Durch den Abbau unnötiger Bürokratie lassen sich nicht nur viele Verfahren beschleunigen, sondern auch und vor allem massiv Kosten einsparen. Genau dafür setzt sich der Normenkontrollrat Baden-Württemberg ein. Dessen Vorsitzende, Gisela Meister-Scheufelen, erläuterte in Konstanz nicht nur die Arbeit des Rats, sondern nahm sich Zeit, mit Unternehmern aus dem Kammergebiet über ganz konkrete Fälle zu sprechen, die diese mitgebracht hatten.
Die Bürokratie als solche, das machte IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx in seinem Eingangsstatement zur Veranstaltung mit Normenkontrollrats-chefin Gisela Meister-Scheufelen klar, „genießt zu Unrecht einen schlechten Ruf“. Klare Regeln und Vorgaben und ihre korrekte Umsetzung sorgten im unternehmerischen Handeln für Sicherheit und Verlässlichkeit. Wer je im Ausland unterwegs gewesen sei, wisse, was es bedeute, wenn ein Land über keine funktionierende Bürokratie verfüge oder unter der Pest der Korrupten leide. „Bürokratie per se ist ein Gewinn, ja nachgerade Voraussetzung für eine intakte Gesellschaft.“ Schwierig werde es allerdings, wenn sie Ausmaße annehme, die ihren Nutzen nicht mehr sichtbar werden lasse. Bürokratie um ihrer selbst willen dürfe es nicht geben. Umso wichtiger sei die Arbeit des Normenkontrollrats, der solche Strukturen aufdecken oder – besser noch – von vornherein vermeiden könne.
Seit 2018 gibt es das unabhängige, sechsköpfige Gremium in Baden-Württemberg, das beim Staatsministerium angesiedelt ist. Seine beiden Ziele sind „Bürokratievermeidung in Rechtssetzungsverfahren und der Bürokratieabbau bei geltendem Recht“, erläuterte Ratsvorsitzende Gisela Meister-Scheufelen. Dahinter verstecke sich zum einen die Prüfung von Gesetzesentwürfen der Landesregierung auf ihre Qualität und zum anderen Vorschläge, „auf konkrete Vorgaben zu verzichten oder den Verwaltungsvollzug zu vereinfachen“. Seit 2018 wurden 160 solcher Vorschläge erarbeitet, die dazu beigetragen haben, Bürokratiekosten in Höhe von knapp 100 Millionen Euro zu verringern. Gisela Meister-Scheufelen, die in Begleitung ihres Kontrollratskollegen Daniel Zimmermann angereist war, verdeutlichte: „Allein die Digitalisierung im öffentlichen Auftragswesen hat zu einer Einsparung von 39 Millionen Euro geführt.“
Der Normenkontrollrat hat eine ganze Reihe von Faktoren identifiziert, die den bürokratischen Aufwand negativ beeinflussen, wie Meister-Scheufelen erläutert: „Dazu zählen etwa das Sicherheitsdenken der Verwaltung, zu viel und zu detaillierte Vorschriften, die weiterhin fehlende Digitalisierung und vor allem der Mangel an politischem Willen, hier umzudenken.“ Diese Aufzählung wurde von den anwesenden Unternehmern mit wissendem Kopfnicken quittiert. Lucia Rehm, Geschäftsführerin des Kies- und Betonwerks Rehm, Bene Müller, der Vorstandssprecher der Solarcomplex AG, Apotheker Michael B. Vetter und Daniel Vögele vom Vorstand der Stobag Alufinish GmbH trugen im Anschluss konkrete Beispiele vor, die deutlich werden ließen, wie eben diese Faktoren unternehmerisches Handeln regelrecht ausbremsen.
Wie viele Gutachten braucht die Welt?
So ging es etwa darum, wie viele und welche Gutachten für den Betrieb einer Photovoltaikanlage im Außenbereich als sinnvoll erachtet werden, und welche Zertifikate für die Inbetriebnahme einer fix und fertig installierten Photovoltaikanlage auf einem Firmengelände Voraussetzung sind. Allein der faktische Mangel an notwendigen, aber nicht verfügbaren Gutachtern könne ein Vorhaben auf unbestimmte Zeit verzögern – für Marx „in Zeiten einer akuten Energiekrise ein unhaltbarer Zustand“. Schon fast mit bitterer Heiterkeit wurde gefragt, warum ein Schwerlast-Lkw mit fünf Achsen, wie er in den Niederlanden sowie in der Schweiz zugelassen ist, in Deutschland nicht fahren darf, obwohl das anzufahrende Unternehmen gerade einmal 2,5 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Auch die Themenfelder „statistische Erhebung“ und Meldepflichten kamen zur Sprache, weil sie viel Zeit kosteten und Ressourcen bänden – während an ihrer Sinnhaftigkeit oft erhebliche Zweifel bestünden.
Gisela Meister-Scheufelen nahm sich Zeit, ließ sich die Beispiele detailliert erklären, machte sich Notizen – und den Unternehmern Mut. Sie versprach, die Themen mit nach Stuttgart zu nehmen und im Normenkontrollrat sowie bei den politisch Verantwortlichen anzusprechen. Für sie steht fest: „Die Politik muss erkennen, dass der Abbau unnötiger Bürokratie ein Gewinn für alle Beteiligten ist. Die Bürokratie ist für die Menschen da und nicht umgekehrt.“
Text: mrk
Bilder: Adobe Stock – ViennaFrame (oben)/Maxine Schmidt (unten)
Bild (unten): : Daniel Vögele, Claudius Marx, Lucia Rehm, Gisela Meister-Scheufelen und Daniel Zimmermann, beide vom Normenkontrollrat, Michael B. Vetter und Bene Müller (von links) sprachen über Bürokratie und ihre Folgen.