Der Potsdamer Klimaforscher und Professor Stefan Rahmstorf war zu Gast bei der IHK Hochrhein-Bodensee in Konstanz, um sich mit Unternehmern aus dem IHK-Bezirk über den Klimawandel auszutauschen. Der große Konsens war: Wir müssen dem Klimaschutz, den Chancen, aber auch den Anstrengungen, die damit verbunden sind, mit mehr Zuversicht begegnen.
Eigentlich sei der Sommer 2021 zu warm gewesen. Mit dieser Nachricht überraschte der Klimaforscher Stefan Rahmstorf zu Beginn der Abendveranstaltung die Unternehmer, die nach Konstanz gekommen waren, um sich mit den Fragen und Herausforderungen des Klimawandels zu befassen. War der Sommer nicht zu kalt und zu verregnet? „2021 war ein warmer Sommer, aber wir haben ihn als kalt empfunden, weil wir uns an die normalen Sommer nicht mehr erinnern können“, sagte Rahmstorf, der am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung die Abteilung Erdsystemanalyse leitet und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam ist. Der Klimawandel ist laut Rahmstorf in Deutschland schon längst angekommen. Die gestiegene Durchschnittstemperatur und häufige Extremwetterereignisse wie Hochwasser, Starkregen und Trockenphasen belegen dies.
Die teilnehmenden Unternehmer fragten sich, warum der Klimawandel so lange unterschätzt worden ist. Eine Antwort dazu hatte Bene Müller, Gründer der Solarcomplex AG in Singen und Initiator der Veranstaltung. „Durch das Hochwasser in NRW und Rheinland-Pfalz erleben wir jetzt einen Prozess des Mitfühlens und Mitdenkens. Wir waren zu lange nicht betroffen, sondern der Klimawandel spielte sich in anderen Weltregionen ab.“ Nun gelte es, keine Zeit zu verlieren. „Wir haben die Erkenntnis und die technischen Möglichkeiten, um klimaneutral zu werden“, so Müller.
Trotz allen Zeitdrucks ist es laut Henry Rauter, Geschäftsführer der Vita Zahntechnik, aber wichtig, das Sozial- und Wirtschaftssystem nicht zu überfordern.
Für Thomas Conrady, Präsident der IHK Hochrhein-Bodensee und Geschäftsführer der Conrady-Gruppe, geht es beim Thema Klimaschutz auch um unternehmerische Verantwortung: „Wenn wir als Unternehmer für Arbeitnehmer und für unsere Umwelt Verantwortung übernehmen wollen, dann gilt es eben auch, dieser Verantwortung gerecht zu werden und sie zu leben. Das Beachten von Recht und Gesetz ist das Mindeste, aber – das ist meine persönliche Meinung – wir müssen auch weitsichtig Entwicklungen vorwegdenken und unsere Unternehmen langfristig ausrichten.“ Mit dieser Ansicht war Conrady alles andere als allein.
Vieles, wovon der Klimaforscher in seinem Vortrag berichtete, ist den Unternehmern am Bodensee und Hochrhein bekannt. Sie wissen, dass Nichtstun in der Klimakrise sehr viel teurer wird, als beim Klimaschutz aktiv voranzuschreiten. Deswegen beschäftigen sie sich in ihren Betrieben damit, energieeffizienter zu arbeiten, entwickeln Konzepte für Solaranlagen auf Firmen- und Hallendächern, nutzen die Abwärme aus der Produktion, führen komplexe Energiemanagementsysteme ein und sensibilisieren ihre Belegschaft. „Das Bewusstsein ist da“, sagte Michael Schwabe, Geschäftsführer der Eto-Gruppe in Stockach.
Auf die Frage, warum zwar schon viel getan wird, aber der Durchbruch beim Klimaschutz noch ausbleibt, hatte Silke Masurat, Geschäftsführerin der Zeag GmbH, einen interessanten Gedanken. „Es ist schade, dass es beim Klimawandel fast immer nur um Angst geht. Angst, der Klimaschutz wird zu teuer. Angst, die Energie wird knapp. Aber vielleicht wäre es auch eine Möglichkeit, dem Klimaschutz positiver zu begegnen.“ Dieser Gedanke löste in der Runde sehr viel Zustimmung aus, und Thomas Conrady ergänzte: „Wir müssen die Menschen überzeugen, Verantwortung zu übernehmen, nicht durch Drohungen, sondern durch Motivation.“
Der Abend endete mit der Übereinstimmung, dass viele Fragen noch ungeklärt sind. „Das Thema ist nicht nur etwas für Klimaforscher, sondern auch für Soziologen, Ökonomen und Ingenieure“, sagte Conrady. „Auch die IHK-Organisation wird bei der Transformation unserer Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen.“
Und natürlich sei es mit einer CO2-Bepreisung allein nicht getan, betonte Stefan Rahmstorf. Es braucht ebenso Förderprogramme und gesellschaftliche Anreize, damit der Klimaschutz gelingen kann. Seine Botschaft: „Wir müssen bis 2030 die Emissionen weltweit halbieren. Dann können wir es noch schaffen, den Klimawandel zu stoppen. Die nächsten fünf Jahre sind entscheidend.“
hw
Bild: Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf (erste Reihe, zweiter von links) traf Unternehmer aus dem IHK-Bezirk Hochrhein-Bodensee in Konstanz.