Der Ausbau der Infrastruktur, der verkehrlichen wie der digitalen, war eine der wesentlichen Forderungen von IHK-Präsident Steffen Auer in seiner Rede vor knapp 2.000 Gästen beim Neujahrsempfang der Kammer im Freiburger Konzerthaus.
Der tägliche Stau auf der A 5 erzürnt Auer gleichermaßen wie die Lücken im Mobilfunknetz oder der zögerliche Breitbandausbau. „So können wir nicht weitermachen“, mahnte der IHK-Präsident. „Das bringt unsere Volkswirtschaft irgendwann zum Erliegen.“ Große Verkehrsprojekte wie die neue Rheintalbahn oder der dreispurige Ausbau der A 5 müssten innerhalb von zehn bis fünfzehn Jahren geplant und fertiggestellt werden können, forderte Auer. Zudem brauche es „Glasfaserkabel zu jedem Betrieb und jedem Haus“ gleichermaßen wie ein flächendeckendes Mobiltelefonnetz. Er wundere sich über die Vorstellung vom ländlichen Raum, die manche Politiker zu haben scheinen, „wenn sie von Funkantennen an Milchkannen reden“, sagte Auer in Anspielung auf Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. Die hatte vor einigen Wochen in einem Interview gesagt, das neue Mobilfunknetz 5G sei nicht an jeder Milchkanne notwendig. „Der wirtschaftlich starke ländliche Raum macht doch gerade unseren Erfolg in Baden-Württemberg aus“, betonte Auer. Die größten Unternehmen und Arbeitgeber lägen eben nicht in Freiburg und Offenburg, sondern in Waldkirch, Allmannsweier und Rust, in Titisee, Eisenbach, Müllheim, Oberkirch, Kehl und vielen anderen kleineren Städten und Gemeinden. Weil der flächendeckende Ausbau der Infrastruktur nicht profitabel sein kann, sieht der Unternehmer darin „eine Staatsaufgabe im Sinne der Daseinsvorsorge wie bei Gas und Strom“. Es sei die Aufgabe des Staates, das Geld für Kommunen und Kreise unbürokratisch freizugeben und dafür zu sorgen, dass etwa Telekommunikationsunternehmen wirksame Anreize für eine flächendeckende Versorgung bekämen. Großen Investionsbedarf verortet Auer auch beim öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV): „Wir brauchen eine superschnelle Anbindung des ÖPNV an die Städte.“ Denn laut ersten Erkenntnissen einer gerade entstandenen Regionalstudie der IHK ist der Bevölkerungsdruck auf Freiburg so groß, dass die Stadt ihn nur gemeinsam mit dem Umland bewältigen kann. Dafür müssten gemeinsame Strategien entwickelt werden.
Als wesentliche Herausforderung für die Wirtschaft bezeichnete Auer die Digitalisierung und appellierte an die Unternehmer, sich bei dem Thema zu vernetzen: „Nehmen Sie Kunden und Lieferanten Huckepack, damit keiner zurückbleibt. Am Ende profitieren Sie selbst am meisten von Ihrer Offenheit.“ Die IHK will ihre Mitglieder bei diesem Austausch unterstützen und sich selbst auch zunehmend digitalisieren. So können bereits jetzt Mitgliederbescheide und Jubiliäumsurkunden online bestellt werden, demnächst auch elektronische Ursprungszeugnisse und Ausbildungsverträge. „Die Digitalisierung macht vor niemandem halt“, betonte Auer, widmete sich in seiner Rede aber auch analogen Themen. So begrüßte er, dass die Machbarkeitsstudie für die Bahnstrecke zwischen Colmar und Freiburg finanziert wird. Das sei ein wichtiges Signal für die grenzüberschreitenden Beziehungen. Der IHK-Präsident warb dafür, gerade am Oberrhein die Europäische Union nicht ausschließlich unter Kosten-Nutzen-Aspekten zu betrachten – „für uns ist Europa eine Identitätsfrage“. Baden habe mehr Gemeinsamkeiten mit dem Elsass als mit Berlin, deshalb sei die Erneuerung des Elysée-Vertrags eine „einmalige Chance für unsere Region“.
Diese Chance zeigt sich insbesondere an den Plänen für ein deutsch-französisches Gewerbegebiet, das auf dem Gelände des Atomkraftwerks Fessenheim nach dessen Schließung entstehen soll. Die Wirtschaft wünscht sich dafür Flexibilität über das nationale Recht hinaus. „Haben Sie den Mut, uns in der Grenzregion einfach mal was machen zu lassen“, appellierte Auer an die Politik. Über deren Arbeit im vergangenen Jahr äußerte sich der IHK-Präsident enttäuscht. Erfolge wie die niedrige Arbeitslosigkeit hätte es nicht wegen, sondern trotz der Politik gegeben – „dank der Wirtschaft, dank uns Unternehmen“. Zugleich warnte Auer wie schon im vergangenen Jahr wieder vor Populisten mit ihren zerstörerischen Strategien, die sich gegen zentrale Organisationen wie die EU oder die Welthandelsorganisation (WTO) richteten. Gerade diese Institutionen gewährleisteten die wirtschaftliche Stabilität in Europa und der Welt. Sie hätten sich über Jahre bewährt und viele Menschen weltweit am ökonomischen Erfolg teilhaben lassen. „Nur gemeinsam können wir im globalen Karpfenteich überleben“ , sagte Auer und warnte: „Jeder für sich sind wir alle nur kleine Fische.“
kat