Matthias Heuser hat vor rund einem Jahr die Leitung des Hauptzollamts Lörrach übernommen. Im Interview erzählt er von Reisebeschränkungen an der Schweizer Grenze, den Aufgaben des Zolls und wie die Digitalisierung die Arbeit beim Zoll verändern wird.
Herr Heuser, Sie sind seit einem Jahr der Leiter des Hauptzollamts in Lörrach. Was hat Ihre Anfangszeit geprägt?
Ganz bestimmt die Coronakrise. Nachdem mir die Leitung des Hauptzollamts zunächst im Juni 2020 kommissarisch und schließlich im Dezember endgültig übertragen wurde, waren wir bereits seit fast einem Jahr im Krisenmodus unterwegs. Grenzüberschreitendes Reisen war beschränkt, ohne triftigen Grund war eine Ein- oder Ausreise nicht möglich. Das war für alle Zollbeamtinnen und -beamten, die in der Kontrolle entlang der Schweizer Grenze eingesetzt sind, keine einfache Zeit. Ich glaube, ich kann hier auch für unseren Nachbarbezirk, das Hauptzollamt Singen, sprechen. Plötzlich spielten sich an der Grenze Szenen ab, die in Europa über lange Zeit undenkbar waren. Unverständnis, warum man die Oma nicht besuchen darf. Diskussionen, was ein triftiger Einreisegrund sei und was nicht. Für die Kolleginnen und Kollegen sind grenzpolizeiliche Kontrollen, die eigentlich in die Zuständigkeit der Bundespolizei fallen, zwar nicht neu, aber während es bei uns sonst um Waren-, Waffen- oder Bargeldschmuggel geht, waren die Beamten nun besonders mit menschlichen Schicksalen konfrontiert. Rückblickend sage ich aber, wir haben das gut gewuppt.
Welche Aufgaben hat der Zoll genau?
Wir überwachen und kontrollieren die Ein- und Ausfuhr von Waren, erheben dabei Steuern und Abgaben, die dem Bundeshaushalt und der Europäischen Union zufließen. Sinn und Zweck ist in erster Linie, inländische und EU-Unternehmen vor Konkurrenz und Dumpingpreisen aus dem Ausland zu schützen. Wir richten dabei aber auch unser Augenmerk auf die Produktsicherheit, den Marken- und Artenschutz. Ein Spielzeug, das nicht den Sicherheitsstandards der EU entspricht, wird schnell zur Gefahr für ein kleines Kind. Auch billig importierte Elektrogeräte müssen wir immer wieder aus dem Verkehr ziehen. Kein Mensch möchte, dass ihm der Föhn oder der Toaster einen elektrischen Schlag versetzt oder Feuer entfacht.
Auf nationaler Ebene erheben wir zudem Steuern auf den Gebrauch oder Verbrauch bestimmter Waren. Dazu gehören die Energie-, Tabak-, Strom-, Alkohol-, Alkopop-, Kaffee-, Bier-, Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuer. Und quasi als Gerichtsvollzieher des Bundes realisieren wir mit eigenen Vollziehungsbeamtinnen und -beamten nicht nur zolleigene Forderungen, wir vollstrecken auch öffentlich-rechtliche Forderungen zollfremder Gläubiger, wie zum Beispiel der Arbeitsagenturen oder der Krankenkassen.
Die Bundeszollverwaltung hat im vergangenen Jahr nahezu 130 Milliarden Euro eingenommen, 2,5 Milliarden Euro kommen direkt von uns, dem Hauptzollamt Lörrach. Darüber hinaus gehen wir gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vor. Dabei haben wir besonders organisierte, kriminelle Strukturen im Visier, Unternehmerinnen und Unternehmer, die 20, 30 oder mehr Menschen mit einem geringen Lohn ausbeuten, die Sozialkassen betrügen und sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seriösen Firmen erschleichen. Und natürlich gibt es noch die grünen Zettel, die wir abstempeln. Wir erbringen diesen Service für die Landesfinanzverwaltung, die so kein eigenes Personal dafür einsetzen muss.
Zur Person
Bevor Matthias Heuser (55) die Leitung des Hauptzollamts Lörrach antrat, war er bereits der stellvertretende Behördenleiter. Zuvor durchlief der gebürtige Freiburger und studierte Jurist verschiedene Stationen in der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe und der Bundesfinanzdirektion Südwest, bevor er 2009 nach Lörrach kam, zunächst als Leiter des Sachgebiets Kontrollen, ab 2014 als Sachgebietsleiter des Sachgebiets Abgabenerhebung, der Bereich, der die Fachaufsicht über die Zollstellen ausübt und erster Ansprechpartner für Wirtschaftsbeteiligte ist. Seit 2020 leitet er das Hauptzollamt in Lörrach.
Mit wie vielen Mitarbeitern bewältigen Sie diese Aufgaben?
Zur Erledigung der vielfältigen Aufgaben stehen dem Hauptzollamt Lörrach mit seinen sieben Sachgebieten und den nachgeordneten Grenz- und Binnenzollstellen von Rheinfelden im Süden unseres Bezirks bis nach Appenweier im nördlichen Ortenaukreis rund 1.000 Beschäftigte zur Verfügung. Mit großen Anstrengungen suchen wir Jahr für Jahr nach qualifizierten Nachwuchskräften, die wir in den Laufbahnen des mittleren und gehobenen Dienstes ausbilden. Die positive Lage am Arbeitsmarkt, unsere Lage im Dreiländereck, der Schweizer Arbeitsmarkt und das Studienangebot hier im Raum spielen uns bei der Bewerbersuche allerdings nicht gerade in die Hände.
Der Zoll arbeitet an vielen Stellen immer noch analog. Wann kommt die Digitalisierung in die Zollverwaltung?
In vielen Bereichen haben wir die digitale Infrastruktur in den letzten Jahren erheblich ausgebaut und nutzen diese auch im Datenaustausch mit Wirtschaftsbeteiligten. Ich meine, da kann die Zollverwaltung im Vergleich mit anderen Verwaltungen sehr gut mithalten. Dennoch sind die Prozesse sehr komplex, und eine Bundesverwaltung mit rund 44.000 Beschäftigten ist in diesem Feld vor enorme Herausforderungen gestellt.
Sie spielen aber sicher auf das digitale Ausfuhrverfahren von Waren an, welches das Abstempeln der grünen Zettel — je nach Akzeptanz — automatisieren soll. Die Entwicklungen dazu waren schon weit fortgeschritten, auch weil wir intensiv daran mitgearbeitet haben. Aus technischer Sicht ist das Projekt schon sehr weit, allerdings sind die Mittel noch nicht freigegeben. Der Bundesrechnungshof hat nach wie vor Bedenken, ob sich das Verfahren tragen wird. Sicher ist aber, dass die fortschreitende Digitalisierung die Arbeit beim Zoll mehr und mehr verändern wird. Wir verzeichnen einen stetigen Arbeitsanstieg im gewerblichen und privaten Warenverkehr. Diese Mehrarbeit wird nur mithilfe digitaler Verfahren zu schultern sein, vor allem dann, wenn der Personalbestand gleich bleibt oder sogar abnimmt.
Viele Menschen stehen dem digitalen Ausfuhrverfahren über eine App kritisch gegenüber und sehen ihren Datenschutz gefährdet. Was entgegnen Sie denen?
Ich bin fest davon überzeugt, dass sich ein digitales Ausfuhrverfahren im nichtkommerziellen Warenverkehr durchsetzen wird. Es ist einfacher, bequemer und schneller. Die Nutzer wären dann zum Beispiel unabhängig von Öffnungszeiten und müssten nicht mehr in langen Schlangen vor den Serviceschaltern an den Zollämtern warten. Bedenken zum Datenschutz sind natürlich berechtigt. Aber als Behörde gibt es für uns hinsichtlich des Datenschutzes selbstverständlich keine Kompromisse. Von einem gläsernen Käufer kann also gar keine Rede sein.
Welche Wünsche, Ideen und Vorstellungen haben Sie zu Ihrem Dienstantritt als Leiter des Hauptzollamts Lörrach mitgebracht?
Es ist mir wichtig, dass wir unseren gesetzlichen Arbeitsauftrag erfüllen und uns besonders gegenüber Wirtschaftsunternehmen als Partner erweisen und auf keinen Fall als Hemmschuh. Auch ist es mir ein großes Anliegen, Bürgerinnen und Bürgern die Sinnhaftigkeit unserer Aufgaben zu vermitteln. Leider weht uns manchmal aus dieser Richtung ein unverständiger Wind entgegen. Meinen Beschäftigten verlangt dies in vielen Bereichen ein dickes Fell ab. Trotz dieser Belastungen versuche ich dazu beizutragen, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne an ihren Arbeitsplatz kommen.
Interview: hw