Für Ethik-Coach Marcus Ketschau schaffen Werte die Basis für gutes Handeln und Orientierung in volatilen Zeiten.
Herr Ketschau, was genau versteht man unter Unternehmenswerten?
Marcus Ketschau: Werte sind Prinzipien, die einem Menschen oder einer Gruppe von Menschen bezogen auf sich und auf das Zusammenleben mit anderen wichtig sind. Es gibt materielle, immaterielle, moralische, religiöse, politische und ästhetische Werte. Allen gemein ist, dass sie tendenziell einen langfristigen und grundsätzlichen Charakter besitzen. Das unterscheidet sie von Bedürfnissen und Interessen. Werte bereiten Handlungen vor und begründen diese.
Hätten Sie dafür ein Beispiel?
Als Unternehmenswerte werden oft Qualität, Respekt, Ehrlichkeit, Loyalität, Leistung, Innovation oder Verantwortung genannt. Bis auf „Ehrlichkeit“ sind das alles im strengen Sinn keine Werte, sondern erwartete oder erwünschte Handlungsweisen. Der richtige Ansatz wäre, Werte zu finden, aus denen sich die gewünschten Vorgaben ableiten lassen.
Markus Ketschau
… ist Unternehmensberater aus Wehr, zertifizierter Coach und Gründer von Ethisch Managen, einer Plattform, auf der er „Reflexionsangebote zu unternehmensethischen Fragen“ macht. Am 13. Juni hält er den Eröffnungsvortrag.
Stehen Werte allein für sich?
Nicht unbedingt. Das ist das Spannende, wenn man sich damit auseinandersetzt. Nehmen wir „Frieden“ und „Freiheit“: Können die nebeneinanderstehen oder können sie auch konfliktär sein? Es kommt immer auf die Situation und eine ethische Abwägung an, welche Werte in einer Konfliktsituation „wertiger“ sind. So könnten „Gerechtigkeit“ und „Sicherheit“ in einem Unternehmen zum Beispiel ebenfalls zu Konflikten führen – im Zusammenspiel mit Lieferanten, Kunden oder innerhalb der Mitarbeiterschaft.
Wie äußern sich Unternehmenswerte?
Wenn wir das Thema auf Menschen runterbrechen, dann wird das vielleicht deutlicher: Werte charakterisieren. Sprechen andere von Freunden oder Bekannten, dann werden die mit Attributen beschrieben: „Der ist verlässlich, pünktlich und setzt sich für Schwächere ein.“ Diese Einordnung oder Klassifizierung ist auch für oder bei Unternehmen möglich, wenn sie Werte haben und diese leben.
Sie wirken nach innen und außen?
Ja. Im Sinne eines Produkt- oder Dienstleistungsversprechens oder eines Mehrwertes in Bezug auf Kunden, Lieferanten und die Gesellschaft sowie nach innen auf die Mitarbeiterschaft und potentielle Bewerber. Das ist in Zeiten des Arbeitskräftemangels von entscheidender Bedeutung, da die junge Generation oft andere Werte vertritt als die aktuelle Unternehmensführung oder ältere Mitarbeitende.
Sind Unternehmenswerte gewinnbringend?
So würde ich das nicht sagen, weil man Werte nicht instrumentalisieren oder Nützlichkeitserwägungen unterwerfen sollte. Werte beschreiben Grundüberzeugungen, aus denen heraus sich „Handlungsrichtlinien“ entwickeln lassen, die positive oder negative Wirkungen erzielen. Unabhängig davon zählen für Stakeholder je nach sozialer und ökonomischer Situation neben dem Preis, den Kosten, dem Gehalt immer mehr die Werte oder Ziele, die ein Unternehmen vertritt, verfolgt und lebt. Deshalb würde ich sagen, dass Werte und die dazugehörige Unternehmenskultur insofern erfolgskritisch sind, weil Erfolg immer nur im Zwischenmenschlichen, durch Kooperation und Kommunikation, kurz in der Akzeptanz möglich ist.
Warum ist es wichtig, über Werte im Unternehmen zu sprechen?
Werte sind der Maßstab, nach dem Handeln bewertet wird. Dies geschieht meist unbewusst, ist aber trotzdem wirksam. So werden viele Entscheidungen von Führungskräften intuitiv oft als unfair empfunden. Darüber sollte man sprechen, um Werte, Handlungen und das gewünschte Unternehmensbild zu reflektieren und in einen möglichst widerspruchsfreien Zusammenhang zu bringen. Positive Werte sind so wichtig, weil sie die Basis für gutes Handeln schaffen und zugleich Sicherheit und Orientierung gerade in volatilen Zeiten liefern. Das Wichtigste ist jedoch: Nur wenn Unternehmenswerte von allen gelebt werden, erzielen sie langfristig eine positive Wirkung. Alles andere ist kontraproduktiv.
Patrick Merck