Die Veranstaltungsbranche wurde durch die Coronakrise schwer getroffen. Unternehmen verloren bis zu 100 Prozent ihrer Aufträge. Im Interview berichtet Olaf Jung, Geschäftsführer der Teamwelt, einer Tagungs- und Eventlocation in Höchenschwand, wie es ihm während der Pandemie ergangen ist, welche Hilfsprogramme er nutzte und was aus seiner Sicht für die Branche getan werden muss.
Herr Jung, Sie sind Geschäftsführer der Teamwelt, einer Tagungs- und Eventlocation im Schwarzwald. Seit Beginn der Pandemie liegt Ihr Geschäftskonzept quasi brach. Wie ist es Ihnen ergangen?
Schockstarre! Ich habe in 18 Jahren eine Tagungs- und Eventlocation aufgebaut und diese bis Anfang März 2020 sehr erfolgreich betrieben. 2019 hatten wir noch um die 250 Veranstaltungen. Dann kam Corona und damit eine Flut an Stornierungen und Umbuchungen. So ging es nicht nur mir, sondern neben der Gastronomie und Hotellerie der gesamten Veranstaltungsbranche. Aufgeben war aber nie eine Option. Zuerst war es mir wichtig, mein Team für die Zukunft zu halten. Denn ich kann nicht Teamwelt verkaufen, wenn ich nach der Pandemie kein Team mehr habe. So entwickelten wir nach und nach etliche Ideen, unter anderem die Aktion Teamwelt für Künstler. Wir haben Livevideos in der Teamwelt mit und für die Künstler produziert und in den sozialen Medien gepostet. Alle Beteiligten stellten dafür ihre Leistung gratis zur Verfügung. Damit haben wir pro Monat circa 75.000 Personen erreicht und viele Follower gewonnen. Im Frühjahr lief es sehr schleppend an, in den Sommermonaten hatten wir nur wenige Gäste und Teilnehmer von Seminaren, Tagungen, Teamevents und kleinen Hochzeitsfeiern. Seit dem zweiten Lockdown sind wir nun dabei, die Digitalisierung voran zu treiben. Eine neue Software mit App wird die interne Kommunikation vereinfachen, und meine Mitarbeiter produzieren momentan Schulungsvideos für zukünftige Mitarbeiter.
Was hat Ihnen durch die Krise geholfen?
Klar habe ich alle für uns infrage kommenden Hilfen in Anspruch genommen. Neben dem Kurzarbeitergeld, der Soforthilfe, der Novemberhilfe, dem Tilgungszuschuss für die Veranstaltungsbranche habe ich die Überbrückungshilfe 1 und 2 beantragt. Unser Steuerberater hat uns hierbei enorm unterstützt, und auch die IHK Hochrhein-Bodensee hat unsere Anträge innerhalb weniger Tage bearbeitet. Finanziell reicht das aber bei weitem nicht aus. Ich musste zudem noch einen hohen KfW-Kredit aufnehmen, den es gilt wieder abzuzahlen. Viele Gelder kamen schnell, auf die Novemberhilfe haben wir bis Mitte Januar gewartet. Ein weiterer wichtiger Punkt, der uns durch die Krise geholfen hat, ist der enorme Zuspruch von unseren Partnern, Lieferanten und unseren Kunden.
Was würden Sie Unternehmen in einer ähnlichen Lage raten?
Neben der ständig zu überarbeitenden Liquiditätsplanung ist jetzt die Zeit, um sich für die Zukunft aufzustellen. Das Potenzial steckt in unseren Mitarbeitern. Noch nie habe ich so viele Mitarbeitergespräche geführt, denn hier schlummern viele Dinge, die in der Vergangenheit aus zeitlichen Gründen gerne mal vernachlässigt wurden. Zudem hat jeder innovative Ideen, um das Unternehmen nach vorne zu bringen.
Werden die Hilfen von Bund und Ländern ausreichen oder braucht es mehr, um durch die Krise zu kommen?
80 Prozent Umsatzeinbruch im Jahr 2020 ist eine Katastrophe, und da braucht man nichts schönreden. In diese Krise sind wir unverschuldet reingeraten, und bis heute haben wir keine Perspektive, wann wir wieder durchstarten können. Materielle Unterstützung ist notwendig und gut, die psychische Belastung mangels Perspektive kann diese jedoch nicht auffangen. Natürlich werde ich auch weiterhin alle möglichen Zuschüsse beantragen, denn unser gesamtes Team muss seit Monaten auf vieles verzichten, der Schuldenberg wächst, und wir müssen auch wieder irgendwann investieren können.
Wird für die Eventbranche genug getan?
Die gesamte Veranstaltungsbranche umfasst Messen, Konzert- und Tagungshäuser, Theater, Eventagenturen, Veranstaltungstechniker und auch viele Soloselbstständige wie Künstler und Schauspieler. Wir sind der sechstgrößte Wirtschaftszweig Deutschlands mit 130 Milliarden Euro Umsatz und über einer Million Beschäftigten. Bei den beschlossenen Hilfsmaßnahmen wurde die Veranstaltungswirtschaft jedoch völlig unzureichend berücksichtigt. Die Organisation #AlarmstufeRot setzt sich für unsere Branche und Kulturlandschaft ein und fordert primär einen Rettungsdialog mit der Regierung, um gemeinsam einen Weg aus der Krise zu finden. Wir brauchen ein auf die Branche zugeschnittenes Überbrückungsprogramm, Kreditprogramme mit Laufzeitverlängerung und tilgungsfreien Phasen, eine Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags um ein Jahr, flexiblere Kurzarbeiterregelungen und eine Anpassung des EU-Beihilferahmen.
Wagen Sie eine Prognose für 2021?
Die derzeitigen Infektionszahlen geben momentan wenig Hoffnung für Lockerungen. Wir müssen alle noch durchhalten. Ich persönlich schätze, dass wir frühestens ab März wieder unter einem Hygienekonzept arbeiten dürfen. Und wenn sich möglichst viele schnell impfen lassen, wird die Branche im Frühsommer wieder voll loslegen können. Die gesamte Hotellerie und Gastronomie sowie unsere Veranstaltungsbranche haben individuelle und sehr gut funktionierende Hygienekonzepte entwickelt. Es wurde vieles getan, um Gäste mit Abstand und auf Sicherheit bedacht begrüßen zu können. Sehr hilfreich wäre es nun, wenn uns auch die Politik diesbezüglich ihr Vertrauen schenken würde.
Interview: hw
Übersicht aktueller Hilfsprogramme und Darlehen
November- und Dezemberhilfe
Die November- und Dezemberhilfe richtet sich an Unternehmen, die vom coronabedingten Lockdown direkt, indirekt oder über Dritte betroffen waren. Die Höhe beträgt 75 Prozent des jeweiligen Vergleichsumsatzes und wird anteilig für jeden Tag im Jahr 2020 berechnet. Antragberechtigt sind Unternehmen und Soloselbstständige, die aufgrund der Beschlüsse von Bund und Ländern vom 28. Oktober, 25. November und 2. Dezember 2020 den Geschäftsbetrieb einstellen mussten. Ebenfalls antragsberechtig sind Unternehmen und Soloselbständige, die nachweislich und regelmäßig mindestens 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den oben genannten Maßnahmen betroffenen Unternehmen erzielen. Unternehmen und Soloselbstständige, die regelmäßig mindestens 80 Prozent ihrer Umsätze durch Lieferungen und Leistungen im Auftrag direkt von den Maßnahmen betroffener Unternehmen über Dritte (zum Beispiel Veranstaltungsagenturen) erzielen, können ebenfalls einen Antrag stellen. Wichtig: Unternehmen, die aufgrund des bundesweiten Lockdowns ab dem 16. Dezember 2020 geschlossen wurden, sind für die Dezemberhilfe nicht antragsberechtigt. Für diese Unternehmen gibt es als Förderung die Überbrückungshilfe III. Anträge für die November- und die Dezemberhilfe können bis zum 30. April 2021 gestellt werden.
Überbrückungshilfe II
Die Überbrückungshilfe ist ein Zuschuss bei coronabedingten Umsatzrückgängen. Die Überbrückungshilfe II umfasst die Fördermonate September bis Dezember 2020. Anträge für diesen Zeitraum können bereits gestellt werden. Antragsberechtig sind kleine und mittelständische Unternehmen sowie Organisationen aus allen Wirtschaftsbereichen, soweit sie sich nicht für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds qualifizieren, Soloselbstständige, selbstständige Angehörige der Freien Berufe im Haupterwerb, gemeinnützige Unternehmen und Organisationen, die dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig sind. Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach den betrieblichen Fixkosten und berechnet sich in Abhängigkeit vom Umsatzrückgang im Förderzeitraum September bis Dezember 2020. Wer Überbrückungshilfe beantragen möchte, muss sich dafür an einen Steuerberater, einen Wirtschaftsprüfer, einen vereidigten Buchprüfer oder einen Rechtsanwalt wenden. Die Antragsfrist endet am 31. März 2021.
https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Redaktion/DE/FAQ/FAQs/faq-liste-02.html
Überbrückungshilfe III
Die Überbrückungshilfe unterstützt Unternehmen, Soloselbstständige sowie selbständige Freiberufler, die besonders stark von der Coronakrise betroffen sind. Es handelt sich um Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Die Überbrückungshilfe III ist das Nachfolgeprogramm der Überbrückungshilfe II und läuft bis Ende Juni 2021. Die Überbrückungshilfe III soll weitere Verbesserungen für Soloselbständige, die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft sowie die Reisebranche mit sich bringen. Die Überbrückungshilfe III sieht Zuschüsse zu den fixen Kosten der Unternehmen vor. Unternehmen, Soloselbstständige, Angehörige der freien Berufe mit einem Jahresumsatz bis 500 Millionen Euro im Jahr 2020 können im Programmzeitraum Januar bis Ende Juni 2021 die Überbrückungshilfe III in Anspruch nehmen.
Tilgungszuschuss
Unternehmen und Selbstständige aus den Wirtschaftsbereichen der Schausteller und Marktkaufleute, der Veranstaltungs- und Eventbranche sowie des Taxigewerbes (einschließlich Mietwagen mit Fahrer) können den „Tilgungszuschuss Corona“ beantragen. Die Antragsfrist endet am 24. Februar 2021. Förderfähig sind die nach den Regeltilgungsplänen im Jahr 2020 anfallenden Tilgungsraten von bewilligten Krediten. Die Förderung kann nur für ab dem 1. Januar 2020 zu leistende Tilgungsverpflichtungen gewährt werden. Das dem Kreditvertrag zugrundeliegende Realgeschäft muss vor dem 11. März 2020 erfolgt sein. Von der ermittelten Jahrestilgungsrate wird einmalig die Hälfte mit einem Anteil von 80 Prozent gefördert. Die maximale Förderung beträgt 150.000 Euro für jeden Antragstellenden.
KfW-Schnellkredit
Unter der Voraussetzung, dass ein mittelständisches Unternehmen im Jahr 2019 oder im Durchschnitt der letzten drei Jahre einen Gewinn ausgewiesen hat, kann ein „Sofortkredit“ gewährt werden. Der Schnellkredit steht mittelständischen Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten zur Verfügung, die mindestens seit 1. Januar 2019 am Markt aktiv gewesen sind. Das Kreditvolumen pro Unternehmen beträgt bis zu 3 Monatsumsätzen des Jahres 2019, maximal 800.000 Euro für Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl über 50 Mitarbeitern, maximal 500.000 Euro für Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von bis zu 50. Der Zinssatz liegt aktuell bei 3 Prozent mit einer Laufzeit von 10 Jahren. Die Bank erhält eine Haftungsfreistellung in Höhe von 100 Prozent durch die KfW, abgesichert durch eine Garantie des Bundes. Die Kreditbewilligung erfolgt ohne weitere Kreditrisikoprüfung durch die Bank oder die KfW. Hierdurch kann der Kredit schnell bewilligt werden. Wichtig: Das Unternehmen darf zum 31. Dezember 2019 nicht in Schwierigkeiten gewesen sein.
Stand: 20. Januar