Wenn die IHK zum Summerfäschd in die Ortenau lädt, scheint die Sonne. Egal wie das Wetter vorhergesagt ist. Rund 500 Gäste verbrachten Mitte Juli einen sonnigen, unterhaltsamen und informativen Abend auf dem Campus der Offenburger Hochschule, wo das Fest diesmal unter dem Motto „Digitalisierung – mehr als nur technologischer Fortschritt“ stattfand.
Mit den Gästen kam das gute Wetter und erhellte die Gemüter am Ende eines regnerischen Julitages. Ähnlich strahlend steht nach wie vor die Region da. Das zeigt auch die Regionalstudie, die das Basler Prognos Institut im Auftrag der IHK erstellt hat. Demnach hat die Beschäftigung im Kammerbezirk seit 2011 um ein Fünftel zugenommen. „Vor allem der Mittelstand hat diesen Aufbau bewirkt“, betonte IHK-Präsident Steffen Auer in seiner Begrüßungsrede. Die Menschen kämen gerne in die Region, weil hier die Work-Life-Balance stimme. Toll leben und toll arbeiten, das macht glücklich, deshalb landete Baden im sogenannten Glücksatlas jüngst wieder auf dem zweiten Platz.
Zudem stehen die Kommunen im Bundesvergleich finanziell sehr gut da. Und das, obwohl 80 Prozent dem sogenannten ländlichen Raum zugeordnet werden, weit mehr als im Landesschnitt (30 Prozent). Deshalb gefällt dem IHK-Präsidenten der Begriff gar nicht: „Das klingt nach Kühen.“ Er forderte die Politik auf, die Bedürfnisse dieser Region mit ihren vielen erfolgreichen und innovativen Unternehmen zu erkennen. Es brauche Investitionen in Netzwerke, in Breitband und Mobilität, um ihre Stärke zu erhalten. „Wir stehen jetzt gut da, schauen wir in die Zukunft, sieht es nicht so gut aus“, mahnte Auer. Im aktuellen Zukunftsatlas, den die Prognos AG im Sommer veröffentlicht hat, rutscht die Ortenau deutlich ab.
„Wir müssen alle innovativer und digitaler werden“, rief Auer daher den Gästen zu. „Fangen Sie heute Abend an.“ Die IHK unterstützt ihre Mitglieder auf diesem Weg. Sie bietet beispielsweise einen „Readiness-Check“ an, der Firmen zeigt, wie weit sie in Sachen Digitalisierung sind. Und sie hat zwei neue Mitarbeiter eingestellt, die sich damit auskennen: Nico Faller und Emmanuel Beule (siehe auch WiS 5/19) boten sich beim Sommerfest als Ansprechpartner an.
Um das Motto „Digitalisierung – mehr als nur technologischer Fortschritt“ ging es auch beim Sommertalk. Dazu hatte die IHK den Hausherren, Offenburgs Hochschulrektor Winfried Lieber, sowie die Unternehmer Melanie Hättich (Inhaberin Hotel Imbery, Hinterzarten) und Frank Semling (Vorstand Hansgrohe, Schiltach/Offenburg) als Gesprächspartner von IHK-Präsident Auer auf die Bühne gebeten. Die WDR-Moderatorin Janine Breuer-Kolo führte durch das Gespräch, das sich um Chancen und Herausforderungen des Wandels sowie die Reaktionen der Mitarbeiter darauf drehte. Melanie Hättich hat das Hotel-Restaurant, das sie zusammen mit ihrem Bruder vor zwei Jahren von ihren Eltern übernahm, mittlerweile komplett digitalisiert. Statt Dienstplänen auf Papier gibt es jetzt Apps auf dem Handy. So weiß jeder Mitarbeiter sofort über jede Änderung Bescheid, und die Hotelchefin, Mutter von vier Kindern, kann auch mobil daran arbeiten. „Das hat wahnsinnig viel vereinfacht“, berichtete Hättich. Gerade hinsichtlich rechtlicher Anforderungen zu Arbeitszeiten oder Datenschutz ließen sich digitalisierte Prozesse einfacher anpassen. Aber sie merkte auch, dass es wichtig ist, ihre 18 Mitarbeiter „abzuholen“. Deshalb haben sie und ihr Bruder den Wandel schrittweise vollzogen und den Generationswechsel als Startschuss genutzt.
Hochschule Offenburg
Sie wurde 1964 als Staatliche Ingenieurschule gegründet, 1978 durch den betriebswirtschaftlichen Standort in Gengenbach ergänzt und entwickelte in den 1990er-Jahren weitere Studienangebote im Bereich Medien sowie Master-Studiengänge mit internationaler Ausrichtung. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Studierenden mehr als verdoppelt. Heute studieren an den beiden Standorten Offenburg und Gengenbach mehr als 4.500 junge Menschen. Die vier Fakultäten bieten ein breites, interdisziplinäres und praxisorientiertes Fächerspektrum: Betriebswirtschaft und Wirtschaftsingenieurwesen, Elektrotechnik und Informationstechnik, Maschinenbau und Verfahrenstechnik sowie Medien und Informationswesen. Die Hochschule kooperiert mit zahlreichen Partnern aus der Wirtschaft hinsichtlich Praktika und Abschlussarbeiten ihrer Studierenden oder auch deren späteren Berufseinstieg. Zudem garantiert der Informationsaustausch zwischen Professoren der Hochschule und Ingenieuren aus der Arbeitswelt eine Ausbildung, die sich am aktuellen Stand der Technik orientiert.
wis
Die einen rufen „hurra“, die anderen fürchten um ihren Arbeitsplatz. So erlebt Frank Semling die Reaktion der insgesamt fast 5.000 Hansgrohe-Mitarbeiter auf Veränderungen. „118 Jahre Historie kann man nicht über Bord schmeißen“, sagte der für Digitales und Arbeit zuständige Hansgrohe-Vorstand. Er sieht seine große Aufgabe darin, den Menschen die Angst zu nehmen, sie Digitalisierung als Chance sehen zu lassen. Dabei gehe es weniger um Technik als um Gewohnheiten. „Man muss das Mindset ändern“, betonte Semling. Das koste mitunter alte Hierarchien und Denkweisen, denn die neuen Technologien erforderten agile Teams und neue Partnerschaften. Ein solcher Partner ist beispielsweise die Hochschule Offenburg. Mehr als die Hälfte der rund 70 Studierenden, die jährlich bei Hansgrohe Praktika machen oder Diplomarbeiten schreiben, kommen von hier und bringen neue Ideen mit. „Mit jedem Studenten lernen wir etwas dazu“, sagte Semling.
Winfried Lieber sieht in der Digitalisierung kein plötzliches Phänomen. Sie breite sich nur auf immer neue Bereiche aus und erfordere ein Umdenken. Der Hochschulrektor ist optimistisch, dass die Unternehmen der Region den Wandel bewerkstelligen. „Ich erlebe, dass KMU sehr klare Vorstellungen davon haben, was sie machen müssen“, sagte Lieber. Er sei „positiv gestimmt, dass ein Aufbruch da ist“. Allerdings bemängelte er die fehlende Unterstützung von staatlicher Seite. Die angewandte Forschung der Hochschule Offenburg wachse zwar jedes Jahr um zehn bis fünfzehn Prozent. Der Bedarf sei aber noch größer. „Es tut weh, dass wir nicht mehr Flexibilität von Bund und Land bekommen“, klagte Lieber. Um Wissen aus der Hochschule in die Unternehmen zu transferieren, brauche es beispielsweise Zwischenfinanzierungen für den Prototypenbau. Die Aussage „es funktioniert“ reiche für Unternehmen halt nicht aus. Darin waren sich Lieber und IHK-Präsident Auer einig. Diese „Innovationslücke von der Forschung in die Anwendung“ (Lieber) gelte es schnell zu schließen.
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Alle Bilder: Michael Bode
Mehr Bilder vom Summerfäschd unter www.suedlicher-oberrhein.ihk.de (3339054)