Bei der Weiterentwicklung von Fertigungsverfahren rücken neben der Steigerung der Produktivität bei gleichzeitiger Senkung der Fertigungskosten Umweltaspekte zunehmend in das Blickfeld der zerspanenden Industrie. Die ökologische Anpassung der Prozesse und die Einführung in den Markt stellen die Hersteller vor neue Herausforderungen und erfordern neue Lösungen, meint Bahman Azarhoushang, Professor an der Hochschule Furtwangen.
Herr Azarhoushang, welche Herausforderungen werden aktuell an die Unternehmen in der Zerspanungstechnologie gestellt?
Bahman Azarhoushang: Heute werden hochpräzise Teile über CNC-Werkzeugmaschinen mit integrierter Sensorik gefertigt. Die Integration von Industrie 4.0 in vollautomatisierte Fertigungslinien und der Einsatz digitaler Zwillinge der Maschinen sind in einigen Unternehmen bereits Stand der Technik – und die Entwicklung geht weiter. Es ist unabdingbar, die neuen Entwicklungen in den Zerspanungstechnologien zu verfolgen und zu versuchen, die neuartigen und vorteilhaften Methoden anzuwenden.
Viele Firmen haben noch nicht realisiert, welcher Mehrwert durch intelligente und vernetzte Werkzeugmaschinen, intelligente Werkzeuge und Produkte generiert werden kann. Die Annahme, dass der Aufwand größer als der Mehrwert ist, wird immer mehr zu einer Bedrohung für die Zukunft der Firmen, weil die im heutigen globalen Markt geforderte Flexibilität nur über entsprechende Technologien realisiert werden kann.
Dies betrifft insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, die das notwendige Know-how nicht im Hause haben. Hier bietet es sich an, externes Expertenwissen oder Forschungsinstitute in Anspruch zu nehmen und im Detail prüfen zu lassen, mit welchem Aufwand welche Lösungen entwickelt werden können.
Welche Einflüsse hat Elektromobilität auf Firmen, die im Bereich der Zerspanung tätig sind?
Seit einiger Zeit erleben wir einen weltweiten Umbruch. Elektroautos sollen nicht nur ein nachhaltiges und klimaschonendes Verkehrssystem ermöglichen, sie erfordern auch einen Umbruch bei den Automobilzulieferern. Der tatsächliche Bedarf an Zerspanung wird deutlich reduziert, neben neuen Teilen ändern sich auch die Dimensionen der bisher produzierten Teile. Daraus entstehen Anforderungen an eine sinnvolle Prozessgestaltung mit effektiven Prozessen und hohen Zerspanleistungen durch innovative Technologien. Teilweise sind neue Maschinen erforderlich.
Zur Person
Bahman Azarhoushang ist seit September 2013 Professor an der Hochschule Furtwangen in der Fakultät Mechanical and Medical Engineering und gleichzeitig Leiter des Kompetenzzentrums für Spanende Fertigung (KSF). Er verfügt dort über moderne Maschinen, Vorrichtungen, Messgeräte und Räumlichkeiten für die Durchführung zahlreicher Forschungsprojekte. Azarhoushang hat über 55 Publikationen in verschiedenen Sprachen veröffentlicht. Zahlreiche Vorträge auf nationalen und internationalen Konferenzen belegen seine Forschungsaktivitäten.
Sehen Sie die additive Fertigung eher als Bedrohung oder als Chance für die Zerspaner?
Die additive Fertigung wird von Jahr zu Jahr relevanter. Sie nimmt immer mehr Schwung auf, das heißt, aktuell lassen sich additiv auch größere Teile und auch größere Mengen produzieren. Somit ist anstelle von Kleinserien jetzt auch die Fertigung von Großserien möglich. Dadurch steigt die Wirtschaftlichkeit der additiven Teileproduktion.
Aktuell können durch die additive Fertigung noch nicht die Toleranzen und Oberflächenqualitäten erreicht werden, wie über Zerspanungstechnologien, was dazu führt, dass additiv gefertigte Teile meist spanend nachbearbeitet werden müssen.
Zukünftig werden durch die additive Fertigung viele Schruppbearbeitungsprozesse hinfällig. Da sich über die additive Technik sehr komplexe Geometrien herstellen lassen, ändern sich die Anlagen für die Schlichtbearbeitung in Richtung von 5-Achs-Simultanbearbeitungsanlagen. Weiterhin erfordert die hohe Flexibilität der Werkstücktypen auch eine hohe Flexibilität bei der Umrüstung der Anlagen.
Woher bekommen Unternehmer die Impulse für Innovationen?
Innovationen, Verbesserungen und revolutionäre Umwälzungen werden durch Ideen angestoßen. Die hierzu benötigten Impulse können aus Unternehmen mit weitgehenden praktischen Erfahrungen kommen, aber auch aus der Arbeit von Forschungsinstituten. Innovationsforen fungieren als Nahtstelle zwischen diesen beiden Bereichen. Sie bewirken Vernetzung über klassische Grenzen hinweg, sodass aus dem Nebeneinander ein Miteinander entstehen kann. Ein Erfolgsbeispiel ist hierfür das InnovationForum Zerspanungstechnologie in Juni in Tuttlingen.
Interview: Daniela Jardot
Informationen und Anmeldung zum InnovationForum Zerspanungstechnologie am 21. Juni in der Stadthalle Tuttlingen unter www.innovation-forum-zerspanungstechnik.de