Der externe Schock der Covid-19-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft 2020 in die schwerste Krise seit mehr als zehn Jahren gestürzt. Trotzdem haben sich zum Jahresbeginn 2021 die pessimistischen Prognosen aus dem Frühjahr 2020 nicht bewahrheitet. So ist das Bruttoinlandsprodukt nach aktuellen Schätzungen der Bundesregierung im vergangenen Jahr real lediglich um fünf Prozent geschrumpft, die Wirtschaft also schneller aus der Krise herausgewachsen als anfangs erwartet wurde. Doch es dürfte noch mindestens bis Mitte 2022 dauern, ehe das Vorkrisenniveau erreicht wird.
Der wesentliche Treiber der schnellen Erholung ist dabei die Industrie. Sie verzeichnet auch am Oberrhein wieder einen steigenden Auftragseingang und ist die einzige Branche, die überwiegend optimistisch auf das Jahr 2021 schaut. Damit setzt sich ein Muster fort, das die Vorumfragen bereits gezeigt haben: Die Krise ist vor allem eine der konsumentennahen Dienstleistungen. Konnten der Einzelhandel und das Hotel- und Gastgewerbe bis zum Herbst noch einmal durchatmen, wirft sie der zweite Lockdown wieder in ihrer wirtschaftlichen Erholung zurück. Den Betrieben bleibt oft nur der Rückgriff auf ihr Eigenkapital.
Während die Lage in einzelnen Branchen aktuell also dramatisch ist, setzt sich gesamtwirtschaftlich die Erholung mit verlangsamtem Tempo fort. Der Index der Geschäftslage steigt von 5 auf 7 Punkte an, sodass die Unternehmen mit guter Geschäftslage mit einem Anteil von 33 Prozent erneut knapp in der Mehrheit gegenüber jenen mit schlechter Geschäftslage (26 Prozent) sind. In eine andere Richtung bewegt sich hingegen der Index der Geschäftserwartungen. Er verliert 2 Punkte und bleibt mit -5 Punkten im negativen Bereich. Vor allem die Einzelhändler blicken aufgrund des neuerlichen Lockdowns wieder deutlich pessimistischer in die Zukunft.
Krise erfasst den Arbeitsmarkt
Auch auf dem Arbeitsmarkt ist die Krise nun angekommen. Zwar konnten mit Maßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld viele Arbeitnehmer in ihren Beschäftigungsverhältnissen gehalten werden. Die Zahl der Arbeitslosen im Kammerbezirk hat sich dennoch erhöht. So waren im Januar 4.940 mehr Menschen bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend gemeldet als ein Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote im Kammerbezirk ist von 3,5 auf 4,2 Prozent gestiegen. Dies deckt sich mit den Angaben der Unternehmen zu ihren Beschäftigungsplänen: Nur 16 Prozent beabsichtigen, 2021 Stellen aufzubauen, während 28 Prozent die eigene Angestelltenzahl verringern wollen. Der Index der erwarteten Beschäftigung gewinnt damit zwar leicht um 6 Punkte, bleibt aber mit -12 Punkten im negativen Bereich. Nur die Bauwirtschaft ist weiter die Ausnahme: Hier würde noch immer jedes fünfte Unternehmen gerne Fachkräfte einstellen.
Große finanzielle Herausforderungen
Eine große Zahl von Unternehmen stellen die Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen vor große finanzielle Herausforderungen. 28 Prozent aller Firmen der Region mussten in diesem Zusammenhang einen Rückgang des Eigenkapitals hinnehmen. Trauriger Spitzenreiter der Branchen ist auch hier das Hotel- und Gastgewerbe, bei dem der Anteil mit 65 Prozent mehr als doppelt so hoch liegt. Aber auch die Verschlechterung des Branchenratings (19 Prozent) oder der zunehmende Ausfall von Forderungen (15 Prozent) werden oft als Folgen genannt. Zu Liquiditätsengpässen ist es bei 15 Prozent der Betriebe gekommen – auch hier ist der Anteil bei den Betrieben des Hotel- und Gastgewerbes mit 57 Prozent am höchsten. Noch ist nicht absehbar, ob die staatlichen Hilfen ausreichen werden, um eine große Zahl von Insolvenzen in den am stärksten betroffenen Branchen abwenden zu können.
Forderung einer Öffnungsstrategie
„Die Lage ist existenzbedrohend“, betonte Henrike Beck, Geschäftsführerin von Stiegeler Schlafkomfort in Freiburg, bei der Vorstellung der Konjunkturumfrage. Mit ihrem Team von mehr als 20 Mitarbeitern hatte sie direkt zum Start der Pandemie ein Hygienekonzept erarbeitet. „Neben Masken, Plexiglaswänden und Desinfektionsspendern haben wir auch Luftreinigungsgeräte angeschafft und eine Fiebermessstation eingerichtet“, berichtete Beck. „Die Spielregeln der Politik ändern sich jedoch ständig, und die Zwangsschließungen müssen wir als Unternehmer selbst vorfinanzieren. Zudem sind die Öffnungskonzepte ungerecht: Ein Optiker darf öffnen, während dies uns verwehrt wird, obwohl wir mit unserem Angebot der Liegeberatung und Körpervermessung für gesunden Schlaf sorgen und somit ebenfalls dem Gesundheitsaspekt zugeordnet werden könnten.“
Die Lage im Modehandel schilderte Hans-Georg Meier, Geschäftsführer von Meierfashion in Rheinhausen: „Uns wurde mit den Schließungen die Geschäftsgrundlage entzogen. 2020 hatten wir im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzminus von 31 Prozent, dies entspricht 1,2 Millionen Euro Verlust. Das Aufbrauchen von privaten Vermögensbeständen und die Aufnahme von Darlehen können hier nicht die einzige Lösung sein – das bringt uns in größte Existenznot.“ Zudem steht der Unternehmer vor einem weiteren Problem: „Bei Modewaren, die wir nach sechs Wochen nicht abverkauft haben, entsteht ein großer Wertverlust. Für die Abschreibungen brauchen wir klare Regeln.“ Beck und Meier fordern von der Politik eine zeitnahe Öffnungsstrategie und damit eine Chance für den Einzelhandel, mit ihren ausgearbeiteten und meist bereits finanzierten Konzepten um ihr Überleben zu kämpfen.
Text: nu/heo
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