Die Firma zu übergeben, ist für alle Unternehmer eine Herausforderung. Weil sie sich von ihrem Lebenswerk trennen und weil sie jemanden finden müssen, dem sie es vertrauensvoll überlassen können. Das wird nicht nur angesichts des demografischen Wandels immer schwieriger. Wir stellen an drei Beispielen aus der Region verschiedene Facetten der Unternehmensnachfolge vor.
Melanie Zabcic räumt die Tische im Gasthof Hecht in Sulz am Neckar ab. Nach und nach leert sich der Gastraum. Der Mittagstisch ist vorbei. Melanie und ihr Bruder Andrej Zabcic (siehe Bild) können kurz durchatmen, bevor sie den Abendbetrieb vorbereiten. Die Wochenkarte für den Mittagstisch verschicken sie regelmäßig an Mitarbeiter von Unternehmen und weitere Stammgäste in der Umgebung, die Gäste buchen vorab, das Essen kommt zur gewünschten Zeit auf den Tisch. „Wir sind bekannt für unseren schnellen und schmackhaften Mittagstisch“, sagt Andrej Zabcic. Diese Tradition haben die Geschwister von ihren Eltern übernommen. So wie auch den Gasthof Hecht. Seit Juli führen sie das Haus inklusive Pension in der Kleinstadt im Neckartal gemeinsam – Andrej Zabcic als Inhaber und Chefkoch, seine Schwester als Serviceleiterin. Erstmal zwei Jahre lang auf Probe. So haben sie es mit Dusan und Tina Zabcic vereinbart. Beim Interviewtermin halten sich die ehemaligen Inhaber im Hintergrund, wollen auch nicht mit aufs Foto. So, wie sie auch im Betrieb den Kindern das Steuer überlassen. Zumindest meistens. „Manchmal kommt bei ihnen noch der Chef durch, aber das legt sich immer mehr“, sagt Andrej Zabcic.
Dass die Geschwister einmal in die Fußstapfen ihrer Eltern treten würden, war für sie lange unvorstellbar. „Wir haben uns immer gesträubt, weil es so zeitintensiv ist“, sagt Melanie Zabcic. Seit sie denken kann, betrieben die Eltern Restaurants, erst in St. Blasien, dann in Sulz und Umgebung – und seit 2013 den Gasthof Hecht, den sie damals kauften und aufwendig renovierten. Nach einer Ausbildung zur Hotelkauffrau bei Stuttgart arbeitete die 34-Jährige erst in England und Spanien, bevor sie 2013 nach Sulz und zunächst als Teilzeitkraft in den elterlichen Betrieb zurückkehrte.
„Ich wollte eigentlich nie wieder zurück nach Sulz“, sagt auch Andrej Zabcic. Nach seiner Zimmererlehre zog der 35-Jährige nach Irland und arbeite dort erst in seinem Beruf, bevor er in einem Hotel anfing, Gefallen an der Arbeit in der Küche fand und eine schulische Ausbildung als Koch draufsetzte. In Spanien, Australien, wieder in Irland und zuletzt in Köln hatte er verschiedene leitende Positionen in der Gastronomie inne. Parallel wuchs in beiden Geschwistern der Wunsch, ihre eigenen Chefs zu sein. Als Andrej Zabcics Beziehung in Köln in die Brüche gegangen war und die Eltern wieder einmal die Nachfolge thematisierten, sagten die Geschwister zu. Die drei anderen Schwestern kamen für die Nachfolge nicht infrage – die jüngeren waren in anderen Branchen gelandet und damit zufrieden, und die Älteste wollte die Verantwortung nicht. Sie ist aber eine wertvolle Stütze im Familienbetrieb.
Etwa ein Jahr lang dauerte der Übergangsprozess, vom Erstellen des Businessplans über die Bewilligung eines Gründerkredits der L-Bank bis zum Umstellen der Speisekarte. An den großen Fleischportionen, die in der Gegend gerne gegessen werden und für die der Hecht bekannt ist, halten die Geschwister fest. Allerdings schafften sie sich eine Fleischklopfmaschine an, da Andrej Zabcic sich nicht vorstellen konnte, wie sein Vater mindestens zwei Stunden am Tag Fleisch zu klopfen. Und Melanie Zabcic, die sich selbst vegan ernährt, erweiterte die Speisekarte um vegetarische und vegane Speisen. „Wir machen vieles effizienter und nachhaltiger und bringen unsere eigene Note mit ein“, sagt sie und berichtet von weiteren kleinen Veränderungen, angefangen vom digitalen Bestellsystem über weniger Verpackungsmüll bis hin zu Kisten fürs Besteck auf den Tischen, um nicht jeden Platz eindecken zu müssen. Beide sind froh, dass die Eltern nach wie vor im Betrieb mitarbeiten – zu den vier festangestellten Familienmitgliedern kommen 13 Minijobber – und sich unter anderem ums Frühstück für die bis zu einem Dutzend Pensionsgäste kümmern. „Es ist sehr gut angelaufen“, lautet die Bilanz von Melanie Zabcic nach den ersten Wochen. „Es ist viel Arbeit, aber das wussten wir.“ Wenn es weiter gut läuft, können sie sich vorstellen, das Haus dauerhaft zu übernehmen. Außerdem würden sie gern weitere Lokalitäten in der Region betreiben und sich irgendwann nur noch ums Organisatorische kümmern.
Daniela Hermann, Projektleiterin für Tourismus bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, freut sich, wie gut die Übergabe bei der Familie Zabcic läuft. Denn Gastronomie und Hotellerie gehören neben dem Handel zu den Branchen, die es besonders schwierig haben, Nachfolger zu finden, wie sie berichtet. „Momentan stehen allein in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg circa 3.200 Unternehmen zur Nachfolge an. Das entspricht etwa einem Drittel aller Betriebe in den beiden Branchen“, sagt Daniela Hermann. Immer häufiger wollten Kinder den elterlichen Betrieb nicht übernehmen. Sei es, weil sie sich beruflich anders orientieren, oder weil dieser das Familienleben stets bestimmt hat, berichtet sie und verweist gleichzeitig darauf, dass es „in Handel und Gastronomie nach wie vor viele erfolgreiche Übergaben gibt, in denen die Kinder den elterlichen Betrieb fortführen“.
Neben der familieninternen Nachfolge gibt es die Möglichkeit, dass externe Manager das Unternehmen erwerben (Management-Buy-in) oder auch, dass es interne leitende Mitarbeiter weiterführen (Management-Buy-out).
Letzteres ist bei Waschbär aus Freiburg der Fall – allerdings auf eine besondere Weise. Zum Jahresende 2017 verkaufte der damalige geschäftsführende Gesellschafter Ernst Schütz, damals Mitte 60, die Unternehmensgruppe an Katharina Hupfer und Matthias Wehrle – zu einem fairen Preise, wie sie betonen. Zuvor hatten sie die Firmengruppe gemeinsam in ein sogenanntes Purpose-Unternehmen umgewandelt, das, vereinfacht gesagt, sich selbst gehört (mehr im Kasten rechts oben). Waschbär firmiert nach wie vor als GmbH, und die beiden Geschäftsführer halten zusammen die meisten Anteile. Doch die mit einem Prozent beteiligte und von Schütz Ende 2015 mitgegründete Purpose-Stiftung trägt Sorge dafür, dass deren Prinzipien eingehalten werden.
Die Idee des Purpose-Unternehmens kam Ernst Schütz zusammen mit drei Mitstreitern, als die Nachfolge seiner eigenen Unternehmen anstand. Der Schweizer hatte 2001 den insolventen Freiburger Waschbär-Versand inklusive der weiteren Unternehmen der Gruppe übernommen und zu einem profitablen und zugleich einem der größten Spezialversandhändler für nachhaltige Produkte im deutschsprachigen Raum aufgebaut. Schütz hat zwar Kinder und Enkel – diese hatten sich beruflich aber anders orientiert oder waren zum Zeitpunkt der Übergabe zu jung, um einen Betrieb zu führen. Für ihn stand ohnehin an erster Stelle, den Fortbestand seines Unternehmens langfristig zu sichern und nicht, es in der Familie zu halten. Als Mitstreiter und zugleich Nachfolger fand er seine leitenden Mitarbeiter Katharina Hupfer und Matthias Wehrle (siehe Bild).
Purpose-Unternehmen
Purpose heißt auf Deutsch Zweckbestimmung, Sinnhaftigkeit. Ein Purpose-Unternehmen gehört sich selbst, das Vermögen ist im Unternehmen gebunden. Der Betrieb darf folglich weder gewinnbringend verkauft noch vererbt werden und auch keine Gewinne ausschütten. Gesellschafter darf neben der Purpose-Stiftung, die stets eine Minderheit hält und das Unternehmen berät, nur sein, wer auch im Unternehmen arbeitet. Eine eigene Rechtsform wie bei einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) gibt es (noch) nicht, die Standards sind in einer Satzung geregelt. Bislang gibt es weltweit rund 100 Purpose-Unternehmen.
www.purpose-economy.org
Die Stiftung Verantwortungseigentum, zu deren Gründern Waschbär gehört, setzt sich für eine neue Rechtsform einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen ein und hat zusammen mit zahlreichen Unterstützern eine Gesetzesinitiative gestartet.
www.stiftung-verantwortungseigentum.de
Wehrle, heute 46 Jahre alt, kam 2015 zu Waschbär. Nachdem er über 20 Jahre in einem klassischen Familienunternehmen gearbeitet hatte, war er auf der Suche nach Veränderung, „nach einem sozialen oder ökologischen Unternehmen, bei dem die Gewinne für etwas Sinnvolles verwendet werden“, wie er berichtet. Durch Zufall stieß er auf die Stellenanzeige für einen kaufmännischen Leiter bei Waschbär – und bewarb sich erfolgreich. Ein Jahr später wurde er Teil der Geschäftsführung und erhielt den Auftrag, die Nachfolge im Sinne von Ernst Schütz zu regeln. „Es war damals aber nicht klar, dass ich dabei eine Rolle spielen werde“, sagt Wehrle.
Die 47-jährige Katharina Hupfer stieß nach mehreren Stationen bei anderen, zum Teil ebenfalls ökologischen Textilversandhändlern im Jahr 2006 zu Waschbär. Erst leitete sie den Textileinkauf, 2015 holte Schütz sie und einen weiteren Kollegen in die Geschäftsführung. Nach und nach gab Schütz Aufgaben ab. Parallel dazu strukturierte die Führungsriege die Firmengruppe um und wandelten sie in eines der ersten Purpose-Unternehmen weltweit um. Dabei erarbeiteten sie zudem – mangels Vorbildern, an denen sie sich orientieren konnten–, eine Satzung, „in der die dauerhafte Einhaltung der Purpose-Prinzipien sichergestellt ist“, wie Wehrle erklärt. Währenddessen kristallisierte sich heraus, dass er und Hupfer die Nachfolge antreten würden.
Zwei Prozesse, die eigentlich nacheinander stattfinden sollten, wie Hupfer berichtet. Sie habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, die Möglichkeit aktiv an der Zukunft von Waschbär mitzugestalten habe schließlich den Ausschlag gegeben „Der Weg von angestellten Geschäftsführern zu treuhändischen Eigentümern war sehr fordernd“, berichtet sie denn auch. „Ich lerne immer noch jeden Tag dazu.“ Beide halten sie an dem Prinzip ihres Vorgängers fest, den Mitarbeitern viel Spielraum zu geben und Verantwortung zu übertragen. Mit Erfolg: Das Unternehmen ist zuletzt, vor allem in der Coronakrise, kräftig gewachsen. Heute sind 411 Mitarbeiter beschäftigt, die meisten am Hauptsitz in Freiburg, 2020 wurden 77 Millionen Euro umgesetzt. Bei allem Wachstum ist ihnen eines wichtig: „Was im Unternehmen entsteht, soll auch im Unternehmen bleiben“, sagt Wehrle. So, wie es auch im Sinne von Ernst Schütz war. Ihn, so glaubt sie, habe das Loslassen viel Energie gekostet – aber er habe es dank eines klaren Schnitts geschafft. Im Unternehmen schaut er dennoch hin und wieder vorbei.
Früh an die eigene Nachfolge zu denken und schließlich loszulassen, ist eine der großen Herausforderungen, wenn ein Unternehmer sein Lebenswerk übergibt. Davon berichtet auch Christina Gehri, die bei der IHK Südlicher Oberrhein unter anderem für Existenzgründung und Unternehmensnachfolge zuständig ist. Zugleich betont sie: „Wichtig ist, dass man, wenn man mit 50 die Entscheidung fasst, mit 60 aufzuhören, nicht die Hände in den Schoß legt, sondern die Entscheidungen weiterhin so trifft, als würde man das Unternehmen fortführen.“ Das gelte genauso für Investitionen wie fürs Ausbilden von Nachwuchskräften. Sich mit dem Nachfolger oder der Nachfolgerin – so er oder sie denn gefunden ist – über den Wert beziehungsweise Kaufpreis zu einigen, gehört für sie zu den größten Hürden bei der Übergabe.
Alexander Vatovac von der IHK Hochrhein-Bodensee sagt zudem: „Es ist wichtig, dass der Nachfolgeprozess begleitet wird. Er zieht sich ja meist über drei bis vier Jahre hin.“ Steuerberater und Rechtsanwälte seien für das Fachliche wichtig. Die IHKs dürfen zu diesen Themen nicht beraten, können den Nachfolgeprozess insgesamt aber begleiten. Sie bieten vielfältiges Informationsmaterial und Gespräche. Und sie helfen bei der Suche nach einem passenden Nachfolger und organisieren dazu jedes Jahr eine Veranstaltung zum Thema – diesmal am 29. September.
Bei der Elma Schmidbauer GmbH in Singen steht am 1. Oktober ein großer Schritt bei der Nachfolge an: Dann wird die 35-jährige Mirja Schmidbauer geschäftsführende Gesellschafterin. Das Unternehmen führt sie zunächst gemeinsam mit ihrer Mutter Cornelia Schmidbauer und Fritz Bachhuber.
Dass Mirja Schmidbauer einmal das von ihrem Großvater Hans Schmidbauer 1948 gegründete und von ihrem Vater Manfred H. Schmidbauer 1973 übernommene Unternehmen weiterführen wird, stand schon viele Jahre fest. „Ich habe nie Druck verspürt. Für mich war aber schon immer klar, dass ich einmal die Elma leiten werde“, sagt Mirja Schmidbauer. Ihr Vater hatte die Älteste seiner vier Kinder schon während ihrer Studienzeit immer wieder in wichtige Entscheidungen einbezogen. So war Mirja Schmidbauer dabei, wenn es galt, führende Mitarbeiter einzustellen oder über die Architektur des neuen Verwaltungsgebäudes zu entscheiden. Die Familie hatte vor etwa zehn Jahren begonnen, einen Nachfolgeplan aufzustellen, in dem sowohl Mirja als auch ihr sechs Jahre jüngerer Bruder Jannik eine wichtige Rolle spielen.
Dann war plötzlich alles anders. Manfred Schmidbauer kam im Frühjahr 2014 im Alter von 65 Jahren bei einem Autounfall ums Leben. Cornelia Schmidbauer und ihre Kinder standen von einem Tag auf den anderen ohne Ehemann und Vater da, das Unternehmen ohne Chef. „Wir sind alle gemeinsam vor die Mitarbeiter getreten und haben es ihnen erzählt“, erinnert sich Mirja Schmidbauer. Und sie versprachen ihnen, dass es weitergeht. „Die Elma und die Mitarbeiter haben uns aufgefangen“, sagt sie. „Verkaufen kam für uns nicht infrage.“
Den Nachfolgeplan mussten sie nun schneller und etwas anders als geplant umsetzen. Statt ihrer Tochter stieg Cornelia Schmidbauer, damals 50 Jahre alt, als geschäftsführende Gesellschafterin ins Unternehmen ein – davor hatte sie die ebenfalls der Familie gehörende Hegau Graviertechnik GmbH geleitet, die sie nun verkaufte. „Mein Mann hat immer viel Wert darauf gelegt, dass ich bei Entscheidungen oder verzwickten Situationen dabei war“, berichtet sie. „Daher bin ich nicht ins kalte Wasser gesprungen, auch wenn es nach außen hin so aussah.“ Zudem holte sie zwei leitende Angestellte mit in die Geschäftsführung. Darunter den ehemaligen kaufmännischen Leiter Fritz Bachhuber (63), der nach wie vor an der Firmenspitze steht, ein langjähriger Wegbegleiter für die Schmidbauers geworden ist und Ende November 2022 in den Ruhestand gehen wird.
In diesem Zuge steigt Mirja Schmidbauer nun in den Kreis der Geschäftsführer auf: Rund ein Jahr lang soll Zeit sein, um den Übergang zu gewährleisten. Denn nach dem Tod des Vaters hatte Mirja Schmidbauer zwar ihr Promotionsstudium in England, wo sie bereits ein Bachelor- und Masterstudium in Wirtschaft absolviert hatte, abgebrochen. Da sie aber noch keine Berufserfahrung gesammelt hatte, wie es im Nachfolgeplan vorgesehen war, kehrte sie nicht direkt ins Familienunternehmen nach Singen zurück. Dafür baute sie in der Schweiz die Vertriebs- und Serviceniederlassung der Elma auf. „So habe ich vor allem gelernt, wie ein erfolgreicher Firmenorganismus funktioniert und aufgebaut werden muss“, sagt Mirja Schmidbauer.
Elma (der Name steht für Elektrische Maschinen) entwickelt und produziert Reinigungsanlagen und -geräte, die mit Dampf- und Ultraschalltechnik arbeiten. In der Medizintechnik ist Elma in Deutschland Marktführer für Reinigungsanlagen. Diese sind auch in der Photonik oder der Energie- und Antriebstechnik im Einsatz. Die Reinigungsgeräte werden vor allem im Bereich Health Care, in Laboren oder für Uhren und Schmuck verwendet. Das Unternehmen exportiert in über 80 Länder und setzt durchschnittlich 40 Millionen Euro im Jahr um, zuletzt waren es coronabedingt etwas weniger. 260 Mitarbeiter sind in der Region beschäftigt.
2019 trat Mirja Schmidbauer zunächst in die Geschäftsleitung ein. Gemeinsam mit ihrer Mutter und Fritz Bachhuber strukturierte sie das Unternehmen nach und nach um. Sie teilten es in vier Geschäftsbereiche auf, schufen eine weitere Führungsebene und entwarfen eine Vision – stets im Geiste von Manfred Schmidbauer. „Wir kannten ja seine Elma-Vision. Das hat uns geholfen“, sagt seine Tochter. Über die Gesellschafterversammlung waren stets auch ihre Geschwister eingebunden. Raina (34) und Dana (33) arbeiten als Ärztin beziehungsweise in der Modebranche, Jannik (29) absolviert zurzeit ein Masterstudium und ist als Projektmanager im Anlagenbau des Familienunternehmens beschäftigt. Weitere Karriereschritte sollen später folgen.
Mirja und Cornelia Schmidbauer reden viel miteinander und lassen sich beim Übergabeprozess von einem Coach begleiten. Ihre jeweiligen Aufgaben haben sie in einer Verantwortungsmatrix festgehalten, die ihnen immer wieder hilft, wenn sie sich nicht einig sind. Berufliches und Privates zu trennen, ist für sie häufig eine Herausforderung. Dazu zählt, im Unternehmen nicht in die Mutter-Tochter-Rolle zu fallen. Das passiert immer mal wieder, berichtet Cornelia Schmidbauer. Mehrere Jahre, so haben sie es vereinbart, wollen Mirja und Cornelia Schmidbauer die Geschicke der Elma gemeinsam lenken. Sie sind froh, dass sie sich ergänzen. „Ich stehe für die Erfahrung und Mirja für die Moderne“, sagt die 58-Jährige. Für sie sei es ein Riesenglück, „dass Mirja die Elma nicht nur übernehmen will, sondern dass sie es auch kann“. Susanne Maerz
Stufenplan für Übergeber
- Wirtschaftliche Analyse: Bewerten Sie den Ist-Zustand Ihres Unternehmens so nüchtern und sachlich wie möglich. Wie sind Sie bislang durch die Krise gekommen, wie sind Sie am Markt positioniert – bei Ihren Lieferanten und Kunden, aber auch gegenüber Ihrer Konkurrenz? Wie zukunftsfähig ist Ihr Geschäftsmodell? Rechnen Sie sich Ihre Situation nicht schön – lassen Sie sich von Ihrem Steuerberater die nackten Zahlen und Fakten geben.
- Selbstanalyse: Sie haben das Unternehmen gegründet und/oder weiterentwickelt. Da fällt der Gedanke an den Abschied schwer. Warum glauben Sie, dass es ohne Sie nicht geht? Sind Sie bereit loszulassen – und haben Sie bereits Pläne für das „Leben danach“? Sprechen Sie erst mit Ihrer Familie und Ihren engsten Vertrauten über mögliche Nachfolgeszenarien, bevor Sie die Belegschaft, Kunden und Lieferanten unterrichten.
- Nachfolger I: Haben Sie nahe Verwandte (eigene Kinder/Neffen/Nichten), die in Ihre Fußstapfen treten und die Firmenleitung übernehmen könnten? Sind Ihre potenziellen Nachfolger für diesen Schritt fachlich qualifiziert und persönlich geeignet/motiviert? Nehmen Sie für diese Beurteilung gegebenenfalls professionelle Beratung in Anspruch.
- Nachfolger II: Wenn die Weitergabe innerhalb der Familie nicht möglich ist oder als nicht sinnvoll erscheint, prüfen Sie den Verkauf an externe Dritte. Sprechen Sie mit Ihren leitenden Angestellten (Fremdgeschäftsführer/Prokuristen), ob Interesse an einem Einstieg (Management-Buy-In) besteht. Denkbar ist aber auch der Verkauf an Außenstehende, etwa an professionelle Investoren, Beteiligungsgesellschaften – oder auch an Wettbewerber.
- Kaufpreisfindung: Informieren Sie sich bei Ihrem Steuerberater und Rechtsanwalt über die verschiedenen Verfahren zur Unternehmensbewertung. Nicht alle Methoden eignen sich für alle Branchen und Unternehmensgrößen. Werden Sie sich darüber klar, was Ihnen besonders wichtig ist: zum Beispiel die Transaktionssicherheit (dass es tatsächlich zum Verkauf kommt) oder die Kaufpreismaximierung (mit dem Risiko, dass der Käufer in letzter Sekunde doch noch abspringt).
- Vertrag und Abschluss: Holen Sie sich für die Verhandlungen und das Aufsetzen des Verkaufsvertrags unbedingt fachkundigen Rat von qualifizierten Experten. Nicht immer besitzen Ihr langjähriger Steuerberater und Ihr alteingesessener Rechtsanwalt die dafür nötige Kompetenz und Expertise. Gehen Sie offen und mit grundsätzlichem Vertrauen, aber nicht blauäugig in die Verkaufsverhandlungen – und behandeln Sie Ihr Gegenüber mit derselben Fairness und Verbindlichkeit, die Sie von ihm erwarten. Lassen Sie sich nicht hetzen, aber trödeln Sie auch nicht. cp/dihk
Stufenplan für Übernehmer
- Prüfung der persönlichen Eignung: Unternehmerpersönlichkeit, Qualifikation, gewerberechtliche Voraussetzungen
- Einbeziehung des persönlichen Umfelds: Partner, Familie
- Suche nach einem geeigneten Betrieb: Standort, Betriebsgröße
- Sorgfältige Analyse des zu übernehmenden Betriebes: Übernahmepreis, Wettbewerbsfähigkeit, Image, Kundenstamm, Mitarbeiter, bestehende Verträge, Haftungsfragen
- Erörterung der Übernahmeform: Kauf, Schenkung, Pacht, Beteiligung, Vertragsgestaltung, steuerliche Aspekte
- Planung des Unternehmenskonzepts: Planrechnungen, Finanzierung, Verträge, Termine
- Ausarbeitung des Geschäftsplans: Art der Übernahme, Kapitalbedarfsplan, Finanzierungsplan, Rentabilitätsvorschau
- Verhandlungen mit Banken/Kapitalgebern
- Abschluss der Übernahmeverhandlungen
- Abwicklung der Gründungsformalitäten: Gewerbeanmeldung bei Gemeinde, Finanzamt, Betriebsnummer, Agentur für Arbeit, Berufsgenossenschaft, gegebenenfalls Eintragung ins Handelsregister, IHK, HWK Quelle: IHK Hochrhein-Bodensee
Termine und weitere Informationen
Veranstaltung „Nachfolge im ländlichen Raum“: Die IHKs Hochrhein-Bodensee, Schwarzwald-Baar-Heuberg und Südlicher Oberrhein laden am 29. September von 18 bis 20 Uhr nach Titisee ein. Die Veranstaltung richtet sich an alle, die planen ein Unternehmen zu übergeben, bereits im Übergabeprozess stecken oder ein Unternehmen übernehmen wollen. Die Themen: Arbeitsrecht bei Unternehmensübertragungen und Nachfolgen sowie Unternehmensbewertung und Innovationsanalyse. Anmeldung unter
www.veranstaltungen-ihk-sbh.de/r/Nachfolge_Startercenter
Onlinebörse Nexxt-Change: Deutschlands größte Unternehmensnachfolgebörse bringt Unternehmensinhaber und Existenzgründer zusammen:
www.nexxt-change.org
Existenzgründungs- und Nachfolgebörse in der WiS: Wir drucken in der Rubrik Börsen jeden Monat kostenlos Inserate von potenziellen Übergebern und Übernehmern ab – diesmal auf Seite 62 und 63.
IHK-Broschüre „Herausforderung Unternehmensnachfolge“: In der IHK-Broschüre werden alle wichtigen Informationen zur Unternehmensnachfolge gebündelt. Sie gibt es bei den IHKs und als Download unter www.wirtschaft-im-suedwesten.de/downloads
Die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg hat den Arbeitskreis Nachfolge und eine Talkreihe zum Thema ins Leben gerufen
www.ihk-sbh.de/talkreihe-nachfolge
Die neue Folge des Podcasts „Blaue Welle“ der IHK Südlicher Oberrhein widmet sich der Nachfolge. Es gibt Tipps, Infos und Erfahrungsberichte.
www.suedlicher-oberrhein.ihk.de/podcast
Das EMF-Institut (Institut für Entrepreneurship, Mittelstand und Familienunternehmen der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) bietet verschiedene kostenlose Informationen und Tools für KMU zur Nachfolge. Darunter sind der KMU-Rechner zum Ermitteln des Unternehmenswertes und der Nachfolgefahrplan, der die unterschiedlichen Schritte zu familieninterner, betriebsinterner und externer Nachfolge aufzeigt.
www.nachfolge-in-deutschland.de/tools/
Ansprechpartner:
IHK Hochrhein-Bodensee:
Alexander Vatovac
Tel. 07531 2860-135
alexander.vatovac@konstanz.ihk.de
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
Patric Pommerenke
07721 922-441
pommerenke@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein:
Christina Gehri
0761 3858-142
christina.gehri@freiburg.ihk.de