Die Region Südlicher Oberrhein steht gut da. Um den Status quo zu erhalten, bedarf es einiger gemeinsamer Anstrengungen und keinesfalls eines Erstarrens. Das ist das Ergebnis der „Zukunftsstrategie Südlicher Oberrhein“, die die IHK Südlicher Oberrhein im Februar veröffentlicht hat. Die Studie liefert einen Entwicklungsrahmen für die Region aus Sicht der Wirtschaft.
Wie gut es den Menschen am südlichen Oberrhein geht, betont IHK-Präsident Steffen Auer alljährlich beim Neujahrsempfang der Kammer. „Doch wie werden wir außerhalb unserer Region wahrgenommen? Was sind die Besonderheiten, die uns von anderen abheben? Und, wichtigste Frage: Was müssen wir tun, um unseren guten Status zu erhalten?“ Fragen wie diese waren laut Auer der Auslöser für die von der IHK initiierte und mit Unterstützung des Forschungsinstituts Prognos, diversen hiesigen politischen Entscheidungsträgern, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie Unternehmen erstellte Studie. Anderthalb Jahre haben die Kammer und ihre Mitstreiter an der „Zukunftsstrategie Südlicher Oberrhein“ gearbeitet. „Wir haben viele Kennzahlen gesammelt und intensive, teils sehr persönliche Gespräche geführt“, berichtete Tobias Koch, Principal bei Prognos. Mehr als 70 Personen seien auf Arbeits- und Entscheiderebene dabei gewesen. Hinzu kamen außerdem rund 650 Rückmeldungen aus einer Unternehmensbefragung, die ebenfalls in die Studie eingeflossen sind, sowie regelmäßige Rückkoppelungen mit Präsidium und Vollversammlung der IHK.
Um die in die Zukunft gerichteten Fragen zu beantworten, galt das Augenmerk zunächst der Ausgangssituation. „Der südliche Oberrhein ist Tourismus- und Wirtschafts- und Wissenschaftsregion zugleich“, definierte Koch. „Diese Kombination ist Herausforderung und Hürde, denn es gilt, das Profil der Region für die Außenwahrnehmung zu schärfen.“ Geprägt sei die Region außerdem von einer breiten und diversifizierten Branchenstruktur sowie deutlichen Entwicklungsunterschieden in einer heterogenen Fläche. „Das Rückgrat stellen kleinere und mittlere Unternehmen dar.“ Überdies gebe es eine breite und starke Wissenschaftslandschaft. Größtes Problem schon heute: der Fachkräftemangel sowie Engpässe in der Infrastruktur.
Mit Blick auf die positive Ausgangslage hat die Studie ein „Was passiert, wenn nichts passiert?“-Szenario entworfen. Klares Ergebnis: Mangelnde Veränderungen und fehlendes Agieren führen zu einem Negativszenario. Koch: „Aktives Handeln ist notwendig, um den Wohlstand der Region zu halten.“ Hier ergeben sich strategische Leitlinien und Ziele für die Region. „Der Südliche Oberrhein benötigt ein klares, erkennbares und unverwechselbares Profil.“ Das Thema Nachhaltigkeit könne Klammer der Region werden. Essenziell auch der flächendeckende Ausbau mit Breitband und Mobilfunk, die schnelle Umsetzung prioritärer Verkehrsprojekte wie der Rheintalbahn oder der Ausbau der Autobahn A5 sowie ein verbesserter Anschluss der Gewerbegebiete an den ÖPNV. Von Bedeutung seien zudem interkommunale Kooperationen, um Gewerbe- und Wohnflächen bedarfsorientiert zu entwickeln, ohne dabei die Landschaft zu zerstören.
Aus der Ausgangssituation, dem drohenden Negativszenario sowie den strategischen Leitlinien hat die IHK acht Handlungsempfehlungen für eine zukunftsgerichtete Regional- und Innovationsentwicklung herausgearbeitet. Priorität hat dabei eine sogenannte „Regional Governance“: der konsequente Austausch und die strategische Zusammenarbeit über kommunale Grenzen hinweg, auch mit Nachbarregionen. „Bisher gab es das bei uns nicht, aber das können wir uns nicht mehr leisten“, stellte IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Salomon fest. Wichtig sei jedoch nicht nur das gemeinsame, sondern auch das einheitliche Auftreten. Dass dies unter dem Etikett „Nachhaltigkeit“ geschehen soll, erscheint für Salomon nur logisch: „Umwelt- und Klimaschutz sind die Themen unserer Region, nicht erst seit Wyhl.“ Als „existenzbedrohend“ bezeichnete es der Hauptgeschäftsführer, wenn die Region nicht den Ausgleich und die funktionale Arbeitsteilung zwischen Höhen- und Tallagen des Schwarzwalds mit dem verdichteten grenzüberschreitenden Oberrheintal schaffe. Dazu gehöre nicht nur der sofortige und leistungsfähige Ausbau der Breitbandinfrastruktur sowie des Mobilfunks flächendeckend in der gesamten Region, sondern auch die zeitnahe Umsetzung von innovativen Mobilitätskonzepten. Bei der aktiven Unterstützung der Betriebe bei der Suche nach Fachkräften sieht Salomon besonders die Kammern in der Pflicht: „Das Studium ist nicht für jeden der richtige Weg. Es ist unsere Aufgabe, die jungen Leute in der Berufswahl gut zu beraten.“ Auch in Sachen Unternehmensnachfolge gelte es für die IHK, die Unternehmen frühzeitig zu sensibilisieren. Innovationen in kleinen und mittleren Unternehmen voranzubringen, sei schwierig. „In unserer Region wird zwar geforscht und getüftelt, aber es wird nicht als solches deklariert.“
„Diese Empfehlungen sind kein ,nice to have‘, sie sind existenziell für unsere Region“, mahnte Salomon. Wohlstand erhalte sich nicht durch Stillstand. „Die aktuellen 5G-Diskussionen kann sich ein Industrieland wie Deutschland eigentlich gar nicht leisten. Wir müssen diese diffusen Ängste überwinden.“ Auer betonte, dass die „Regional Governance“ über allem stehe. „Wir sind nicht erfahren in Partnerschaften, das zeigt sich schon bei den unterschiedlichen Trachten oder Fastnachtsbräuchen von Dorf zu Dorf. Aber wir müssen endlich raus aus diesem Hütchendenken. Es braucht jetzt Kooperationen und Kompromisse.“ Beispielhaft nannte der IHK-Präsident das Abstimmen von Schichtplänen verschiedener Betriebe innerhalb eines Industriegebiets, um ÖPNV oder Fahrgemeinschaften gegen den Verkehrskollaps besser organisieren zu können. „Wir als IHK sind hier in einer führenden Rolle“, sagte Alwin Wagner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer. „Wir versuchen, die Dinge zu treiben.“ Es gebe bereits einige laufende Projekte, andere seien neu. Die IHK sei dabei Mittler zwischen den verschiedenen Partnern und auf den unterschiedlichen Ebenen. Wagner: „Mit der Studie haben wir einen Impuls geliefert. Wir sind schon mittendrin, aber es ist eine stetige Aufgabe.“
Text: naz
Bilder: Simon – Adobe Stock; IHK