Über ValiKom Transfer können sich Unternehmen und Mitarbeiter berufliche Kompetenzen zertifizieren lassen. Mit diesem gern genutzten IHK-Programm bietet sogar eine Haftstrafe wieder Perspektiven. Ein Besuch in der JVA Freiburg.
Wie man als Häftling ins Gefängnis kommt – davon hat jeder von uns wohl eine Vorstellung: Tat – Richterspruch – Strafe. Wie es dann weitergeht? In vielen Fällen alltäglich: Nach dem Frühstück geht es zur Arbeit. Hinter den mit Stacheldraht bewehrten Mauern der Justizvollzugsanstalt Freiburg (JVA) stehen in der dortigen Werkstatt „Metallfertigung“ modernste Metallbearbeitungszentren. Die Dimensionen gleichen nicht ganz denen der Zulieferbetriebe in der „freien“ Wirtschaft. Die Produkte, die hier gefertigt werden, sind dennoch ein wesentlicher Teil von ihr.
An einer der Drehmaschinen steht Rafael G. (Name von der Redaktion geändert). Der 31-Jährige verbüßt in Freiburg eine siebenjährige Haftstrafe. Was er sich zu Schulden kommen ließ? Mario Weiner und Alexander Gut interessiert das kein bisschen. Der Ausbildungsleiter Metall und der Betriebsleiter der Metallfertigung sehen etwas ganz anderes in Rafael G. als einen Straftäter: Sie sehen einen Menschen, der um die Chance ringt, sein Leben wieder in Ordnung zu bringen. Genau dazu ist das VAW nämlich auch da. Dass hier dennoch Ordnung und Sicherheit die obersten Gebote sind, ist die Basis all dessen, was hier geschieht.
Auch in der Haft lässt sich weiterlernen
VAW bedeutet Landesbetrieb „Vollzugliches Arbeitswesen“. Dessen Claim ist ein wenig speziell: „…wir lassen Sie nicht sitzen“. Aber er stimmt. Tatsächlich ist Rafael G. auf dem Weg. Dank Alexander Gut und Mario Weiner ist er Teilnehmer des Programms ValiKom Transfer der IHK Südlicher Oberrhein (mehr dazu im Kasten Seite 18). Schnittstelle zwischen diesem und der JVA Freiburg ist Peter Indlekofer. Im Bereich „Aus- und Weiterbildung“ der IHK ist er Referent für ValiKom Transfer – und damit Ansprechpartner für Menschen, die ohne Ausbildung bereits längere Zeit in einem Beruf arbeiten und sich deshalb dann auch validieren lassen dürfen. Damit verlassen sie den Status „ungelernt“, sind einen wesentlichen Schritt weiter auf dem Weg eines erfolgreichen Berufslebens. „Mit ValiKom bieten wir die Möglichkeit, berufliche Kompetenzen nachzuweisen. Geschieht das im Kontext einer Haftstrafe, ist das eine absolut zielführende Voraussetzung für die Insassen einer Justizvollzugsanstalt, nach ihrer Haftzeit deutlich anschlussfähiger zu sein in der Arbeitswelt“, zeigt sich Peter Indlekofer überzeugt.
Valikom Transfer
ValiKom Transfer bietet bundesweit als Verbundprojekt der Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern sowie Landwirtschaftskammern ein Validierungsverfahren für duale Berufe. Insgesamt wurden bereits mehr als 1.200 Validierungen durchgeführt – 61 davon bei der IHK Südlicher Oberrhein, die damit Platz 4 belegt. Das Projekt läuft noch bis 24. Oktober 2024 und ist für die Teilnehmenden und die Betriebe kostenfrei.
Mario Weiner ist als „Ausbildungsleiter Metall“ genauso wie sein Kollege Alexander Gut als Betriebsleiter der Metallfertigung in der Freiburger JVA durch die IHK eigens qualifiziert, Menschen wie Rafael G. im ValiKom Transfer Prozess zu begleiten – und nicht nur das: „Wir haben in unserem Betrieb 14 Häftlinge, neun davon sind in Ausbildung“, resümiert Alexander Gut. Er ist überzeugt, dass ValiKom Transfer ein ausgezeichneter Weg ist für Menschen wie Rafael G.: „Er hat vor seiner Haftstrafe als Ungelernter bereits zehn Jahre in diesem Beruf gearbeitet und hatte damit beste Voraussetzungen für den nächsten Schritt seiner Weiterentwicklung“.
Die wird mitnichten einfach so geschenkt: „Herr G. musste einen ganzen Produktauftrag von der Prüfung des Materialeingangs über die Programmierung der Maschine bis hin zur Qualitätsprüfung des fertigen Teils absolvieren und auch jede Menge theoretischer Fragen beantworten“, verweist Alexander Gut auf den hohen Anspruch bei ValiKom Transfer.
Programm bietet Perspektiven für später
Und Rafael G. selbst? „Ich bin total happy, dass ich diese Chance erhalten habe. Mein ehemaliger Arbeitgeber hat mir auch bereits signalisiert, dass er mich wieder einstellen wird, wenn ich meine Haftstrafe hinter mir habe“, blickt er positiv in die Zukunft.
Auch Julia Rascher ist ValiKom Transfer gegenüber positiv gestimmt. Die Geschäftsführerin des Vollzuglichen Arbeitswesens an der JVA Freiburg sieht das Programm nicht allein als Voraussetzung, an ein Validierungszertifikat zu gelangen. Sie ist auch überzeugt, dass mit dessen Erwerb Selbstvertrauen und Perspektive zurückkehren: „Und das ist es, was die Zukunft eines Menschen bestimmt“.
dg
Bild oben: Von links: Mathias Vogginger, Julia Rauscher (beide Geschäftsführung VAW) und Mario Weiner (Ausbildungsleiter).
Bild unten: Die JVA in der Freiburger Hermann-Herder-Straße von oben.
Die IHK Südlicher Oberrhein bietet für 20 Berufe Validierungen an. Mehr dazu bei Peter Indlekofer
Telefon: 0761 3858 167
Mail: peter.indlekofer@freiburg.ihk.de und unter www.ihk.de/freiburg/bildung/bildungspolitik/validierung-von-20-berufen-an-der-ihk-suedlicher-oberrhein-4726318.