Zum 16. Mal treffen sich Entscheidungsträger mittelständischer Unternehmen zum Freiburger Mittelstandskongress. Keynote-Speakerin am 20. Oktober ist Verena Pausder. Die Unternehmerin, Autorin und Expertin für digitale Bildung skizziert das Zukunftsbild unseres Landes.
Der Kongress ist mit „Die Dynamik des Wandels“ überschrieben. Sie sagen von sich, dass Sie wissen, wie schmerzhaft der Wandel auch sein kann. Warum sollte das die mittelständischen Unternehmer dennoch nicht abschrecken, den Wandel aktiv zu gestalten?
Verena Pausder: Ich wünsche mir, dass wir statt vom Schmerz des Wandels, viel mehr über den Schmerz des Nichtstuns sprechen. Es wird teuer, schwieriger und anstrengender, den Hebel später umzulegen – zum Beispiel beim Klimaschutz oder auch bei der digitalen Transformation. Deshalb lohnt es sich, den Wandel aus einer Position der Stärke anzugehen, anstatt erst loszulegen, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht.
Die Unternehmer aus der Region kommen überwiegend aus familiengeführten Betrieben, viele sind derzeit mit der Unternehmensnachfolge stark beschäftigt. Wie sollen sie noch die Zeit finden, das Neue Land zu gestalten?
Der Schlüssel ist loslassen zu können. Sowohl von Aufgaben als auch von Kontrolle. Damit meine ich, dass man auch mal To-dos hinten runterfallen lässt und sich auf wenige wichtige Prioritäten konzentriert. Nur weil zum Beispiel seit 30 Jahren jeden Montag Geschäftsführerrunde ist, heißt das noch lange nicht, dass diese Meetingstruktur auch heute noch Sinn macht. Und loslassen muss man auch beim Thema Führung: Wer die Mitarbeitenden einfach mal machen lässt und nur zur Seite steht, wenn es wirklich elementare Fragen gibt, hat schon viel mehr Zeit, um langfristiger zu denken, oder um sich zu engagieren. Kontrollverlust ist eine Stärke.
Zeit, ein neues Land zu gestalten, sollten sich die neu gewählten Politiker nehmen. Was möchten Sie ihnen für die Regierungsfindung mit auf den Weg geben?
Da habe ich drei ganz klare Wünsche: Erstens ein starkes Digitalministerium mit Topexpertise besetzt und weitreichendem Budget und Kompetenzen. Zweitens ein Kooperationsgebot statt -verbot bei der Bildung: Wir kommen bei der digitalen Bildung nur voran, wenn Bund und Länder endlich aufhören, sich im Föderalismus-Klein-Klein zu verhaken. Drittens wünsche ich mir, dass wir anders Politik machen: Mit mehr Querwechslern aus Wirtschaft und Gesellschaft und mit größerer Transparenz, wo wir bei zentralen Regierungsvorhaben stehen. Das heißt dann auch, dass Minister und Ministerinnen klar Verantwortung übernehmen, wenn es bei der Umsetzung mal nicht so gut läuft.
Zur Person
Verena Pausder (42) ist Gründerin der digitalen Bildungsunternehmen „Fox + Sheep“, der „HABA Digitalwerkstätten” sowie des Vereins „Digitale Bildung für alle.“. Ihr Buch „Das Neue Land“ wurde von der Frankfurter Buchmesse als „Unternehmerbuch des Jahres“ ausgezeichnet.
Corona hat uns von heute auf morgen in eine neue Wirklichkeit geworfen. Braucht es so ein Erdbeben, damit sich überhaupt etwas bewegt?
Ich weiß nicht, ob dieser Gedanke, dass Umbrüche immer mit Großereignissen starten müssen, uns weiterbringt. Eine Reform des Bildungssystems oder ein starker Klimaschutz sind Mammutaufgaben – die man aber herunterbrechen kann. Wir wissen eigentlich sehr gut, womit wir anfangen können. Und Schritt für Schritt kommt man auch voran, das braucht nicht immer gleich ein Erdbeben. Wir müssen nur mal losgehen.
Immerhin haben sich durch Corona viele vom Büro ins Homeoffice bewegt – ein Anfang. Aber werden wir da auch bleiben?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass fünf Tage Büro wieder zur Normalität werden. Es macht aber keinen Sinn, diese Frage pauschal zu beantworten. Führungskräfte sollten ein Interesse haben, mit „New Work“ „Best Work“ möglich zu machen: Das heißt konkret – alle arbeiten dort, wo sie die besten Leistungen erbringen können. Für die einen ist das im Büro, für die anderen zu Hause.
Zum Schluss bitte ein Blick in die etwas fernere Zukunft: Wo steht Deutschland bei der Bundestagswahl im Jahr 2025? Sind wir dann das „Neue Land“?
Natürlich hoffe ich, dass wir bei den großen Zukunftsthemen – Klima, Bildung, Chancengerechtigkeit, Digitalisierung – 2025 einen großen Schritt weiter sind als jetzt. Besonders wichtig ist mir aber, dass dieses neue Land von einer neuen Haltung geprägt ist: Von dem Verantwortungsgefühl, dass jeder – egal ob Schülerin, Manager, Eltern, Unternehmerin, Handwerker – einen Beitrag leistet, um das Land ein Stück besser zu machen. Das kann politisches Engagement sein, eine Nachbarschaftshilfe, ein Verein oder Care-Arbeit. Das neue Land ist kein reiner Auftrag an die Politik. Das wird es nur geben, wenn wir es zusammen gestalten.
Interview: naz
Bild: Patrycia Lukas
Der 16. Freiburger Mittelstandskongress am 20. Oktober im Freiburger Konzerthaus geht unter anderem den Fragen nach, ob deutsche Unternehmen genug in die Zukunft investieren, was Arbeitgeber attraktiv macht, ob „Work is Life“ besser ist als die Work-Life-Balance und „was uns morgen wichtig ist“.
Infos zu Programm, Rednern und Anmeldung: www.fr-mk.de