Die IHK hat Handels- und Tourismusbetriebe gefragt, wie sie ihre momentane geschäftliche Situation einschätzen, mit welchen digitalen Maßnahmen sie 2020 auf die Pandemie reagiert haben, wie es um Einnahmen, Ausgaben und Finanzierung steht und was sie für 2021 erwarten.
„Die Umfrage bestätigt: Um die Betriebe steht es schlecht“, sagt Alexander Vatovac, Geschäftsführer für Existenzgründung und Unternehmensförderung der IHK Hochrhein-Bodensee. „Die Coronapandemie und der Lockdown II mit fehlender Öffnungsperspektive, aufgezehrten Liquiditätsreserven, schleppender Auszahlung der Coronahilfen und quasi geschlossenen Grenzen zur Schweiz stellen die Betriebe vor gewaltige Herausforderungen.“ Über 200 Unternehmen haben an der anonymen Umfrage teilgenommen. Heraus sticht aus allen Antworten die Verzweiflung, die unter den Betrieben wächst. Was tun mit der Winter-Saisonware, die nicht verkauft wurde? Wohin mit der neuen Frühjahrs-/Sommerkollektion, die nicht mehr ins Lager passt? Wie das Geld aufbringen, um die auflaufenden Rechnungen zu begleichen? Wie planen, wenn nichts sicher ist?
Über 60 Prozent der befragten Betriebe aus den Bereichen Handel, Gastronomie, Tourismus, personenbezogene Dienstleistungen und Veranstaltungen bezeichnen ihre derzeitige Lage als schlecht bis sehr schlecht.
„Wir fürchten eine Insolvenzwelle, wenn die Insolvenzanmeldepflicht wieder in Kraft tritt“, sagt Alexander Vatovac. Nach der Arbeitslosenstatistik im Gastgewerbe für den Zeitraum April bis Oktober 2020 ist dort ein Anstieg von 37,2 Prozent zu verzeichnen. „Dieser Anstieg kann als Frühindikator dienen, was erst noch kommen mag.“ Still und unbemerkt verschwinden zurzeit Betriebe, die die Innenstädte in der Region über Jahrzehnte ausgezeichnet und geprägt haben. „Klar ist, es muss jetzt Perspektiven geben. Perspektiven zur Öffnung und Alternativen zum bisherigen Vorgehen der Schließungen als bis dato einziges Mittel zur Bekämpfung der Pandemie.“
Nicht weniger in ihrer Existenz bedroht sind Reiseveranstalter und Reisebüros sowie die Event- und Veranstaltungsbranche. „Auch hier sind die Antworten in unserer Umfrage düster. Reisen werden wohl auch 2021 nur sehr reduziert stattfinden. Zum einen muss es erst einmal erlaubt sein, touristische Reisen überhaupt zu unternehmen, zum anderen ist die Reiselaune der Deutschen aufgrund der vorhandenen Unsicherheiten gehemmt. Schlechte Aussichten also für das Jahr 2021, nachdem bereits das Jahr 2020 weit unter den Erwartungen zurückgeblieben ist“, sagt Alexander Vatovac, der in der IHK auch das Thema Tourismus verantwortet. Hinzu komme, dass gerade beim Inlandstourismus die Dienste der Reisebüros und Reiseveranstalter weniger nachgefragt würden.
Zwar erlebte der Inlandstourismus im Sommer einen Hype, aber auch hier fehlten Gäste aus dem Ausland und der Reisezeitraum war durch die Reiseverbote verkürzt. In der Region Hochrhein-Bodensee ging die Zahl der Übernachtungen im Zeitraum Januar bis September 2020 laut Landesamt für Statistik um 34,5 Prozent zurück.
Ausnahmslos schlecht bewerteten die Unternehmen in der Event- und Veranstaltungsbranche ihre Lage seit dem ersten Lockdown. „Gemeinsam mit den Reisebüros und Reiseveranstaltern gehört die Branche zu den Hauptverlierern der Pandemie“, sagt Alexander Vatovac. „Keine Messe, keine Hochzeiten, keine Großveranstaltung, kein Konzert, kein Fest, keine Partys, keine Betriebsfeiern – alles abgesagt. Besserung ist nicht in Sicht. So ist es nicht verwunderlich, dass gemäß der Umfrage 62 Prozent der Befragten ihre Existenz als bedroht ansehen.“
Aktivitäten in der Krise
Dennoch: Keineswegs alle Betriebe ergeben sich der Krise. Rund die Hälfte der Befragten haben im Jahr 2020 mehr in ihre Onlinesichtbarkeit und -aktivitäten wie E-Commerce investiert, als zuvor geplant war. Auch im Jahr 2021 wollen 35 Prozent dies verstärkt tun. Dabei hat sich der Auf- oder Ausbau des eigenen Onlineshops sowie die Kommunikation via Social-Media-Kanälen am meisten gelohnt.
„Es sticht vor allem der Handel ins Auge“, erklärt Vatovac. Viele der Befragten nahmen die Coronapandemie zum Anlass, erstmalig Onlineaktivitäten oder neue Serviceleistungen anzugehen. Etwa dreiviertel der Händler geben an, eine der folgenden Aktivitäten erstmalig durchgeführt zu haben: Aufbau eines Lieferservices, Click & Collect, eigener Onlineshop, Verkauf über Marktplätze, Social-Media-Werbung . Nicht immer führten die gewählten Maßnahmen aber zum erhofften Erfolg.“
Neben Onlineaktivitäten gaben viele Unternehmen an, dass sie während der Pandemie ihre Kostenstrukturen überarbeitet und, wo möglich, gespart haben. Sie schickten ihre Mitarbeiter ganz oder teilweise in Kurzarbeit. Reisekosten wurden (zwangsläufig) auf ein Minimum reduziert. Die Ausgaben für Werbemaßnahmen sanken. Nicht notwendige Versicherungen wurden gekündigt, Geschäftsmodelle verändert, um neue Einnahmequellen zu erschließen, und nicht gewinnbringende Geschäftszweige abgestoßen. Auch der Verzicht auf Auszahlung des eigenen Gehalts wurde von den Befragten oft genannt. Ebenso wurde über Preiserhöhungen nachgedacht.
Die Coronahilfen des Bundes und der Länder empfanden die Betriebe grundsätzlich als eine große und sinnvolle Unterstützung in der Pandemie. „Wir können bestätigen, dass die Hilfsprogramme des Bundes mit fortwährender Dauer der Krise immer besser wurden, ausgereifter, durchdachter und branchenoffener“, sagt Vatovac, „nicht zuletzt als Folge unseres permanenten Feedbacks an die Politik. Einzig die langsame Auszahlung geht den Unternehmern an die Substanz. Viele müssen sehr lange auf das Geld warten. Daran, dass sich dies rasch bessert, arbeiten wir mit aller Kraft.“
Ausblick
Für das verbleibende Jahr 2021 prognostizieren die Befragten nichts Gutes. „Die Betriebe rechnen mehr oder weniger mit einer gleichbleibenden oder sogar mit einer leicht schlechteren Situation. Vieles dürfte an der fehlenden Planbarkeit und den vielen Unsicherheiten liegen“, bewertet Alexander Vatovac die Antworten. „Eines sei für sie aber sicher: Wenn es wieder losgeht, dann richtig. Die Unternehmer sind keinesfalls in einen Dornröschenschlaf gefallen.“ Die Unternehmen bereiten sich derzeit auf die Wiederöffnung vor und erfahren viel Unterstützung von ihren Mitarbeitern, die ihren Arbeitgebern nach Kräften helfen und selbst große Opfer zum Beispiel in Form von geringeren Einkommen bringen.
Text: AV/HW
Bild: Adobe Stock
Wie agieren Händler in der Krise. Wir geben drei Beispiele:
Anette und Thomas Wartner aus Waldshut, Bruno Hall aus Lörrach und Melanie Teubner aus Lörrach
Grafiken zur Umfrage und weitere Ergebnisse gibt es unter www.konstanz.ihk.de 5037422
IHK-Ansprechpartner:
Alexander Vatovac
Telefon: 07531 2860-135
Mail: alexander.vatovac@konstanz.ihk.de