Angesichts des Klimawandels wächst das Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit. Auch mehr Unternehmen befassen sich damit. Zu diesen zählt „FabRap“ der Konstanzer Gründerin Hema Kumar. Sie verkauft wiederverwendbare Geschenkverpackungen aus Biobaumwolle. Mit IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx hat sie über ihr Unternehmen und eine nachhaltige Zukunft gesprochen.
Frau Kumar, mit Ihrem Unternehmen
Fab Rap möchten Sie Geschenkpapier aus Papier und Folie überflüssig machen und setzen auf Verpackungen aus Stoff. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Dachten Sie vom Prinzip der Nachhaltigkeit zum Produkt oder suchten Sie umgekehrt für ein bestehendes Produkt eine nachhaltige Lösung?
Das ist eine lange Geschichte. Schon als Kind habe ich Geschenke in bunte Stoffe eingepackt, einfach, weil ich es schön fand. Doch meine Idee für Fab Rap kam viel später. Mein Fokus lag erst einmal bei der Biobaumwolle. Vor zwölf Jahren, als ich noch in Saigon lebte und meine Kinder klein waren, suchte ich nach Babybekleidung aus Biobaumwolle. Viele Menschen haben keine Vorstellung davon, mit wie vielen Chemikalien Baumwolle behandelt wird. Das wollte ich meinen Kindern nicht anziehen. Also habe ich ein Unternehmen für Babybekleidung aus Biobaumwolle gegründet. Ich lernte in dieser Zeit viel über zertifizierte Biobaumwolle.
Sie kamen also über die Biobaumwolle zu Ihrer Idee für Fab Rap?
Genau, aber auch, weil ich in Vietnam gesehen habe, dass die Menschen ihre Geschenke in erster Linie in Zellophanfolie einpacken. Das verursacht viel Müll und ist schlecht für die Umwelt. Das geht auch anders, dachte ich mir, und so entstand die Idee für Fab Rap. Ich habe einige Prototypen entwickelt und getestet. Die Rückmeldungen waren super.
Der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit ist inzwischen omnipräsent – ich könnte mir also vorstellen, dass Ihre Geschäftsidee recht erfolgreich ist?
Ja, die Menschen sind für nachhaltige Produkte mittlerweile sehr offen. Wir haben den richtigen Zeitpunkt für wiederverwendbare Geschenkverpackungen getroffen. 2019 haben wir losgelegt, und trotz Coronakrise und geschlossenem Einzelhandel sind unsere Verkäufe jedes Jahr um 40 Prozent gestiegen.
Zur Person
Hema Kumar (50) wurde in Nordindien geboren. Mit neun Monaten zogen ihre Eltern mit ihr und ihrer Schwester nach London, wo sie die nächsten Jahre verbrachte. Als sie neun Jahre alt war, ging die Familie nach Australien, wo Kumar ihren Schulabschluss machte und ein Wirtschaftsstudium absolvierte. Ihr Weg führte sie und ihren Mann mit den gemeinsamen Kindern nach Dubai und Saigon, wo Kumar ihr erstes Unternehmen gründete: eine Firma für Babykleidung aus Biobaumwolle. Seit 2014 leben sie in Deutschland, zuerst in Berlin, seit 2018 in Konstanz.
Gratulation! Beim Thema Geschenkpapier sehe ich immer meine Oma vor mir, wie sie unter dem Weihnachtsbaum das bunte Papier, das wir Kinder aufgerissen hatten, mit ihren Händen glattgestrichen hat, um es später noch einmal zu verwenden. Und dann denke ich: Wir waren alle schon mal sehr viel nachhaltiger, wir haben es nur vergessen.
Absolut richtig, wir haben uns an die Wegwerf- und Konsumgesellschaft gewöhnt. Aber es muss ja nicht zwingend so weitergehen. Wir können uns auch wieder umgewöhnen. Es ist schön zu sehen, wie überall neue Ideen für Nachhaltigkeit entstehen.
Gerade bei Gründungen spielt das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle.
Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen sind die Zukunft. Mit dem Klimaschutz haben wir eine der größten Herausforderungen überhaupt zu bewältigen. Die Wegwerf- und Konsumgesellschaft verursacht zu viel CO2, belastet die Umwelt und verschmutzt unsere Natur. Dass dieser Weg so nicht weitergehen kann, müsste mittlerweile jedem klar sein.
Die Mehrheit der Menschen befürwortet ja einen nachhaltigen Lebensstil, nur im Alltag fällt es ihnen schwer, sich von ihren Gewohnheiten zu lösen. Ich halte hier Ihr fröhlich buntes Tuch in Händen – viele verbinden aber Nachhaltigkeit spontan mit grau, langweilig und spaßbefreit, fürchten Verzicht und Einschränkung. Dabei geht es nicht primär darum, auf etwas zu verzichten, wir müssen Dinge einfach anders machen. Die Fahrt mit einem Elektroauto macht ja nicht weniger Freude als die mit Verbrennungsmotor.
Gleiches gilt für Kleidung. Sie kann schick und nachhaltig sein. Mein Produkt gibt es in vielen Farben. Die Zeiten, in denen Ökopullover nur beige und braun waren, sind längst vorbei.
Was würden Sie Unternehmen raten, die noch nicht so recht wissen, wie sie das Thema Nachhaltigkeit umsetzen können?
Ein Produkt darf nicht nur nachhaltig, sondern muss auch profitabel sein. Ein nachhaltiges Produkt funktioniert nur, wenn die Leute bereit sind, dafür Geld auszugeben. Da nachhaltige Produkte zwar länger halten, aber auch teurer sind, ist es wichtig, früh zu testen, ob es eine Kaufbereitschaft gibt. Ich denke, Gründerinnen und Gründer sind gut beraten, wenn sie die drei P im Blick behalten: People, Planet und Profit.
Was wäre Ihre Botschaft an Unternehmen, die weiterhin nur auf den Profit setzen?
Ich bin mir sicher: Wenn ein Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit nicht ernst nimmt, wird es irgendwann nicht mehr da sein. Die Konsumenten ändern sich, die Generationen. Vieles wird infrage gestellt, nicht zuletzt im Zuge des Klimawandels. Die Coronakrise hat das Thema zusätzlich befeuert. Ein nachhaltiges Leben: Das wird unser Weg sein, und Länder wie Deutschland können der Vorreiter sein.
Sie sind Australierin. Wie kam es dazu, dass Sie Ihr Unternehmen in Konstanz gegründet haben?
Das hatte unterschiedliche Gründe. Wir haben zuvor in Berlin gelebt. Wir lieben diese Stadt, haben dort ein großes Netzwerk, aber es war schwer, sich zu organisieren, etwa Beratungstermine zu bekommen. Deswegen haben wir uns entschieden, nach Süddeutschland in die Nähe zur Schweiz zu ziehen. Konstanz ist es dann geworden. Hier habe ich sehr viel Unterstützung und Ermutigung erfahren, gerade von der IHK. Ohne diese Unterstützung hätte ich meine Idee nicht so schnell und erfolgreich umsetzen können. Ich fühle mich hier angekommen. Dafür bin ich sehr dankbar.
Interview: mx