Es begann vor vier Jahren mit einer Schule, dreizehn Praktikanten und neun Betrieben. In diesem Schuljahr möchten mehr als 370 Jugendliche von 22 elsässischen Schulen ihr Berufsschnupperpraktikum auf der anderen Seite des Rheins absolvieren. Knapp 250 deutsche und einige schweizerische Betriebe haben sich dafür angeboten. Die Zwischenbilanz von „Eurostage 2020“ fällt also positiv aus.
Die Idee von IHK-Präsident Steffen Auer und Claude Fröhlicher, Präsident des Vereins Eltern Alsace, ist so simpel wie überzeugend: Elsässische Neuntklässler gehen für ihr Berufspraktikum in deutsche Unternehmen, lernen dabei die deutsche Arbeitswelt kennen, gleichzeitig können sich die badischen Betriebe als künftige Arbeitgeber vorstellen. Schließlich ist die Jugendarbeitslosigkeit im Elsass nach wie vor deutlich höher als in Baden-Württemberg, während die deutschen Unternehmen Probleme haben, ausreichend Fachkräfte zu finden. 2015 organisierten deshalb die IHK und der elsässische Elternverein erstmals Praktika für elsässische Neuntklässler in Unternehmen im Raum Freiburg. Mittlerweile hat sich das Projekt fast auf den ganzen IHK-Bezirk und darüber hinaus ausgebreitet – einige Schweizer Firmen beteiligen sich, die IHK Karlsruhe hat sich als Partner angeschlossen, und das europäische Interreg-Programm unterstützt die Mobilitäts- und Aufenthaltskosten mit einem fünfstelligen Betrag. Über diese Förderangebote und die Organisation der Praktika informieren die IHK und die Académie de Strasbourg, also sozusagen das elsässische Oberschulamt, die elsässischen Lehrer bei eintägigen Fortbildungen.
In vielen elsässischen Schulen hat sich „Eurostage“ institutionalisiert. Das Collège Cernay beispielsweise schickt alle seine Neuntklässler zum Praktikum nach Freiburg und Umgebung. „Für mich war es logisch, dass eine bilinguale Klasse ihr Praktikum in Deutschland macht“, sagte Deutschlehrerin Sandrine Koehrlen bei einem Pressegespräch zum Projekt in der IHK in Lahr. Wäre es keine Pflichtveranstaltung, würden viele davor zurückschrecken. So aber sei es ein gemeinsames Erlebnis. Die Klasse samt Lehrerinnen logiert in der Freiburger Jugendherberge, von wo aus die Jugendlichen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihren Praktikumsplätzen fahren. So lernen sie gleich noch ein bisschen Selbstständigkeit. „Am Ende sind alle begeistert und wollen das zweisprachige Abi-Bac machen“, berichtete Koehrlen.
Wie lange die Begeisterung anhält und ob aus den französischen Praktikanten irgendwann Auszubildende oder Mitarbeiter in Deutschland werden, lässt sich noch nicht sagen. „Die deutschen Firmen müssen verstehen, dass es ein längerfristiges Engagement ist“, betonte Claude Fröhlich. Denn anders als in Deutschland, wo zwischen Berufspraktikum und Ausbildungsbeginn bei Realschülern nur ein oder zwei Jahren liegen, verlässt in Frankreich kaum ein Schüler die Schule vor dem Abitur. Der erste Jahrgang des grenzüberschreitenden Praktikums besucht jetzt die Abschlussklasse. Fröhlich glaubt, dass diejenigen, die mit 14 oder 15 Jahren Erfahrungen in der deutschen Arbeitswelt gesammelt haben, sich eher für eine Ausbildung hier entscheiden. Mit 18 oder 19 Jahren erstmals darüber nachzudenken, sei vielleicht schon zu spät. Darin sieht der „Eltern-Alsace“-Vorsitzende eine Erklärung für die bislang recht bescheidene Nachfrage nach binationalen Angeboten, obwohl man sich im Elsass sehr um die deutsche Sprache bemüht. Alle Kindergarten- und Grundschulkinder lernen Deutsch, und die Hälfte der weiterführenden Schulen bieten einen bilingualen Zug an.
„Die Sprache ist wichtig, aber nicht das einzige Kriterium“, sagte Tanja Bohner-Auer von der Lahrer Firma Schwarzwald-Eisen, die sich seit 2017 an Eurostage beteiligt und eine Bildungspartnerschaft mit dem Lycée in Erstein betreibt. Die französischen Praktikanten profitierten davon, dass sie in deutschen Unternehmen richtig mitmachen dürfen. Bei Berufspraktika in Frankreich ist eher Zuschauen als Anpacken angesagt, das erklärt die Begeisterung der jungen Elsässer hierzulande. „Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht“, berichtete Bohner-Auer beim Pressegespräch. Die französischen Jugendlichen seien sehr motiviert, höflich und pünktlich, allerdings zurückhaltender als die deutschen. „Sie brauchen etwas mehr Betreuung und manchmal einen Schubs“, sagte Bohner-Auer. Unter den 250 Mitarbeitern von Schwarzwald-Eisen sind bereits einige Franzosen, auch mit der grenzüberschreitenden Ausbildung hat das Unternehmen schon Erfahrung gesammelt. Nun wünscht Bohner-Auer sich, dass Eurostage fruchtet und „tatsächliche Auszubildende bei uns anfangen“. kat
IHK-Ansprechpartnerin für Unternehmen, die sich über eine Teilnahme am Projekt Eurostage informieren möchten:
Karin Finkenzeller
Tel. 0761 3858-190
Mail karin.finkenzeller@freiburg.ihk.de