinstbetrieb. Es beliefert Kunden in mehr als 60 Ländern direkt, ist weltweit über Händler vertreten und zählt doch nur ein Dutzend Mitarbeiter – inklusive der geschäftsführenden Familie. Ein neues Hobby des Firmengründers führte zu dieser Spezialisierung und Marktstellung. Werner Beiter hatte die nach ihm benannte Firma 1968 als Konstruktionsbüro für Kunststoffteile und Spritzgusswerkzeuge gestartet, produzierte für die Elektronikindustrie, die Feinwerk- und die Medizintechnik. Weil Handball ihm zu anstrengend wurde, verlegte sich Beiter, ein typischer schwäbischer Tüftler, auf den Bogensport, entwickelte dafür sogleich technische Neuerungen und ließ diese patentieren. Das war 1985. Schon ein Jahr später wurde der erste Schütze mit Beiter-Technik Weltmeister, nach zwei Jahren hatte fast die gesamte Bogensportelite auf Beiter-Nocken umgestellt.
Plagiate waren die längste Zeit kein Thema für das Unternehmen gewesen. Zwar tauchten ab und an mal ähnliche Produkte auf – „aber das hat uns nie Angst gemacht“, berichtet Nicole Beiter-Lorenz. Die Tochter von Werner Beiter führt das Unternehmen mittlerweile, ihr Mann Andreas Lorenz ist Verkaufsleiter. Der Südtiroler zählte früher selbst zu den Topbogenschützen und engagiert sich heute im Weltverband. An den Tag, der alles änderte, erinnert sich Lorenz noch sehr genau. Es war Anfang des Jahres 2015, er saß hinter seinem Stand auf der US-amerikanischen Bogensportfachmesse in Indianapolis, als ein europäischer Händler ihm bei Facebook einen Link zeigte, der zu gefälschten Beiter-Produkten führte. Dort fanden sich in großer Zahl alle ihre Nocken, komplett und flächendeckend kopiert, inklusive Name und Logo. Eigene Recherchen zeigten ihnen das ganze Ausmaß, zum Teil führten chinesische Großhändler sowohl Originale als auch Fälschungen. „Da hat sich ein Abgrund für uns aufgetan“, sagt Beiter-Lorenz. Seither fechten sie und ihr Mann einen schier aussichtslosen Kampf. Sie haben viel Geld, Nerven und schlaflose Nächte investiert, Geschäftsbeziehungen überdacht, Partner und Verbände kontaktiert und immer wieder gemerkt: Schutzrechte zu haben ist das eine, sie durchzusetzen etwas ganz anderes. Vor allem, wenn die dafür nötigen Mittel begrenzt sind. „Uns kostet das genauso viel wie die Großen, aber für uns als Kleinbetrieb hat das eine ganz andere Dimension“, sagt Nicole Beiter-Lorenz. Einmal beteiligten sie sich dennoch an einer Razzia in China, die ein US-Mitbewerber organisiert hatte. Der Erfolg war ernüchternd, die beschlagnahmten Waren und Werkzeuge wurden nicht ausgehändigt und verschwanden. Wenn einer aufhört, fängt ein anderer an. Mit zunehmender Dreistigkeit. Mittlerweile werden nicht nur Nocken gefälscht, sondern weitere Produktreihen von Beiter und nur etwas billiger als das Original verkauft, sodass es wie ein Rabatt anmutet.
Plagiate waren die längste Zeit kein Thema für das Unternehmen gewesen. Zwar tauchten ab und an mal ähnliche Produkte auf – „aber das hat uns nie Angst gemacht“, berichtet Nicole Beiter-Lorenz. Die Tochter von Werner Beiter führt das Unternehmen mittlerweile, ihr Mann Andreas Lorenz ist Verkaufsleiter. Der Südtiroler zählte früher selbst zu den Topbogenschützen und engagiert sich heute im Weltverband. An den Tag, der alles änderte, erinnert sich Lorenz noch sehr genau. Es war Anfang des Jahres 2015, er saß hinter seinem Stand auf der US-amerikanischen Bogensportfachmesse in Indianapolis, als ein europäischer Händler ihm bei Facebook einen Link zeigte, der zu gefälschten Beiter-Produkten führte. Dort fanden sich in großer Zahl alle ihre Nocken, komplett und flächendeckend kopiert, inklusive Name und Logo. Eigene Recherchen zeigten ihnen das ganze Ausmaß, zum Teil führten chinesische Großhändler sowohl Originale als auch Fälschungen. „Da hat sich ein Abgrund für uns aufgetan“, sagt Beiter-Lorenz. Seither fechten sie und ihr Mann einen schier aussichtslosen Kampf. Sie haben viel Geld, Nerven und schlaflose Nächte investiert, Geschäftsbeziehungen überdacht, Partner und Verbände kontaktiert und immer wieder gemerkt: Schutzrechte zu haben ist das eine, sie durchzusetzen etwas ganz anderes. Vor allem, wenn die dafür nötigen Mittel begrenzt sind. „Uns kostet das genauso viel wie die Großen, aber für uns als Kleinbetrieb hat das eine ganz andere Dimension“, sagt Nicole Beiter-Lorenz. Einmal beteiligten sie sich dennoch an einer Razzia in China, die ein US-Mitbewerber organisiert hatte. Der Erfolg war ernüchternd, die beschlagnahmten Waren und Werkzeuge wurden nicht ausgehändigt und verschwanden. Wenn einer aufhört, fängt ein anderer an. Mit zunehmender Dreistigkeit. Mittlerweile werden nicht nur Nocken gefälscht, sondern weitere Produktreihen von Beiter und nur etwas billiger als das Original verkauft, sodass es wie ein Rabatt anmutet.
Die bietet beispielsweise der – auch auf Initiative der IHKs – 1997 gegründete Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM). Er vereint bundesweit knapp 60 unterschiedlich große Unternehmen im Kampf gegen Fälschungen. Die Liste der Mitglieder reicht von Adidas bis ZF Friedrichshafen, umfasst also Markenhersteller gleichermaßen wie Automobilzulieferer, auch Medizintechnikhersteller, Werkzeug- und Maschinenbauer sind darunter. Denn gefälscht wird alles, was sich verkaufen lässt, klassische Markenware genauso wie Schrauben, Auto- und Maschinenteile, ja ganze Maschinen. Schätzungsweise drei Viertel der deutschen Unternehmen sind betroffen. Der APM sieht sich vor allem als Plattform für Erfahrungsaustausch. Für einen Jahresbeitrag von aktuell 3.500 Euro (unabhängig von der Unternehmensgröße) bietet er seinen Mitgliedern Seminare, vertritt ihre Interessen im In- und Ausland und informiert die Öffentlichkeit über Plagiate – beispielsweise mit der Wanderausstellung „Schöner Schein, dunkler Schatten“, die jetzt in Freiburg gastiert.
Den von Produktpiraten verursachten Schaden beziffert der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) allein für seine Branche auf rund 7,3 Milliarden Euro. Die Umsatzverluste für die gesamte deutsche Wirtschaft schätzt das Wirtschaftsministerium auf mehr als 50 Milliarden Euro. Vergangenes Jahr beschlagnahmte der Zoll in mehr als 37.000 Fällen Fälschungen. Allein bei den Hauptzollämtern Singen und Lörrach belief sich deren Wert auf jeweils rund eine halbe Million Euro. Die Europäische Kommission meldete für 2017 EU-weit knapp 70.000 Fälle gefälschter Produkte mit einem Marktwert von mehr als 580 Millionen Euro.
Oft wissen die Händler gar nicht, dass sie Fälschungen im Sortiment haben. Deshalb tourt Eva Hilbert regelmäßig durch Baumärkte. Ausgestattet mit Lupe und Werkzeug inspiziert die junge Ingenieurin dort das Armaturensortiment. Eva Hilbert interessiert der letzte Zentimeter der Wasserhähne, wo die Produkte ihres Arbeitgebers verbaut sind beziehungsweise sein sollten. Neoperl (weltweit rund 1.900 Mitarbeiter, circa 314 Millionen Euro Umsatz 2018) produziert sogenannte Strahlregler, also die kleinen Siebe vorne am Hahn, die den Wasserstrahl formen. Das Müllheimer Unternehmen ist damit Weltmarktführer, es beliefert Armaturenhersteller in mehr als 70 Ländern. Rund 150 Millionen Strahlregler verließen vergangenes Jahr das Werk in Müllheim. Der Erfolg ruft Nachahmer auf den Plan, deshalb ist Eva Hilbert unterwegs. Sie sucht gezielt nach Fälschungen. Bei ihrer jüngsten Tour in Frankreich wurde sie an einem Tag ein halbes Dutzend Mal fündig. Die Größenordnung der Plagiate liegt insgesamt zwischen zehn und fünfzehn Prozent der eigenen Produktion, schätzt Christoph Weis, Geschäftsführer Innovation bei Neoperl.
Die „Fakes“, wie Weis jene Produkte nennt, die gegen die eigenen gewerblichen Schutzrechte verstoßen, sind im Falle Neoperls gar nicht so einfach zu entdecken: Man muss die Armatur aufschrauben oder auseinandernehmen und das Sieb mit der Lupe inspizieren. Auf dem Original ist immer irgendwo der Markenname zu finden, den haben die Fälscher bislang nicht verwendet. Hilbert und Weis legen die Fälschungen unters Mikroskop, einige haben sie auch schon durch den Computertomografen geschickt, um das Innenleben und die Bauweise inspizieren zu können. Produktpiraterie beschäftigt Neoperl seit Anfang der Nullerjahre, es begann mit dem Erstarken des chinesischen Marktes. Die ersten Fakes waren noch recht stümperhaft, sie haben sich aber zusehends verbessert. Mittlerweile braucht es oft Kennerblick und -wissen, um Original und Fälschung zu unterscheiden.
Weis spricht mit Respekt über China – „viele unserer Kunden sind chinesische Hersteller“ – und auch über die Firmen, die ihm das Leben schwer machen. Er kann sich vorstellen, dass sie irgendwann gut genug werden, um eigene Produkte herzustellen, statt die anderer zu fälschen. Das könnte das Problem der Piraterie verkleinern. Bis es soweit ist, verfolge Neoperl eine „Strategie der vielen kleinen Nadelstiche“. Christoph Weis reist mehrmals pro Jahr an die chinesische Südküste, wo sich die Armaturenhersteller konzentrieren – Markenhersteller, die Neoperls Kunden sind, gleichermaßen wie Hersteller der Fakes. Hier trifft er sich mit chinesischen Anwälten, die wiederum einheimische Detektive engagieren, um den Anfang der Kette zu finden, also die Fälscher aufzuspüren. „Als Westler hat man da keine Chance“, sagt Weis. Es seien meist kleine Hinterhoffirmen, die häufig unter abenteuerlichen Bedingungen produzieren und die Fakes über viele verschiedene Kanäle in den Markt bringen. Sie landen mitunter auch bei Neoperl-Kunden, die davon gar nichts wissen, denn das ihnen vorgelegte Muster enthielt noch das Original.
Oberste Priorität ist es laut Weis, die weitere Verbreitung der Fakes zu stoppen. Das klappt nicht immer außergerichtlich. Derzeit laufen in China 44 Verfahren wegen Verletzung von Neoperls Patentrechten. Bislang waren die Müllheimer in allen Streitfällen erfolgreich. Allerdings ist der zugesprochene Schadensersatz stets zu gering oder nicht zu bekommen, und die Produktion wird meist schnell unter neuem Namen und anderen Eigentumsverhältnissen fortgesetzt. Der Kampf scheint frustrierend, und doch bewirkt er etwas. Denn die Gerichtsprozesse erschweren den Fälschern immerhin ihr Tun. Und vor allem weiß man, dass Neoperl sich wehrt. So trägt die Mühe denn doch Früchte. Wenn wie zuletzt im Frühjahr diesen Jahres beim Zollrundgang auf der ISH in Frankfurt ein Pulk von Beamten, Patentanwälten und Unternehmensvertretern mit ihren Lupen durch die Hallen der wichtigsten Messe der Sanitärbranche sieht, stoßen sie mittlerweile auf keine gefälschten Neoperl-Produkte mehr. Und Eva Hilbert tourt nicht mehr durch deutsche Baumärkte, weil sie dort die vergangenen Male nichts mehr gefunden hat.
Insgesamt allerdings hat das Ausmaß von Produkt- und Markenpiraterie in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten deutlich zugenommen mit teilweise skurrilen Ausmaßen. So machten wiederholt komplett kopierte Geschäfte in China Schlagzeilen – Apple-Shops, ein ganzes Ikea-Möbelhaus oder eine vollständig bestückte Filiale der deutschen Drogeriekette „dm“. Hotspot der Produkt- und Markenpiraterie ist nach wie vor Ostasien, vor allem China. Zwei Drittel der vom deutschen Zoll beschlagnahmten Plagiate kommen aus dem Reich der Mitte. Mehr Globalisierung, weniger Handelshemmnisse und der wachsende Internethandel erleichtern den Fälschern die Arbeit, auch moderne Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten sowie neue Produktionstechniken wie 3D-Druck. Die Strukturen sind für Europäer oft undurchschaubar. Es gibt meist nicht nur den einen Fälscher, sondern umfangreiche Netzwerke von vielen kleinen Firmen. Jeden Produktions- und Vertriebsschritt macht eine andere. Alexander Gangnus spricht von einer „Atomisierung der Fälscheraktivitäten“. Der Sinologe arbeitet für die Münchner Beratungsfirma Chinabrand IP Consulting, die sich auf den Schutz geistigen Eigentums – „Intellectual Property“, kurz: IP – westlicher Firmen in China spezialisiert hat.
Doch auch wenn die Fälscher selbst meist in der Ferne operieren: Manch ein Auftraggeber und vor allem viele Abnehmer der Plagiate sitzen in den westlichen Industrieländern. Produkt- und Markenpiraterie wird von den Verbrauchern gestärkt, meint Klaus Hoffmeister, Leiter der Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz des Zolls (ZGR) in München. „Fälschen gilt immer noch als Kavaliersdelikt“, bemängelt er. Dabei gehe es häufig sehr wohl um Sicherheit und Gesundheit. Hoffmeister berichtet beispielsweise von 300.000 gefälschten Autoersatzteilen, die seine Kollegen vergangenes Jahr aus dem Verkehr gezogen haben. Eine Menge der aufgegriffenen Waren stuft der Zoll als potenziell gesundheitsgefährdend ein. Das gilt beispielsweise für gefälschte Körperpflege und Medikamente, aber auch für Strahlregler von Neoperl und die Armaturen von Hansgrohe, die mit Trinkwasser in Berührung kommen.
Milliarden Waren kommen auf unterschiedlichen Wegen nach Deutschland, entsprechend vielfältig sieht die Arbeit des Zolls aus. „Wir hängen unsere Nase gerne überall rein“, sagt Hoffmeister. Abgefertigt wird längst nicht mehr nur an der Grenze, sondern bei der Post, in Häfen, bei Binnenzollämtern. Es heißt auch nicht mehr „Grenzbeschlagnahme“, sondern „sogenannte Grenzbeschlagnahme“. Entscheidend ist: Um überhaupt tätig werden zu können, braucht der Zoll einen Antrag des Originalherstellers. Und die Basis dafür sind wiederum die gewerblichen Schutzrechte.
Gewerbliche Schutzrechte
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) erteilt folgende gewerbliche Schutzrechte:
Patente schützen technische Erfindungen – Gegenstände oder Verfahren –, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Rechtsgrundlage ist das Patentgesetz (PagG), die Eintragung erfolgt beim DPMA, die maximale Schutzdauer beträgt 20 Jahre.
Gebrauchsmuster sind auch technische Schutzrechte für Erfindungen, eine Art „kleines Patent“ – schneller, einfacher und preiswerter als Patente. Sie sind insbesondere für Verbesserungserfindungen gedacht. Die Eintragung erfolgt beim DPMA, die Schutzdauer beträgt zunächst drei, maximal zehn Jahre.
Marken schützen grafisch darstellbare Zeichen und Bezeichnungen, um Waren oder Dienstleistungen zu unterscheiden. Es gibt Wortmarken (Buchstaben, Zahlen, Wörter, Sätze), Bildmarken (Abbildungen), Wortbildmarken (Logos, Kombination von Wort und Bild), Farbmarken (Formen, Verpackungen, Farbzusammenstellung), Hörmarken (Jingles oder Tonabfolgen) sowie Bewegungsmarken (Bildabfolgen). Die Eintragung erfolgt beim DPMA, die Schutzdauer beträgt zunächst zehn Jahre, sie ist unbegrenzt verlängerbar („ewiges Schutzrecht“).
Designs (vormals Geschmacksmuster) schützen die sichtbare äußere Form, Farbe und das Design eines Produkts. Die Eintragung erfolgt beim DPMA, die Schutzdauer beträgt maximal 25 Jahre.
Die nationalen Schutzrechte können sich exportierende Unternehmen auch international sichern lassen, wobei es nicht überall die gleichen gibt.
Ansprechpartner bei den IHKs:
Hochrhein-Bodensee: Susanne Tempelmeyer-Vetter, Telefon 07531 2860-126, susanne.tempelmeyer-vetter@konstanz.ihk.de
Schwarzwald-Baar-Heuberg: Rebecca Wetzel, Telefon 07721 922-181, wetzel@vs.ihk.de
Südlicher Oberrhein: Philipp Klemenz, Telefon 0761 3858-269, philipp.klemenz@freiburg.ihk.de
Mit Schutzrechten kennt Carmen Vetter sich aus. Die Ingenieurin leitet die gleichnamige Abteilung von Hansgrohe am Hauptsitz in Schiltach. Bei dem Schwarzwälder Armaturenhersteller (fünf Produktionsstandorte, rund 4.700 Mitarbeiter, Vertrieb in über 140 Ländern, rund 1,01 Milliarde Euro Umsatz 2018) steht der Schutz der eigenen Produkte an erster Stelle im Zusammenhang mit Produkt- und Markenpiraterie. Hansgrohe besitzt mehr als 15.000 aktive Schutzrechte weltweit – Designs, Marken, Patente. Carmen Vetter kümmert sich mit ihrem mittlerweile fünfköpfigen Team darum, diese zu bekommen und sie zu verteidigen. Das Thema hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, weshalb die Abteilung aufgestockt wurde. „Wir haben eine Flut von Fälschungen erlebt“, berichtet Vetter. Einen ersten riesigen Anstieg hatte Anfang der Nullerjahre die Brause „Raindance“ ausgelöst. Hansgrohe reagierte damals mit öffentlichkeitswirksamen Vernichtungsaktionen, ließ die Fälschungen containerweise schreddern, plattwalzen oder einschmelzen – auch zur Sensibilisierung der Verbraucher. Solche Großfunde gibt es mittlerweile kaum mehr. Der Vertrieb der Plagiate ist kleinteiliger geworden, und entsprechend hat sich auch die Arbeit von Carmen Vetter und ihren Kollegen geändert.
Angesicht der Größe des Armaturenmarktes – allein Hansgrohe produziert in Offenburg täglich mehr als 20.000 Brausen – ist es nicht möglich, jedes einzelne Plagiat zu suchen. Es gilt, sich auf die großen Fische zu fokussieren und zu versuchen, das Problem gleich bei der Wurzel zu packen, also im Idealfall größere Produktionen stillzulegen. Dafür halten Carmen Vetter und ihre Kollegen auch das Geschehen hierzulande im Blick, sind etwa mit dem Zoll auf der erwähnten ISH unterwegs. Vor allem aber verfolgen sie die Aktivitäten in China – unterstützt von den einheimischen Mitarbeitern der chinesischen Tochtergesellschaft. Zusätzlich beobachtet ein chinesischer Dienstleister in ihrem Auftrag den Onlinemarkt. Anhand der Menge und Art der Fälschungen entscheiden Vetter und ihre Kollegen, ob und wie sie weiter vorgehen. Die Beweissicherung, die nötig ist, um seine Rechte durchzusetzen, kann in China sehr teuer sein. Kosten und Nutzen müssen natürlich im Verhältnis stehen. „Der Aufwand, den wir betreiben, ist für einen Mittelständler schon relativ groß“, sagt Carmen Vetter. Doch sie beobachtet, dass er sich rechnet: „Das Bewusstsein ist da, dass Hansgrohe seine Rechte verfolgt.“
Aktuell laufen beispielsweise Verfahren gegen zwei chinesische Hersteller, die die Fälschungen im größeren Stil zu betreiben scheinen, keine Hinterhoffertigung, sondern industrielle Produktion. Die Firmen stellen ein breites Spektrum auch legaler Produkte her, die Grenze zwischen Fälscher und Konkurrent verläuft hier fließend. Ihre Plagiate von Hansgrohes Duschkopf „Croma Select S Multi“ (siehe Bild) haben dieses Jahr eine „Auszeichnung“ beim Negativpreis Plagiarius erhalten, der besonders dreisten Ideenklau rügt. Carmen Vetter hält zwei Exemplare in der Hand, die bei deutschen Großhändlern aufgetaucht und als Reklamation dann wiederum bei Hansgrohe selbst gelandet sind. Auf den ersten Blick sind sie nicht vom Original zu unterscheiden. Doch der Schein trügt: Die Unterschiede der Fälschungen zeigen sich gerade in der Funktion, Qualität und Langlebigkeit der Produkte.
Kathrin Ermert
Bilder Apfel-Orange/Gurke-Kiwi: real444 – iStock
Von 23. September bis 2. Oktober ist in der IHK Südlicher Oberrhein in Freiburg die Wanderausstellung „Schöner Schein, dunkler Schatten“ des Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) zu sehen. Anlässlich der Ausstellung lädt die IHK während der Zeit zu diversen Veranstaltungen rund ums Thema Produkt- und Markenpiraterie ein. Bei der Eröffnung am 23. September um 17 Uhr spricht Audi-Markenchef Robert Sterner über „Markenschutz im Zuge der Digitalisierung“ und diskutiert anschließend auf dem Podium mit dem Anwalt Daniel van Geerenstein vom VDMA, Susanne Güthner vom Hauptzollamt Lörrach und dem Designer Stefan Meier-M. von Einrichtungskultur Arnold.
Anmeldung unter www.suedlicher-oberrhein.ihk.de/ausstellung
Bei einer Veranstaltung der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg in Villingen geht es am 10. Oktober um 18 Uhr um das Thema „Produkt- und Markenpiraterie in China wirksam und nachhaltig bekämpfen“. Der Referent Alexander Gangnus von Chinabrand IP Consulting steht nach seinem Vortrag zum Austausch bereit und bietet am Folgetag (11. Oktober) nach Absprache weitere kostenfreie Beratungstermine. Ein Interview mit Gangnus gibt es im Regioreport der Printausgabe Schwarzwald-Baar-Heuberg beziehungsweise unter www.wirtschaft-im-suedwesten.de (Rubrik „Regioreport Schwarzwald-Baar-Heuberg“)
Anmeldung unter www.ihk-sbh.de (Veranstaltungen)
„Schutzstrategien gegen Produktpiraterie“ sind das Thema einer Veranstaltung der IHK Hochrhein-Bodensee am 8. Oktober in Konstanz und am 10. Oktober in Schopfheim (jeweils 17-18.30 Uhr). Dabei erläutert der Anwalt Jan Sklepek rechtliche und technische Schutzmaßnahmen sowie Möglichkeiten der Durchsetzung. IHK-Geschäftsführer Uwe Böhm berichtet aus der Zollpraxis und über internationale Kooperationen.
Anmeldung unter www.konstanz.ihk.de