Die hohen und steigenden Preise für Energie, Rohstoffe und Vorprodukte machen Produzenten und Verbrauchern zu schaffen. Entsprechend haben sich die Konjunkturaussichten für die regionale Wirtschaft deutlich eingetrübt. Das zeigt der aktuelle Konjunkturindex der IHK Hochrhein-Bodensee.
Es ist ein dickes Minus: Der errechnete Index für das Konjunkturklima in der Region sinkt um 29 Punkte von 114 Punkten im vergangenen Frühjahr auf aktuell 85. „Die Erwartungen der Unternehmen für die kommenden Monate gehen auf breiter Linie zurück“, erläutert Alexander Graf, zuständig für die Konjunkturumfrage der IHK Hochrhein-Bodensee. Das Ausmaß ist groß: „Der regionale Konjunkturindex ist auf das niedrigste Niveau seit Ausbruch der Coronapandemie 2020 zurückgefallen.“ Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage der Betriebe ist gegenüber der Befragung zum Frühjahr ebenfalls gesunken, der Lageindikator liegt mit 122 Punkte auf Landesniveau (123 Punkte) und in der Langzeitbetrachtung allerdings noch in einem guten Bereich.
Industrie zeigt sich robust
Der Indexwert für die Geschäftslage der Industrieunternehmen im Kammergebiet ist von 142 im Frühjahr auf aktuell 120 Punkte zurückgegangen. Der Anteil der Unternehmen, die ihre Geschäftslage mit „gut“ bezeichnen, hat sich seit dem Frühjahr von 53 auf 34 Prozent reduziert. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Unternehmen, die von einer schlechten Geschäftslage sprechen, um drei Prozentpunkte auf 14 Prozent zu. „Das sind aber immer noch gute Werte“, formuliert Graf. Das zeigt sich auch am Auslastungsgrad der Kapazitäten im Produktionssektor, der stabil bei 87 Prozent liegt. Allerdings berichten im Herbst mehr Produktionsbetriebe – circa 35 Prozent – von einer fallenden Tendenz im Auftragseingang, während nur 20 Prozent eine steigende Tendenz verzeichnen.
Zurückhaltendes Kaufverhalten im regionalen Handel
Zurückhaltender als im Frühjahr fällt die Einschätzung im Handel aus. So sind es nur noch rund 13 Prozent der Befragten, die ihre Lage aktuell als gut beurteilen. Der überwiegende Teil, etwa 80 Prozent, ist zwar zufrieden, „allerdings berichtet mehr als ein Drittel der Händler von gegenüber dem Vorjahresquartal gesunkenen Umsätzen“. Noch schlechter sieht es beim Konsumverhalten der Kunden aus. Graf: „Hier berichten drei von vier Händlern von zurückhaltendem Konsum.“ Die Folge: Der Lageindex im regionalen Handel sinkt auf 104 Punkte.
Dienstleistungsbereich entwickelt sich erfreulich
Die Lage im Dienstleistungsbereich zeigt sich wie schon in den Vorjahren zum Herbst hin verbessert. Waren es im Frühjahr noch rund 18 Prozent der Dienstleister, die von einer schlechten Lage sprachen, so sind dies in der aktuellen Umfrage nur noch zehn Prozent. Und auch die Zahl der „zufriedenen“ Dienstleister hat sich in diesem Zeitraum von 42 auf 49 Prozent erhöht. Von einer guten Ertragslage sprechen aktuell 28 Prozent, der mit 59 Prozent überwiegende Teil der Dienstleister ist mit der Ertragslage derzeit zufrieden. Der Lageindex im Dienstleistungsbereich steigt gegenüber dem Frühjahr auf 132 Punkte.
Gedämpfte Erwartungen
Stark zurückgegangen sind die Erwartungen der Unternehmen in der Region über den weiteren Geschäftsverlauf. Der entsprechende Index für die Geschäftserwartungen ist von 105 Punkten im Frühjahr auf 59 im Herbst eingebrochen. Graf: „Dies ist das niedrigste Niveau der vergangenen 25 Jahre.“ Aktuell sieht jeder zweite Betrieb eine schlechtere Geschäftsentwicklung in den nächsten zwölf Monaten voraus. Damit hat sich dieser Anteil gegenüber vorherigen Befragung mehr als verdoppelt. Am stärksten eingetrübt haben sich die Erwartungen unter den Produktionsbetrieben. Hier erhöht sich der Anteil der Unternehmen, die mit schlechteren Geschäften rechnen, von 16 auf 52 Prozent. Im Gegenzug geht die Zahl der Optimisten, die mit besseren Geschäften planen, von 39 Prozent auf nur noch zwei Prozent massiv zurück.
Ähnlich ist das Bild bei den Dienstleistungsbetrieben. Auch hier gehen die Erwartungen deutlich zurück: der Anteil der Unternehmen, die für die kommenden Monate von besseren Geschäften ausgehen, liegt bei rund 16 Prozent, während auch hier jedes zweite Unternehmen mit einem sich verschlechternden Geschäftsverlauf rechnet.
Handel sieht schwere Zeiten voraus
Waren die Erwartungen im regionalen Handel bereits im Frühjahr eher verhalten, so schwinden sie für die kommenden Monate weiter. Nur noch sechs Prozent der befragten Händler sehen einen besseren Geschäftsverlauf voraus, während aktuell 46 Prozent eine Verschlechterung gegenüber der aktuellen Situation prognostizieren. Dementsprechend vorsichtig agieren die Unternehmen, was Investitionen im Inland betrifft. Rund ein Drittel der Unternehmen im Kammerbezirk plant für die kommenden Monate mit geringeren Investitionen. Dabei werden die Positionen „Beschaffung von Ersatzbedarfen“ mit 63 Prozent, „Ausbau der Digitalisierung“ mit 59 Prozent und „Energieeffizienz- und Umweltschutzmaßnahmen“ mit 49 Prozent am häufigsten genannt.
An den wesentlichen Planungen bezüglich der Beschäftigtenzahlen ändert sich gegenüber Frühjahr in der Wirtschaft nur wenig. So geht der überwiegende Teil der Unternehmen in der Region – 69 Prozent – weiter von einer konstanten Anzahl beschäftigter Personen in den kommenden zwölf Monaten aus. 16 Prozent rechnen mit einer tendenziell steigenden Belegschaft, 15 Prozent mit fallenden Beschäftigtenzahlen im Unternehmen.
Risiken der wirtschaftlichen Entwicklung
Die Energiepreisentwicklung der vergangenen Monate wird für immer mehr Unternehmen zu einem Problem. Viele Betriebe versuchen auf alternative Energieträger auszuweichen, in Energieeffizienzmaßnahmen zu investieren oder einen Großteil der gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzugeben.
Bei einem Teil der Unternehmen reichen diese Maßnahmen aber kurzfristig nicht aus. Dies führt im Produktionsbereich dazu, dass aufgrund der hohen Strom- und Gaspreise aktuell rund 14 Prozent der Unternehmen ihre Produktion reduzieren. Die Unsicherheit bezüglich der weiteren Energiepreisentwicklung und der Einführung, Höhe und Ausgestaltung zukünftiger Preisbremsen lässt das Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen in der Region seit Monaten steigen.
Energiepreise und Fachkräftemangel erschweren Planung
Mit 78 Prozent sind die Energiepreise das meistgenannte Risiko. Die Suche nach geeigneten Fachkräften treibt zudem zwei Drittel der Unternehmen um. Da die geburtenstarken Jahrgänge bald in den Ruhestand gehen, ist auf absehbare Zeit hier keine Entspannung zu erwarten.
Jedem zweiten Unternehmen bereiten momentan die Rohstoffpreisentwicklung und die gesunkene Inlandsnachfrage Sorgen. War letztere in den vergangenen Jahren immer eine Stütze im Konjunkturverlauf, so werden im aktuellen Umfeld von Unsicherheit und Inflation Konsumausgaben und Investitionen zurückgefahren.
Umso wichtiger erscheint es, wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zu setzen, die zur Stabilisierung des Wirtschaftsstandortes beitragen. Hierbei sind insbesondere Maßnahmen zur Energiepolitik, ein nennenswerter Bürokratieabbau sowie ein Belastungsmoratorium der Wirtschaft, aber auch Investitionen in die Infrastruktur notwendig.
Text: ag
Bild: Adobe Stock – ferkelraggae
Eine ausführlichere Dokumentation ist unter www.ihk.de/konstanz – 5650548 zu finden.
Alexander Graf, Leiter Geschäftsfeld Standortpolitik, Geschäftsführer
Telefon: 07622 3907-213
Mail: alexander.graf@konstanz.ihk.de