Seit einem Jahr können Menschen ohne Berufsabschluss durch das Projekt „ValiKom Transfer“ bei der IHK Südlicher Oberrhein ihre beruflichen Kompetenzen nachweisen. Die Bandbreite der im Verfahren angebotenen Berufe reicht vom Koch über die Kauffrau für Büromanagement, den Fachlageristen bis hin zum Fachinformatiker. Bei erfolgreicher Teilnahme erhalten sie ein Zertifikat, das die Gleichwertigkeit ihrer Kenntnisse für den entsprechenden Beruf bescheinigt. Das erhöht die Bewerbungschancen. Auch Arbeitgeber profitieren: Sie können durch Valikom Transfer Potenziale ihrer Belegschaft aufdecken.
Szendilla Simon stammt ursprünglich aus Rumänien und hat dort den Beruf Mechatronikerin erlernt. Über verschiedene Stationen ist sie zum dm-Markt in Neuenburg gekommen, wo sie sich bis zur Stellvertreterin der Marktleitung hochgearbeitet hat. Geholfen hat ihr dabei sicherlich auch, dass sie fünf Sprachen spricht. Vom Betrieb wurde Simon auf die Möglichkeit angesprochen, mit „ValiKom Transfer“ nachzuweisen, was sie im Beruf Kauffrau im Einzelhandel kann. „Ich kannte das Programm nicht, aber ich habe schnell gemerkt, dass das eine große Chance für mich ist. Daher habe ich zugesagt“, berichtet die 36-Jährige. Im ersten Schritt musste sie für das Verfahren einen sogenannten Selbsteinschätzungsbogen ausfüllen. „In diesen kreuzen die Antragstellenden an, welche Tätigkeitsbereiche sie in ihrer beruflichen Praxis ausgeübt haben“, erklärt Patrick Bareiter, Projektreferent für Valikom Transfer bei der IHK Südlicher Oberrhein. Gemeinsam mit dem Lebenslauf bildet der Selbsteinschätzungsbogen die Grundlage für die Auswertungsübersicht. Die fachlichen Kompetenzen werden von Berufsexperten zunächst anhand der Unterlagen überprüft.
Danach folgt der Praxistest durch eine sogenannte Fremdbewertung. Dazu kamen die Berufsexperten Frank Mandolla und Patrick Bareiter in den dm-Markt in Neuenburg. Mandolla: „Zunächst verschaffen wir uns einen Überblick über die Gegebenheit vor Ort, zum Beispiel über die Verkaufsfläche und das Lager, um daraus dann praktische Aufgaben zu entwickeln.“ Für Szendilla Simon hieß das, dass sie in einem Rollenspiel bei Beratungsgesprächen zu Zahncremes überzeugen musste. Anschließend wurde auch ihr Verhalten beim Kassiervorgang geprüft. Nach einer abschließenden Beratung der IHK-Experten stand fest: Die beruflichen Kompetenzen von Simon sind vergleichbar mit denen einer gelernten Fachkraft. Zum Nachweis darüber erhielt sie im Anschluss per Post ihr IHK-Zertifikat über die volle Gleichwertigkeit zu einer Kauffrau im Einzelhandel. „Während der Fremdbewertung war ich schon aufgeregt, aber jetzt bin ich sehr froh, dass ich es geschafft habe“, sagt Simon.
Ein Jahr nach seiner Einführung ist das Valikom-Transfer-Verfahren bei der IHK Südlicher Oberrhein etabliert. Rund ein Dutzend Zertifikate wurden vergeben; 20 Berufe können inzwischen validiert werden. Die Teilnahme am Verfahren ist derzeit kostenlos. Gerade in Zeiten der Pandemie ist das Thema sehr aktuell. „Durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise werden bedauerlicherweise einige Arbeitnehmende ihren Job verlieren. Oft trifft es dabei Personen ohne formalen Berufsabschluss,“ weiß Bareiter. „Mit dem Valikom-Transfer-Zertifikat haben diese Personen jetzt die Möglichkeit nachzuweisen, was sie fachlich draufhaben. Damit gelingt der Wiedereinstieg in den Beruf deutlich leichter.“ Durchschnittlich dauert das komplette Verfahren maximal zwölf Wochen bis die Teilnehmenden ihr IHK-Zertifikat erhalten. Valikom Transfer bietet auch Vorteile für Betriebe. So eignet sich das Verfahren dazu, Potenziale in der eigenen Belegschaft aufzudecken und durch Wertschätzung die Mitarbeitenden an das Unternehmen zu binden. Bareiter: „Wir schaffen damit eine Win-win-Situation für alle.“
pb
Patrick Bareiter
Telefon: 0761 3858-167
Mail: patrick.bareiter@freiburg.ihk.de
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